Wie löst Descartes <strong>die</strong>ses Problem? Zunächst e<strong>in</strong>mal bezieht er sich wie<strong>der</strong> auf <strong>die</strong>Vorstellungen, <strong>die</strong> ich habe. Wenn ich z.B. Vorstellungen nehme wie „rot“, „leer“, „glatt“,etc. dann kann ich sagen dass <strong>die</strong>se unterschiedslos me<strong>in</strong>e Vorstellungen se<strong>in</strong> können.Doch beziehe ich mich auf Substanzen, sagt Descartes, dann haben <strong>die</strong> doch offenbare<strong>in</strong>en größeren Bedeutungsgehalt. (Im Late<strong>in</strong>ischen steht da realitas obiectiva - das istaber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>E<strong>in</strong>führung</strong>sveranstaltung nur so zu erklären, <strong>in</strong>dem man e<strong>in</strong>e gewisseGefahr <strong>der</strong> Missverständlichkeit <strong>in</strong> Kauf nimmt: realitas heißt bis zu Kant nicht das, was wirdarunter verstehen, nämlich gleichsam Wirklichkeit. Realitas heißt vielmehr soviel wieSachhaltigkeit, unabhängig davon, ob das Geme<strong>in</strong>te wirklich existiert o<strong>der</strong> nicht. Sage ich„rot“, dann beziehe ich mich nur auf e<strong>in</strong> Akzidenz, sage ich „Pferd“ o<strong>der</strong> sogar so etwaswie „Ausdehnung“, dann beziehe ich mich auf e<strong>in</strong>e Substanz, d.h. schon mehr realitas,und sage ich dann noch „Gott“, dann hat das noch mehr realitas, denn Gott ist ja ke<strong>in</strong>eendliche, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e unendliche Substanz). Dass aber Descartes hier sich auf Gottbezieht, ist natürlich ke<strong>in</strong> Zufall. Es gibt e<strong>in</strong>e Vorstellung von Gott, <strong>der</strong> ewig, unendlich,allwissend, allmächtig und <strong>der</strong> Schöpfer aller D<strong>in</strong>ge ist. Das ist entscheidend.Wir müssen jetzt nicht nur aufpassen, wie <strong>der</strong> Gottesbeweis funktioniert, <strong>der</strong> jetztunmittelbar folgt, son<strong>der</strong>n wir müssen auch aufmerksam se<strong>in</strong>, wie Gott zunächste<strong>in</strong>geführt wird. Descartes sagt zunächst, dass es klar ist, dass m<strong>in</strong>destens ebensovielSachhaltigkeit (realitas) <strong>in</strong> <strong>der</strong> wirkenden Ursache (causa efficiens) se<strong>in</strong> muss wie <strong>in</strong> <strong>der</strong>Wirkung <strong>die</strong>ser Ursache. - Sie treten gegen e<strong>in</strong>en Ball. Ihr Tritt ist <strong>die</strong> Wirkursache für denfliegenden Ball. Nun muss <strong>der</strong> Ball ebenso fliegen, wie Sie ihn treten - also e<strong>in</strong>malschneller, weil härter, e<strong>in</strong>mal langsamer, weil sie nicht so hart gegen ihn traten. Das me<strong>in</strong>t,<strong>der</strong> Ball würde nicht so fliegen, wenn sie überhaupt nicht dagegen getreten hätten, nochauch kann <strong>der</strong> Ball viel schneller fliegen als wie sie ihn traten. In Descartes‘ Sprache: Eskann nichts aus Nichts entstehen und es kann auch nichts Vollkommeneres aus demweniger Vollkommenen entstehen. Mit an<strong>der</strong>en Worten, es geht hier um <strong>die</strong> Kausalität.Bei dem, was Descartes jetzt erklärt, geht es nicht nur darum, dass alles e<strong>in</strong>e Ursachebesitzen muss - dass nicht plötzlich da e<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> ist, wo vorher ke<strong>in</strong>er war, ohne dass ese<strong>in</strong>e Ursache dafür gibt, dass da jetzt e<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> ist, dass me<strong>in</strong>e Vorstellungen, selbst, wennsie eben nur <strong>in</strong>nere Vorstellungen s<strong>in</strong>d, ebenso auf Ursachen zurückgehen - es geht nichtnur darum, son<strong>der</strong>n es geht darum, dass alles jeweils e<strong>in</strong>en entsprechenden Sachgehalthaben muss. Die Vorstellung „rot“ muss auf e<strong>in</strong>e ihr sachgehaltsmäßig entsprechendeSache zurückgehen, <strong>die</strong> Vorstellung „Ausdehnung“ ebenso, ebenso natürlich - und das istsehr wichtig - <strong>die</strong> Vorstellung „Gott“. All me<strong>in</strong>e Vorstellungen können o<strong>der</strong> müssen: 1.entwe<strong>der</strong> <strong>die</strong>sen Sachgehalten entsprechen (denn hier gibt es e<strong>in</strong>en Kausalnexus) o<strong>der</strong>h<strong>in</strong>ter ihnen zurückbleiben - was d.h. wird gleich klar. (Das ist alles etwas vere<strong>in</strong>facht, aberdoch, glaube ich, noch richtig und klar.)32
