Bewusstse<strong>in</strong>? Ist das Bewusstse<strong>in</strong> ausgedehnt? Ist e<strong>in</strong> Gedanke ausgedehnt? Und wasgibt es, was nicht Bewusstse<strong>in</strong> ist? Ist nicht alles Bewusstse<strong>in</strong>?Sehen wir uns weiter an, wie Leibniz <strong>die</strong> Substanz, d.h. <strong>die</strong> Monade, denkt. „Paragraph“ 4:„Es ist auch ke<strong>in</strong>e Auflösung zu befürchten, und es gibt überhaupt ke<strong>in</strong>e vorstellbare Art,durch <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>fache Substanz auf natürliche Weise vergehen kann.“ Das re<strong>in</strong> E<strong>in</strong>fachekann sich als solches nicht verän<strong>der</strong>n, denn würde es sich verän<strong>der</strong>n, müsste es auche<strong>in</strong>e quantitative Verän<strong>der</strong>ung aufweisen, weil jede Verän<strong>der</strong>ung immer zugleich qualitativund quantitativ vor sich geht: z.B. das Altern ist e<strong>in</strong>e qualitative Verän<strong>der</strong>ung, <strong>die</strong> sich auchquantitativ nie<strong>der</strong>schlägt (z.B. weniger Haare). Vergehen gibt es also nur beimZusammengesetzten, das Zusammengesetzte kann vergehen, nicht das radikal E<strong>in</strong>fache.Dasselbe gilt für das Beg<strong>in</strong>nen. Das E<strong>in</strong>fache kann nicht auf natürliche Weise(naturellement) anfangen, heißt es im 5. „Paragraphen“. Denn sie entsteht nicht durchZusammensetzung. Demnach ist e<strong>in</strong> Beg<strong>in</strong>n immer mit Zusammensetzung verbunden,m.a.W. Entstehen und Vergehen gibt es nicht bei <strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnen Monade, son<strong>der</strong>n nur bei<strong>der</strong> Anhäufung von Monaden.Doch wir haben hier aufmerksam zu se<strong>in</strong> und zwar aufmerksam zu se<strong>in</strong> auf das Wort „aufnatürliche Weise“ (naturellement). Wir bef<strong>in</strong>den uns im Bereich <strong>der</strong> Metaphysik. WennLeibniz sagt, dass <strong>die</strong> Monade nicht natürlich entstehen kann, heißt das nicht, dass es fürsie überhaupt ke<strong>in</strong>en Anfang gibt. Das bezeugt nun Paragraph 6: „Also kann man sagen,daß <strong>die</strong> Monaden nur auf e<strong>in</strong>en Schlag beg<strong>in</strong>nen o<strong>der</strong> enden können, das heißt, siekönnen nur durch Schöpfung (par creation) beg<strong>in</strong>nen und durch Vernichtung (annihilation)enden, während das Zusammengesetzte mit Teilen beg<strong>in</strong>nt o<strong>der</strong> endet.“ An<strong>der</strong>s alsSp<strong>in</strong>oza ist Leibniz daran <strong>in</strong>teressiert, <strong>die</strong> christliche Religion <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Denkene<strong>in</strong>zubeziehen. Leibniz nennt Sp<strong>in</strong>ozas „Tractatus theologico-politicus“ e<strong>in</strong> „schrecklichesBuch“, weil Sp<strong>in</strong>oza dar<strong>in</strong> e<strong>in</strong> spezifisches Bibelverständnis, e<strong>in</strong>e BestimmteAuslegungsweise <strong>der</strong> Bibel, angreift. Leibniz ist bei aller Genialität e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>bürgerlicheFigur, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> Gefühle <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit und damit auf se<strong>in</strong>e Reputation Rücksichtgenommen hat. Das ist ke<strong>in</strong> philosophisches Argument. Was aber stimmt, das ist, dassLeibniz bei aller Radikalität <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Denken theologische Vorgaben anerkennt. So eben<strong>in</strong> dem Gedanken, dass zwar Monaden nicht entstehen und vergehen können, aber dochmit e<strong>in</strong>em Schlag beg<strong>in</strong>nen und vernichtet werden können, d.h. mit <strong>der</strong> Schöpfung und <strong>der</strong>Rücknahme <strong>der</strong> Schöpfung, was bei Leibniz e<strong>in</strong> nicht unwichtiger Gedanke ist. Dazuspäter.Im Paragraphen 7 heißt es nun weiter über <strong>die</strong> Substanz bzw. <strong>die</strong> Monade: „Es gibt auchke<strong>in</strong>e Möglichkeit zu erklären, wie e<strong>in</strong>e Monade durch irgende<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es Geschöpfumgewandelt o<strong>der</strong> <strong>in</strong> ihrem Inneren verän<strong>der</strong>t werden kann; weil man <strong>in</strong> ihr we<strong>der</strong> etwas70
