so haben wir es mit e<strong>in</strong>er gut ,erleuchteten‘ Masch<strong>in</strong>e zu tun!“ (95) O<strong>der</strong> noch deutlicher:„Die Seele ist also nur e<strong>in</strong> leerer Begriff, von dem man ke<strong>in</strong>erlei Vorstellung hat und dene<strong>in</strong> kluger Kopf nur gebrauchen darf, um den Teil zu bezeichnen, <strong>der</strong> <strong>in</strong> uns denkt.“ (97)D.h. <strong>die</strong> Seele ist im Grunde das Gehirn. Das macht den Aufschrei <strong>der</strong> Zeitgenossenverständlich. Heute belegt es <strong>die</strong> nüchterne Mo<strong>der</strong>nität von La Mettrie.Denn für <strong>die</strong>ses Herausstellen des Gehirns sprechen eben nach La Mettrie vieleBeobachtungen <strong>der</strong> „vergleichenden Anatomie“, wie er sagt, wobei natürlich klar ist, dass<strong>die</strong> Erforschung des Gehirnes zu La Mettries Zeit noch nicht e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> den K<strong>in</strong><strong>der</strong>schuhensteckte. Das aber gibt er selbst an: <strong>die</strong> „Natur des Gehirns sei uns unbekannt“ (61), d.h.dass <strong>die</strong> „vergleichende Anatomie“ noch nicht fortgeschritten war. La Mettrie kanneigentlich nur drei Beobachtungen nennen, aus denen man Schlüsse ziehen kann: „1. Jewil<strong>der</strong> <strong>die</strong> Tiere s<strong>in</strong>d, desto weniger Gehirn haben sie. 2. Dieses <strong>in</strong>nere Organ sche<strong>in</strong>t sichgewissermaßen im Verhältnis zu ihrer Gelehrigkeit zu vergrößern. 3. Es besteht hier e<strong>in</strong>ee<strong>in</strong>zigartige - von <strong>der</strong> Natur für ewig auferlegte - Bed<strong>in</strong>gung, <strong>die</strong> dar<strong>in</strong> besteht, daß ja mehrman an Geist gew<strong>in</strong>nt, man desto mehr an Inst<strong>in</strong>kt verliert.“ (45)In <strong>die</strong>sen Beobachtungen stecken Folgerungen, <strong>die</strong> wie<strong>der</strong>um zur Zeit von La Mettrie mitEmpörung haben aufgenommen werden müssen. Wo <strong>der</strong> Arzt <strong>die</strong> Gehirne von Menschenund Tieren vergleicht, muss er darauf stoßen, dass <strong>die</strong> Gehirne <strong>der</strong> Primaten denen desMenschen am Meisten ähneln. Das sieht La Mettrie natürlich und ist auch sofort bereit,den Menschenaffen gleichsam e<strong>in</strong>en humanen Status e<strong>in</strong>zuräumen. So wie manTaubgeborenen <strong>die</strong> Sprache beibr<strong>in</strong>gen könne, so müsse das auch bei Primaten möglichse<strong>in</strong> (49). Er drückt sich sogar vorsichtiger aus: „<strong>die</strong>se absolute Unmöglichkeit würde michüberraschen aufgrund <strong>der</strong> großen Analogie zwischen dem Affen und dem Menschen“. Daswie<strong>der</strong>um berührt das Verhältnis von Mensch und Tier im Allgeme<strong>in</strong>en. La Mettrie istdavon überzeugt, dass <strong>der</strong> „Übergang von den Tieren zum Menschen ke<strong>in</strong>gewaltsamer“ (53) war. Jedenfalls s<strong>in</strong>d Menschen und Tiere nach ihm „aus demselbenStoff gebildet“ (79). Kündigt sich hier Darw<strong>in</strong> an? Solche Überlegungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Grenzenzwischen dem Tier und dem Menschen flüssig machten, musste zur damaligen Zeit nichtnur den Klerus brüskieren.Mit <strong>der</strong> <strong>Neuzeit</strong> kommt eben aufgrund jenes theoretisch strittigen starken cartesianischenDualismus <strong>die</strong> Frage auf, ob nicht das Denken - wie alles an<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur - e<strong>in</strong>materielles Geschehen ist? Tiere denken irgendwie offenbar auch (nicht nach Descartes,aber nach Leibniz - auch wenn sie ke<strong>in</strong>e Vernunft haben!). Woher kommt <strong>die</strong>seseigentümliche Phänomen? La Mettrie hat e<strong>in</strong>e Antwort: „Durch <strong>die</strong>se Reihe vonBeobachtungen und Wahrheiten gel<strong>in</strong>gt es, mit <strong>der</strong> Materie <strong>die</strong> bewun<strong>der</strong>nswerteEigenschaft des Denkens zu verknüpfen, ohne daß man ihre Verb<strong>in</strong>dungen sehen könnte,denn <strong>der</strong> Träger <strong>die</strong>ser Eigenschaft ist uns se<strong>in</strong>em Wesen nach unbekannt.“ (135) Es gibt92
demnach <strong>in</strong> <strong>der</strong> Materie das Denken, ohne allerd<strong>in</strong>gs dass La Mettrie schon <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lagewäre, zu sagen, wie das möglich se<strong>in</strong> könnte. Was er allerd<strong>in</strong>gs bei <strong>der</strong> Beantwortung <strong>der</strong>Frage, wie das Denken genau aus <strong>der</strong> Materie stammen könnte, entschieden ausschließt,das ist <strong>die</strong> Hilfe e<strong>in</strong>er übers<strong>in</strong>nlichen Instanz.Der Geisteshaltung La Mettries gemäß hat er ebensowenig im S<strong>in</strong>n, sich anirgendwelchen Spekulationen über das Immaterielle wie auch über <strong>die</strong> Materie selbst zubeteiligen, obwohl er sich selbst als „Materialisten“ (137) kennzeichnet. „Im übrigen“, sagter, sei es „für unsere Ruhe gleichgültig, ob <strong>die</strong> Materie ewig o<strong>der</strong> ob sie geschaffenworden“ sei, „ob es e<strong>in</strong>en Gott gibt o<strong>der</strong> ke<strong>in</strong>en gibt“. Und er fügt h<strong>in</strong>zu: „WelcheVerrücktheit, sich damit abzuquälen, was man unmöglich erkennen kann und was unsnicht glücklicher machen würde, würden wir es bewerkstelligen.