In Bezug auf <strong>die</strong> Kausalität führt Descartes noch e<strong>in</strong>en an<strong>der</strong>en Gedanken e<strong>in</strong>. Es kann jase<strong>in</strong>, dass me<strong>in</strong>e Vorstellungen gleichsam alle aus sich selbst entstehen - will sagen, dasses sich hier um bloße Bedeutungen handelt, <strong>die</strong> ke<strong>in</strong>em Sachgehalt von Außen herentsprechen. Doch das könne dann nicht <strong>in</strong>s Unendliche so fortgehen. Es muss e<strong>in</strong>ecausa prima, e<strong>in</strong>e erste Ursache geben, <strong>die</strong> als e<strong>in</strong> Archetyp ersche<strong>in</strong>t, <strong>die</strong> den ganzenSachgehalt, <strong>der</strong> sich <strong>in</strong> den Vorstellungen (als Bedeutung) entfaltet, enthält. Darausschließt Descartes, dass me<strong>in</strong>e Vorstellungen als Bil<strong>der</strong> zwar h<strong>in</strong>ter <strong>der</strong> Vollkommenheit<strong>der</strong> D<strong>in</strong>ge zurückbleiben können, denen sie entlehnt s<strong>in</strong>d, doch sie können niemals etwasGrößeres o<strong>der</strong> Vollkommeneres enthalten. Das lässt sich nun sehr leicht zeigen an <strong>der</strong>Vorstellung „Gott“.Denn me<strong>in</strong>e Vorstellung von Gott kann nicht so vollkommen se<strong>in</strong>, wie Gott selbst. Ja, wasVollkommenheit überhaupt bedeutet, das kann ich nur von Gott her kennen, denn Gott istdas allervollkommenste Seiende schlechth<strong>in</strong>. Die Vorstellung Gott kann daher nicht vonmir stammen, denn ich b<strong>in</strong> mitnichten e<strong>in</strong> so perfektes Wesen wie er. Ich b<strong>in</strong> z.B. als e<strong>in</strong>eKomposition von cogitatio und extensio endlich - weil eben das corpus zerfällt - cogitatiound extensio s<strong>in</strong>d endliche Substanzen. Gott aber ist e<strong>in</strong>e unendliche Substanz. Wennaber Gott das allerperfekteste Wesen ist - und das muss er sozusagen per def<strong>in</strong>itionemse<strong>in</strong> - dann, so Descartes, existiert er notwendig. Warum? Weil ich e<strong>in</strong>e Vorstellung vone<strong>in</strong>er unendlichen Substanz habe - <strong>die</strong> kann nur von ihm selbst kommen - also existiert er- d.h. er existiert natürlich außerhalb me<strong>in</strong>er Vorstellungen notwendig - weil er eben <strong>in</strong>se<strong>in</strong>er Vollkommenheit unvorstellbar ist.Er<strong>in</strong>nern wir uns noch e<strong>in</strong>mal: Descartes sagt, wenn ich nicht weiß, ob Gott existiert, dannweiß ich nicht mit Gewissheit, ob es - außerhalb me<strong>in</strong>em Denken - überhaupt etwasexistiert. Nun weiß ich aber, dass Gott existiert, das me<strong>in</strong>t, dass ich nun auch mitGewissheit sagen kann, dass <strong>die</strong> Welt und <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Welt ich als Körper existiere. Das sagtDescartes ganz e<strong>in</strong>drücklich. Er fragt nämlich, woher er sei? Auch das <strong>die</strong> Frage nach <strong>der</strong>causa, <strong>der</strong> Ursache. Die Antwort ist klar: <strong>die</strong> Ursache für me<strong>in</strong>e Existenz ist, ich existierekraft <strong>der</strong> Ursache - Gott. Das aber nicht so, dass Gott mich e<strong>in</strong>mal geschaffen hätte, weiler alles geschaffen hat, ne<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n weil Gott mich <strong>in</strong> jedem Augenblick schafft, weil er <strong>in</strong>jedem Augenblick Ursache me<strong>in</strong>er Existenz und d.h. <strong>der</strong> Existenz <strong>der</strong> Welt ist. E<strong>in</strong> solchesSchaffen nennt man creatio cont<strong>in</strong>ua. - Gott ist <strong>die</strong> Ursache, <strong>die</strong> immer alles schafft.Woher aber ist Gott? Gott ist <strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Ursache, <strong>die</strong> ke<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Ursache bedarf, erist Ursache se<strong>in</strong>er selbst (causa sui), vollkommene Ursache, absolute Ursache, wenn Sieso wollen. Gott ist also causa prima et ultima et sui - aber als Ursache e<strong>in</strong>er creatiocont<strong>in</strong>ua. Dass e<strong>in</strong>e solche Ursache existieren muss, weil ohne sie überhaupt nichtsexistiert, das ist für Descartes e<strong>in</strong>e klare und deutliche Idee, d.h. das gilt mit Gewissheit.33
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entwickeln. Ein Blinder kann sich k
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