versicherung ° Rentensicherungarbeiten bis <strong>zu</strong>m umfallen?auf der suche nach alternativenWir <strong>werden</strong> immer älter. Gleichzeitig fällt die Geburtenrate schwach aus. Die logische Konsequenz lautet: Dasstaatliche Umlageverfahren stößt an seine Grenzen und im Alter wird uns weniger Geld <strong>zu</strong>r Verfügung stehen.Es gibt aber auch Möglichkeiten, um den tiefen Fall ins Pensionsloch <strong>zu</strong> vermeiden.Harald KolerusEigentlich ist es ja ein sehr erfreulichesBild, das Demografen in die Zukunftprojizieren: Jedes zweite im Jahr 2013 Neugeborenewird mindestens 100 Jahre alt.Happy Birthday! Weiters wird im Jahr 2030fast jeder dritte Österreicher älter als 60 Jahresein.SchWer finanzierbarDie Schattenseite: Im Jahr 2060 wirdmehr als jeder dritte über 65-Jährige pflegebedürftigsein. Die Gesamtkosten pro Patientund Jahr belaufen sich derzeit aufdurchschnittlich 10.000 Euro in häuslicherPflege und auf bis <strong>zu</strong> 43.000 Euro in stationärerPflege. Aber nicht nur das Gesundheitssystem,sondern vor allem auch diestaatliche Rentensicherung wird durch diesteigende Lebenserwartung vor immenseHerausforderungen gestellt. Die demografischeEntwicklung wird öffentliche Haushaltein Zukunft stark belasten, nicht nur inÖsterreich: Laut dem Grünbuch DemografischerWandel der EU-Kommission wird inEuropa die Zahl der Menschen über 65 Jahrebis 2030 um 52,3 Prozent auf 40 Millionensteigen. Parallel da<strong>zu</strong> wird die Altersgruppeder 15- bis 64-Jährigen um 6,8 Prozentauf 20,8 Millionen abnehmen. So <strong>werden</strong>im Jahr 2030 beispielsweise zwei Erwerbstätigezwischen 15 und 65 Jahren füreinen Nichterwerbstätigen über 65 aufkommen.„Diese Zahlen machen deutlich, dassdas staatliche System <strong>zu</strong>sehends an seineGrenzen gerät. Das bestehende Umlagesystemin Österreich benötigt daher Ausgleichdurch die sogenannte zweite und dritte Säule,das heißt durch betriebliche und privatePensionsvorsorge“, meint Alastair Mc Ewen,Geschäftsführer von Donau Brokerline. Diestaatliche Pension wird nicht nur laut diesemExperten – auch aufgrund gestiegenerLebensstandards – <strong>zu</strong>nehmend nur eineGrundversorgung darstellen. Wo liegen dieAlternativen bzw. Ergän<strong>zu</strong>ngen <strong>zu</strong>m bestehendenSystem?° österreiCh: DeMOgrafie & pensiOnen: 2010-20352010 2035Bevölkerung 8,4 Mio. Menschen + 9,5 % 9,2 Mio. MenschenBevölkerung 65+ 1,5 Mio. Menschen + 60,0 % 2,4 Mio. MenschenErwerbspersonen 4,1 Mio. Menschen + 2,4 % 4,2 Mio. MenschenPensionsbelastungsquote 637 Pensionisten + 30,0 % 834 PensionistenPensionsaufwand 28,7 Mrd. € + 89,0 % 54,3 Mrd. €Einnahmen (Pfl ichtbeiträge) 21,9 Mrd. € + 53,0 % 33,5 Mrd. €Bundesbeitrag absolut 6,8 Mrd. € + 200,0 % 20,8 Mrd. €Bundesbeitrag in % des BIP 2,5 % + 100,0 % 5,0 %Quelle: Generali Gruppe80/45/65Bevor wir die verschiedenen Lösungsvorschlägegenauer betrachten, werfen wireinen Blick auf den Status quo hier<strong>zu</strong>lande:Die Pensionshöhe im österreichischen leistungsdefiniertenPensionskonto ergibt sichaus folgender Formel: 80/45/65. Das bedeutet,die Pensionshöhe erreicht den Wert von80 Prozent der Bemessungsgrundlage nach45 Versicherungsjahren bei einem Alter von65 Jahren (Bemessungsgrundlage im Jahr2013: der Durchschnitt der besten 25 Beitragsjahre– schrittweise steigend auf