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Einführung in die Philosophie der Neuzeit

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Descartes, nicht so sehr täuschen, dass <strong>die</strong> ganze Schöpfung nur e<strong>in</strong>e Fiktion sei. Gewiss- doch wenn er schon so gut ist, warum täuschen wir uns dann überhaupt? Dass wir unszuweilen täuschen, ist aber gewiss. Das ist e<strong>in</strong> schwieriges Problem, wie wir gleich sehenwerden.Zunächst aber etwas zu <strong>die</strong>sem Gottesverständnis. In <strong>der</strong> dritten Meditation, auf <strong>die</strong> wirgleich e<strong>in</strong>gehen werden, heißt es: „Unter dem Namen ,Gott“ verstehe ich e<strong>in</strong>e Substanz,<strong>die</strong> unendlich, unabhängig, allwissend und allmächtig ist - und von <strong>der</strong> ich selbstgeschaffen b<strong>in</strong>.“ E<strong>in</strong>e sehr wichtige Bestimmung. Diese stammt sozusagen aus demMittelalter. Es war Wilhelm von Ockham (1288-1347), e<strong>in</strong> Franziskaner-Philosoph, <strong>der</strong> <strong>in</strong>se<strong>in</strong>em Denken ernst macht mit <strong>der</strong> Idee e<strong>in</strong>es omnipotenten Gottes, e<strong>in</strong>es Gottes also,<strong>der</strong> kraft <strong>der</strong> Allmacht e<strong>in</strong>e creatio ex nihilo, e<strong>in</strong>e Schöpfung aus dem Nichts vollziehenkonnte. Dieser Gott ist so allmächtig, dass er auch <strong>die</strong> mathematischen Gesetzegeschaffen hat. Hat er <strong>die</strong>se aber geschaffen, so kann er sie auch verän<strong>der</strong>n, d.h. erkönnte sozusagen <strong>die</strong> alten mathematischen Gesetze durch neue ersetzen. Dass hat erdoch Konsequenzen, denn was gilt uns als gewisser, dass 1+1=2 ist? Deshalb sagtDescartes auch: „Freilich möchte es wohl manche geben, <strong>die</strong> lieber leugnen würden, dasse<strong>in</strong> so mächtiger Gott überhaupt existiert, als dass sie an <strong>die</strong> Ungewissheit aller an<strong>der</strong>enD<strong>in</strong>ge glaubten“. Will sagen: Lieber haben wir e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Idee von Gott, nämlich z.B.dass er nicht allmächtig ist, als dass wir akzeptieren könnten, selbst <strong>die</strong> Mathematik seiungewiss. (Gottesidee des „Voluntarismus“.) Descartes aber hat <strong>die</strong>se Idee von Gott,nämlich <strong>die</strong> <strong>der</strong> Allmacht. Doch - er sche<strong>in</strong>t zunächst <strong>die</strong> Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung abzuwiegelnund sagt nur: mit denen, <strong>die</strong> also e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e Vorstellung von Gott haben, wolle er nichtstreiten.Was für ihn aber übrig bleibt aus <strong>der</strong> Untersuchung, das ist <strong>die</strong> Gewissheit, dass er sichtäuschen kann, dass er also e<strong>in</strong> unvollkommenes, endliches Wesen ist. Nun könnte manzwar wie<strong>der</strong> zu den alten Me<strong>in</strong>ungen und Überzeugungen zurückkehren, doch Descarteswill bei se<strong>in</strong>em Zweifel bleiben. Ausdrücklich wird dabei festgestellt, dass das auch garnicht so gefährlich sei, weil es ja nicht ums Handeln (um <strong>die</strong> Praxis), son<strong>der</strong>n um dasErkennen (<strong>die</strong> Theorie) geht. (Es ist e<strong>in</strong> Gedanke des Descartes, dass das Wichtigste fürden Menschen das Handeln, <strong>die</strong> Praxis ist - nicht <strong>die</strong> Theorie.)Damit kehrt er zu se<strong>in</strong>em Gottesargument zurück, wobei er - se<strong>in</strong>er christlichenÜberzeugung entsprechend - Gott nun durch e<strong>in</strong>en genius malignus, e<strong>in</strong>en bösen Geist,ersetzt. Es könnte ja so se<strong>in</strong>en bösen Geist geben, <strong>der</strong> uns <strong>in</strong> allem re<strong>in</strong>legt, sogar <strong>in</strong>Bezug auf <strong>die</strong> mathematischen Gesetze re<strong>in</strong>legt. Es könnte doch se<strong>in</strong>, dass alles e<strong>in</strong>egeschaffene Fiktion ist. Das bedeutet dann aber, dass es zunächst e<strong>in</strong>mal nichts gibt,woran ich mich noch halten könnte. Alles ist nun ungewiss, alles ist unwahr.25

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