“ (87) Damit kommt etwas<strong>in</strong>s Spiel, das nun <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> immer mehr auszeichnen wird. Der Status <strong>der</strong>Metaphysik selbst gerät <strong>in</strong> den Blick. Soll und kann <strong>die</strong> <strong>Philosophie</strong> überhaupt Metaphysikse<strong>in</strong>, wenn sie notwendig mit unbeantwortbaren Fragen zusammenhängt? Wir werden dasgleich noch bei David Hume sehen.Der mo<strong>der</strong>ne Materialismus fragt nicht mehr nach e<strong>in</strong>er Materia prima, er fragt auch nichtmehr nach dem Unterschied zwischen materia und forma, er glaubt auch erst Recht nichtmehr an Formen, <strong>die</strong> unabhängig von <strong>der</strong> Materie bestehen. Alles ist Materie <strong>in</strong> demS<strong>in</strong>ne, dass alles Natur ist o<strong>der</strong> besser, dass <strong>die</strong> Natur e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>heit bildet, <strong>in</strong> <strong>der</strong> es ke<strong>in</strong>enRaum für das Übernatürliche gibt.Der Angriff auf das metaphysische Fragen als solches macht aus La Mettrie ke<strong>in</strong>eswegse<strong>in</strong>en Unmenschen, <strong>der</strong> womöglich <strong>die</strong> re<strong>in</strong>e Wollust zum Pr<strong>in</strong>zip des Lebens erklärenwürde. Das ist e<strong>in</strong> typisches Zerrbild des Anti-Metaphysikers bis heute. An e<strong>in</strong>er Stelleheißt es: „Da schließlich <strong>der</strong> Materialist (also er selbst) - was immer ihm se<strong>in</strong>e eigeneEitelkeit e<strong>in</strong>flüstert - überzeugt ist, daß er nur e<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>e o<strong>der</strong> e<strong>in</strong> Tier ist, wird erse<strong>in</strong>esgleichen bestimmt nicht schlecht behandeln; denn über <strong>die</strong> Natur <strong>die</strong>serHandlungen ist er zu gut unterrichtet und, dem Naturgesetz folgend, das allen Lebewesengegeben ist, will er - kurz gesagt - ke<strong>in</strong>em das antun, was er nicht will, daß man es ihmantut.“ (137) Das ist <strong>die</strong> regula aurea, <strong>die</strong> goldene Regel, <strong>die</strong> es <strong>in</strong> be<strong>in</strong>ahe allen Kulturengibt. Sie ist <strong>der</strong> Grund je<strong>der</strong> Ethik. Kant hat sie natürlich enorm übertroffen mit se<strong>in</strong>emKategorischen Imperativ.Die Stimmung <strong>der</strong> <strong>Philosophie</strong> La Mettries ist jedenfalls heiter, ich würde sagen,epikuräisch heiter. Diesbezüglich kann man mit <strong>die</strong>sem Zitat enden: „Ne<strong>in</strong>, <strong>die</strong> Materie hatnur <strong>in</strong> den geme<strong>in</strong>en Augen jener etwas Verächtliches, <strong>die</strong> sie <strong>in</strong> ihren glänzendstenWerken verkennen; und <strong>die</strong> Natur ist ke<strong>in</strong>eswegs e<strong>in</strong>e beschränkte Werkmeister<strong>in</strong>. Siebr<strong>in</strong>gt Millionen von Menschen mit mehr Leichtigkeit und Freude hervor, als es e<strong>in</strong>em93
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Einführung in die Philosophie der
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Eine Sicht, die ich persönlich fav
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letzthinnigen Prüfung dessen, was
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auf die Staatsform als solche, auf
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See ,Land‘ rufen; Cartesius ist e
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Descartes natürlich nicht so. Bei
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Ich möchte bevor ich zu dem Aufbau
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als Grundsätze. Wieder geht es als
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Doch - der Zweifelsgang ist noch ni
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zwischen den beiden endlichen Subst
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und unrichtig halten - das ist eben
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Dritte VorlesungIn der letzten Woch
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Descartes, nicht so sehr täuschen,
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Es gibt einen bösen Geist, der mic
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für „subjektiv“ halten, das ha
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Im Folgenden beschäftigt sich Desc
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In Bezug auf die Kausalität führt
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Vierte VorlesungAm Beginn dieser Vo
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Methode bezeichnet, für die die Ma
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ein Ungeheuer, das von Gott kontrol
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