diebes ten 40 Beitragsjahre in 2028). Eine kürzereAnzahl von Versicherungsjahren ziehtauch einen geringeren Prozentsatz von derBemessungsgrundlage nach sich (pro Versicherungsjahr<strong>werden</strong> 1,78 Prozent angerechnet).drohendeS penSionSLochNatürlich stellt sich die entscheidendeFrage, wie hoch denn die Pensionslückebeim prognostizierten Anstieg der Lebenserwartung,dem offensichtlichen Geburtenrückgangetc. ausfallen wird. Ganz genaukann die Antwort immer nur individuellaus der persönlichen Lebenssituation (Höhedes Gehalts, Arbeitslosigkeit, Verdienstentfalldurch Krankheit, Anzahl der Versicherungsjahre,Pensionseintrittsalter usw.) herausgegeben <strong>werden</strong>. Generell gilt, dass dieabsolute Höhe der Pensionslücke umso stärkersteigt, je besser der jeweilige Versicherteverdient. Daher ist grundsätzlich davonaus<strong>zu</strong>gehen, dass ältere Dienstnehmer, dievielleicht schon eine leitende Position bekleiden,einen höheren Bedarf haben, diePensionslücke aus<strong>zu</strong>gleichen. Bei Menschen,die ihr Leben lang relativ wenig verdienthaben, fällt die Pensionslücke in absolutenZahlen nicht so drastisch aus, dafürschmerzt jeder fehlende Euro bei einer ohcreditS:beigestellt82 ° gelD-MagaZin – OktOber 2013
Rentensicherung ° versicherungnedies kleinen Rente umso mehr. ErnstSchneckenleitner, Lebensversicherungsexpertebei der Allianz, drückt es wie folgt aus:„Am größten ist die Pensionslücke bei jenenMenschen, die über der Höchstbemessungsgrundlageverdienen. Aufgrund dersteigenden Fixkosten ist dies jedoch auchund gerade ein Problem von Menschen mitgeringerem Einkommen.“ Sprich: Jeder, ob„Krösus“ oder „armer Schlucker“, wird vondem aufklaffenden Pensionsloch bedroht.Wie groSS ist die Lücke?Im Gespräch mit heimischen Versicherungsgesellschaftenhat das <strong>GELD</strong>-<strong>Magazin</strong>jedenfalls versucht, die Pensionslücke anhandvon Beispielen einigermaßen <strong>zu</strong> quantifizierenund somit etwas „plastischer“ dar<strong>zu</strong>stellen:Unter vereinfachten Annahmenergeben sich etwa folgende Werte, die RenateSchönwetter, Leiterin ProduktmanagementLeben bei der Generali Versicherung,vorrechnet. Sie weist allerdings darauf hin,dass diese Ergebnisse keine individuellenRahmenbedingungen berücksichtigen: Einheute 35-jähriger Angestellter hat 1996 <strong>zu</strong>arbeiten begonnen und verdient aktuell2000 Euro netto; bei Rentenantritt würdebei heutigem Geldwert die reguläre Alterspension1856 Euro und die Pensionslücke513 Euro ausmachen. Zweites Beispiel: Ein50-jähriger Angestellter ist 1981 ins Berufslebeneingestiegen und verdient aktuell2800 Euro netto; die reguläre Alterspensionwürde – wiederum nach heutigem Geldwert– 2800 und die Pensionslücke 813 Euroausmachen. Auch Schneckenleitner hat fürdas <strong>GELD</strong>-<strong>Magazin</strong> den Rechenstift gezückt:„So ergibt sich <strong>zu</strong>m Beispiel bei Annahmeeines durchschnittlichen Arbeiter-Gehaltsverlaufes ab Alter 20 bis <strong>zu</strong>m Pensionsantrittmit 65 eine Brutto-Ersatzratevon 79 Prozent und eine Netto-Ersatzratevon 94 Prozent.