umstellen noch sich e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Bewegung vorstellen kann, <strong>die</strong> <strong>in</strong> ihr angeregt, gelenkt,vermehrt o<strong>der</strong> verm<strong>in</strong><strong>der</strong>t werden könnte, wie <strong>die</strong>s bei Zusammensetzungen möglich ist,bei denen es e<strong>in</strong>en Wechsel zwischen den Teilen gibt. Die Monaden haben ke<strong>in</strong>e Fenster,durch <strong>die</strong> irgend etwas e<strong>in</strong>- o<strong>der</strong> austreten könnte.“ E<strong>in</strong> seltsamer Gedanke. Warum? Weilhier nun plötzlich etwas aufkommt, was uns vorher noch nicht beschäftigt hat. Die Innen/Außen-Unterscheidung. Hat sie uns aber wirklich nicht beschäftigt? Sp<strong>in</strong>oza bezeichnet<strong>die</strong> Substanz als etwas, was <strong>in</strong> sich ist. Insofern nach Sp<strong>in</strong>oza <strong>die</strong> Substanz das Ganzedes Seienden ist, ist alles <strong>in</strong> ihr, d.h. es gibt das, was man bei Sp<strong>in</strong>oza e<strong>in</strong>e totale„Immanenz“ nennt. Es gibt nichts mehr außerhalb <strong>der</strong> Substanz - Sie sehen schon hier,<strong>in</strong>wiefern <strong>der</strong> neuzeitliche Begriff <strong>der</strong> Substanz sich sehr von dem Begriff <strong>der</strong> ousía beiAristoteles entfernt. Für Aristoteles ist <strong>die</strong> Innen/Außen-Unterscheidung <strong>in</strong> Bezug auf <strong>die</strong>Substanz ke<strong>in</strong>e Frage. Für Sp<strong>in</strong>oza und für Leibniz offenbar schon.Allerd<strong>in</strong>gs gibt es natürlich e<strong>in</strong>en Unterschied zwischen Sp<strong>in</strong>oza und Leibniz. Leibniznennt <strong>die</strong> Monade e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>fachheit. Das bedeutet aber für Leibniz ke<strong>in</strong>eswegs, dass esnur e<strong>in</strong>e Monade, e<strong>in</strong>e Substanz geben kann. Für ihn gibt es sogar unzählig vieleSubstanzen. Für Sp<strong>in</strong>oza gibt es nur e<strong>in</strong>e. Worauf Leibniz hier reagiert, das ist dasProblem, dass <strong>die</strong> Substanz nicht e<strong>in</strong>fach so gegeben se<strong>in</strong> kann. Sie muss für gewöhnlichAkzidenzen aufweisen. Dieses Problem klärt Sp<strong>in</strong>oza so, dass er <strong>der</strong> Substanz unendlicheAttribute zuspricht, von <strong>der</strong> wir nur zwei erkennen können, nämlich das Denken und <strong>die</strong>Ausdehnung. Für Leibniz gilt im Grunde auch das, was Sp<strong>in</strong>oza schon denkt: <strong>die</strong> Monadehat alle möglichen Akzidenzen immer schon <strong>in</strong> sich (Leibniz nennt das nicht Akzidenz).Das me<strong>in</strong>t, dass sie ke<strong>in</strong>e Fenster hat. Die Monade bef<strong>in</strong>det sich nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Austauschmit e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Monade. So e<strong>in</strong>e Berührung mit An<strong>der</strong>em ist nur beiZusammensetzungen denkbar, bei denen zwischen den Teilen (<strong>die</strong> wie<strong>der</strong>um ausMonaden bestehen müssen) Bewegungen möglich s<strong>in</strong>d.Das gilt es festzuhalten. Alles, was <strong>die</strong> Monade betrifft, geschieht <strong>in</strong> ihrem Inneren. Umhier noch e<strong>in</strong>mal an das Paradigma des Bewusstse<strong>in</strong>s zu er<strong>in</strong>nern: geschieht nicht auchdem Bewusstse<strong>in</strong> alles <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Inneren? Ich will nur darauf h<strong>in</strong>aus, dass Leibniz nichtbezweifelt, dass es etwas gibt wie <strong>die</strong> Natur o<strong>der</strong> <strong>die</strong> Welt. Doch das gilt stets immer nur<strong>in</strong>nermonadisch, gilt für jede Innensphäre <strong>der</strong> Monade. Freilich ist das e<strong>in</strong> befremdlicherGedanke, aber nicht ganz unverstehbar.Schauen wir uns jetzt e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong>se Innensphäre etwas genauer an. Es hat bis jetzt denAnsche<strong>in</strong>, als wäre <strong>die</strong> Monade e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> e<strong>in</strong>fache Substanz, <strong>die</strong> sich zu Aggregatensammelt, aber als solche nichts an<strong>der</strong>es ist als e<strong>in</strong>fach. Es ist aber nun für Leibniz so,dass es viele Monaden gibt. Nun sagt er, dass es „<strong>in</strong> <strong>der</strong> Natur niemals zwei Wesen gibt,<strong>die</strong> vollkommen gleich s<strong>in</strong>d“ (9). Gemäß dem sogenannten Pr<strong>in</strong>cipium identitatis<strong>in</strong>discernibilium können nur zwei völlig ununterscheidbare Monaden identisch se<strong>in</strong> - was71
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See ,Land‘ rufen; Cartesius ist e
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Descartes natürlich nicht so. Bei
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Ich möchte bevor ich zu dem Aufbau
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als Grundsätze. Wieder geht es als
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