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Einführung in die Philosophie der Neuzeit

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Erkenntnis zugänglich ist, ke<strong>in</strong>e Zweckursachen hat. In ihr geschieht alles nachmathematischen Gesetzen notwendig. Wir bauen e<strong>in</strong>en Kran, weil wir <strong>die</strong> Hebelgesetzekennen, <strong>die</strong> mit Notwendigkeit verwirklichen, was sie verwirklichen. Wir können den Kranbzw. se<strong>in</strong>e Produktion mit Berechnung realisieren. Und weil das so ist, ist z.B. <strong>die</strong>Produktion von Kränen, mith<strong>in</strong> <strong>die</strong> Technik überhaupt, so erfolgreich. Denken Sie bloße<strong>in</strong>mal, was von uns alles berechnet wird und wie hervorragend das alles funktioniert. Dasgeht nur so, weil je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelne Schritt von Ursache zu Wirkung den mathematischenGesetzen mit Notwendigkeit unterliegt. Das steckt doch be<strong>in</strong>ahe <strong>in</strong> jedem Seienden -denken Sie an den digitalen Computer, an das Internet - das ist alles Mathematik. DenkenSie an <strong>die</strong> Banken, an <strong>die</strong> Ökonomie, den Kapitalismus, auch das ist alles Mathematik.Und nach Sp<strong>in</strong>oza funktioniert das Alles von Ewigkeit mit Notwendigkeit, weil das zumWesen <strong>der</strong> Natur gehört.Das bedeutet: <strong>die</strong> Natur hat sich ke<strong>in</strong>en Zweck vorgesetzt. Die Zweckursachen, sagt er,s<strong>in</strong>d „nichts als menschliche E<strong>in</strong>bildungen“. Das ist <strong>die</strong> Absage an e<strong>in</strong>en Aristotelismus,<strong>der</strong> sich bis <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Neuzeit</strong> erhalten hat. Die Sonne sche<strong>in</strong>t nicht, weil wir das so schönf<strong>in</strong>den und Gott uns lieb hat. Es regnet nicht, weil <strong>die</strong> Pflanzen wachsen sollen, son<strong>der</strong>nes regnet, weil irgendwelche Wetterbewegungen zur Wolkenproduktion geführt hat, <strong>der</strong>W<strong>in</strong>d <strong>die</strong>se <strong>in</strong> <strong>die</strong>se Richtung getragen und das Gewicht <strong>der</strong> Wassertropfen genau zu<strong>die</strong>sem Zeitpunkt so groß geworden ist, dass sie eben genau dann zur Erde fielen - wasnach Sp<strong>in</strong>oza bis <strong>in</strong>s Unendliche zurück verfolgt werden könnte. Diese Absage an e<strong>in</strong>enatürliche Teleologie gehört zum Charakter <strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Naturwissenschaft. Es gibt <strong>in</strong><strong>der</strong> Natur ke<strong>in</strong>e Zwecke. Und wir Menschen s<strong>in</strong>d nach Sp<strong>in</strong>oza nichts an<strong>der</strong>es als Wesen<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en und göttlichen Natur, also gibt es auch für den Menschen nur e<strong>in</strong>bildungsmäßigeZwecke, so wie es e<strong>in</strong>e illusionäre Freiheit gibt.Denken wir das noch <strong>in</strong> zwei Schritten weiter. Ich werde noch zwei Propositionen aus demersten Teil <strong>der</strong> Ethik zitieren und mit ihnen durchdenken, damit wir das ganze Panorama<strong>die</strong>ser skandalösen <strong>Philosophie</strong> vor uns haben. Also: es gibt ke<strong>in</strong>en freien Willen, allesgeschieht mit mathematischer Notwendigkeit, es gibt ke<strong>in</strong>e Zweckursachen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur.Das impliziert folgenden Gedanken: „In <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge gibt es nichts Zufälliges(cont<strong>in</strong>gens), son<strong>der</strong>n alles ist aus <strong>der</strong> Notwendigkeit <strong>der</strong> göttlichen Natur bestimmt, aufgewisse Weise zu existieren und zu wirken.“ Das ist <strong>die</strong> Propositio 29. Ich br<strong>in</strong>ge <strong>die</strong>senLehrsatz hier noch, weil Ihnen vielleicht hätte e<strong>in</strong>fallen können, nach dem Zufall zu fragen.Es gibt nach Sp<strong>in</strong>oza ke<strong>in</strong>en Zufall, kann ihn nicht geben. Die Frage nach dem Zufall istnatürlich <strong>in</strong>teressant. Wir reden davon, dass etwas Zufall war o<strong>der</strong> ist. Doch wenn alleD<strong>in</strong>ge <strong>der</strong> Natur verursacht s<strong>in</strong>d, wenn sie nach dem Gesetz von Ursache und Wirkunggeschehen, kann es ke<strong>in</strong>en Zufall geben. Sp<strong>in</strong>oza hat e<strong>in</strong> Beispiel, das er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em etwasan<strong>der</strong>en Kontext verwendet, aber das ist gleichgültig: jemand wird von e<strong>in</strong>er Dachpfanneerschlagen. Wir sagen, das war Zufall (Pech). Doch Sp<strong>in</strong>oza weist darauf h<strong>in</strong>, dass wir63

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