“ (Die Ersatzrate zeigt diePension in Prozent des letzten Einkommensan.) Mit einem durchschnittlichen Angestellten-Gehaltsverlauf(durchgehend unterder Höchstbeitragsgrundlage) ab dem Altervon 20 errechnet sich bei Pensionsantrittmit 65 eine Brutto-Ersatzrate von 58 Prozentund eine Netto-Ersatzrate von 74 Prozent.Zieht man als Beispiel einen gut verdienenden(Akademiker-)Lebenslauf heran(Arbeitsbeginn mit 25, Verdienst über derHöchstbeitragsgrundlage ab dem Alter von42), so ergibt sich eine Brutto-Ersatzratevon 44 Prozent, eine Netto-Ersatzrate von53 Prozent. Die Netto-Ersatzrate liegt in Österreichderzeit durchschnittlich übrigensbei rund 69 Prozent. Das ist im internationalenVergleich hoch, aber natürlich offenbartsich auch hier bereits eine deutlichePensionslücke.Sinnvoll GegensteuernDie Problemlage ist also hinlänglich bekannt,wie sieht es aber mit praktikablenLösungsmöglichkeiten aus? ProfessorChris tian Keuschnigg, Direktor des Institutsfür Höhere Studien (IHS), plädiert füreine schrittweise Anhebung des Pensionsaltersals „natürlichste“ und auch „gerechteste“Lösung: „Entscheidend für die Entwicklungder Pensionslücke ist, dass die Lebenserwartungangestiegen ist und Demografen<strong>zu</strong>folge bis 2050 noch weiter ansteigenwird. Andere Faktoren wie Geburtenrückgangoder Immigration sind auch wichtig,aber als vorübergehende Faktoren <strong>zu</strong>verstehen.“ Dabei können ,Baby-Boom‘oder ,Baby-Bust‘ zwar jahrzehntelangeTrends sein, sie bleiben aber doch temporär.Die steigende Lebenserwartung ist hingegendie zentrale Ursache, die das staatlicheUmlageverfahren langfristig vor Problemestellt. Eine Anhebung der Sozialabgabenbzw. Steuern, um das Umlageverfahren <strong>zu</strong>stützen, hält der Wirtschaftsexperte für problematisch,weil die Lohnnebenkosten inÖsterreich bereits sehr hoch ausfallen. Undgeringere Ersatzquoten, also niedrigere<strong>Pensionen</strong>, würden möglicherweise vieleRentner in die Altersarmut drängen. Sobleibe als beste Lösung laut Keuschniggeben die Erhöhung des Pensionsantrittsaltersübrig. Hier kommen wir <strong>zu</strong> einer Problematik,die immer im selben Atem<strong>zu</strong>g mitder Anhebung des Pensionseintrittsalters(bzw. der Annäherung des praktischen andas gesetzliche Rentenalter) genannt wird:In der Praxis finden ältere Arbeitnehmernämlich nur schwer einen adäquaten Joblänger arbeiten °Christian keuschnigg, IHSIch sehe im Wesentlichen drei möglicheMaßnahmen, um der drohenden Pensionslückeentgegen<strong>zu</strong>wirken. Erstens: Wir müssenlänger arbeiten. Zweitens: Es müssen höhereBeiträge für die Pensionssicherung eingehobenbzw. durch höhere Steuereinnahmenfinanziert <strong>werden</strong>. Drittens: Die Festset<strong>zu</strong>ngvon geringeren Ersatzquoten, sprich die<strong>Pensionen</strong> fallen niedriger aus. Die Variantenzwei und drei führen einige Probleme mitsich. So ist der Faktor Arbeit bereits heutesehr stark belastet. Eine Erhöhung derLohnsteuer bzw. der Lohnnebenkostenkönnen wir uns schon alleine angesichts desinternationalen Wettbewerbs schlichtwegnicht leisten. Bei niedrigeren <strong>Pensionen</strong> drohtwiederum die Gefahr der Altersarmut, vor derdas staatliche Rentensystem ja eigentlichschützen sollte. So bleibt also die Erhöhungdes Pensionseintrittsalters als für michnatürlichste und gerechteste Lösung übrig.Eine Anhebung des effektiven Pensionseintrittsaltersin kleinen Schritten von derzeit 60auf etwa 67 Jahre bis 2050 würde auch <strong>zu</strong>keinem Schock am Arbeitsmarkt führen.Oktober 2013 – <strong>GELD</strong>-MAGAZIN ° 83