Brennpunkt ° Nach der Nationalratswahl„Ihr hattet Party, wir müssen bezahlen“Die große Koalition hinterließ in der Republik zahllose teure Baustellen. Schulden und Arbeitslosigkeit steigenunaufhaltsam weiter an. Das Loch in der Pensionskasse wird immer größer. Hunderte Milliarden an Zahlungsverpflichtungen<strong>werden</strong> hinausgeschoben und benötigen <strong>zu</strong>sätzlich Kredite.Wolfgang FreislebenKaum hatte Österreich gewählt, ließman die sprichwörtliche Katze ausdem Sack und zeigte, wie es um den Staatwirklich steht. Der Rechnungshof (RH)durfte berichten, dass die Staatsschulden2012 um weitere 4,1 Prozentauf 201,4 Mil liardenEuro gestiegen sind. Unddas, obwohl die Abgabenquotemit einem neuenSteuereinnahmenrekordum fast einen Prozentpunktauf 42,7 Prozentweiter <strong>zu</strong>legte. Doch währendGriechenland inzwischenseinen operativenSaldo von Einnahmen undAusgaben (ohne Zinszahlungen)ins Plus gedrehthat, ist es der österreichischenRegierung gelungen,diesen nach einemPlus 2011 wieder ins Minus<strong>zu</strong> drehen und einenFehlbetrag von 1,9 MilliardenEuro <strong>zu</strong> erwirtschaften.Zuzüglich eines Zinsaufwands vonrund acht Milliarden also ein Gesamtdefizitvon rund zehn Milliarden Euro. Im erstenQuartal 2103 hatte der Schuldenstand bereits231,59 Milliarden und eine rekordverdächtigeDefizitquote von 74,2 Prozent derWirtschaftsleistung (BIP) erreicht.Explosives Minenfeld fürkünftige FinanzjahreBlättert man im RH-Bericht bis auf Seite243, stößt man auf ein weiteres Minenfeld:die Verpflichtungen <strong>zu</strong> Lasten künftigerFinanzjahre. Das sind Zahlungen, <strong>zu</strong>Parlament in Wien: Schluss mit der Bequemlichkeit, denn im Budget fehlen 153,9Milliarden Euro an bereits beschlossenen künftigen Zahlungsverpflichtungendenen die große Koalition Österreich schonjetzt verpflichtet hat – egal, wie künftige Regierungenaussehen mögen. Per Ende 2012waren dies 153,9 Milliarden Euro, für dieerst <strong>zu</strong>sätzliche Kredite aufgenommen <strong>werden</strong>müssen. Hin<strong>zu</strong> kommen Haftungenvon Bund und Ländern von rund 157 MilliardenEuro, die – siehe Hypo Alpe-Adria– durchaus schlagend <strong>werden</strong> können.Lügenskandal von rot-schwar<strong>zu</strong>m die ungesicherten <strong>Pensionen</strong>Einen ausgesprochenen Lügenskandalleistet sich die große Koalition mit den <strong>Pensionen</strong>.Denn die sind nur sicher, weil seitgut 35 Jahren die Eigenfinanzierung durchimmer höhere Kredite ergänzt wird. Die<strong>Pensionen</strong> <strong>werden</strong> also auf Pump finanziert– Zuschüsse und Zinseszinsen dafür habendie gesamte Staatschuld verursacht. UnsereKinder und Enkelkinder <strong>werden</strong> uns vorwerfen:„Ihr hattet die Party und wir müssendafür bezahlen.“Schon 1980 hat der damalige FinanzministerHannes Androschmehrfach schriftlich KanzlerKreisky und SozialministerWeissenberg daraufhingewiesen, dass die Eigendynamikder <strong>Pensionen</strong>ohne Reform immerhöhere Zuschüsse aus demStaatsbudget erforderlichmachen würden. Damalsging es lediglich um umgerechnet1,5 MilliardenEuro, was aber schon 70Prozent des Budgetdefizitsvon 2,13 Milliarden Euro,aber erst 6,7 Prozent desGesamtbudgets ausmachte.2008 waren es bereits6,8 Mil liarden und 2012nach einem Anstieg dazwischenum weitere 31Prozent bereits 8,7 Milliarden Euro – daswaren 87 Prozent der Neuverschuldungoder 12,2 Prozent des Staatshaushalts.Neben der demografischen Entwicklungschlagen auch die Beamten unbarmherzig<strong>zu</strong> Buche. Denn die Pensionslücke <strong>zu</strong>zwei Drittel von den Bundesbeamten, dieim Vorjahr nach einer Steigerung um 11,6Prozent binnen Jahresfrist 7,27 MilliardenEuro an <strong>Pensionen</strong> erhalten, aber nur 1,6Milliarden Euro in die Pensionskasse eingezahlthaben. Vor zehn Jahren hatte die damalsschwarz-blaue Regierung mit der Pensionssicherungsreform2003 eine AnhecreditS:Shutterstock, Bundeskanzleramt8 ° <strong>GELD</strong>-MAGAZIN – Oktober 2013
Reformstau seit 35 Jahren mitKrediten <strong>zu</strong>gedecktDass ein Reformstau besteht, ist seitJahrzehnten bekannt und wird mit Krediten<strong>zu</strong>gedeckt. Schon Bruno Kreisky sagte vor35 Jahren, man müsse eigentlich die Staatsstrukturgänzlich zerschlagen und völligneu aufbauen. Er wusste, wovon er sprach.In der Ersten Republik gab es nämlich einennach Berufsgruppen organisierten Ständestaat,von dem sich die ähnlich gegliederteBündeorganisation der ÖVP mit Bauernbund,Wirtschaftsbund und ÖAAB für Angestellteableitete. Die Arbeiter-Heimatwurde die SPÖ. Diese Berufsgruppen wurxxxxxxxx° BrennpunktGroßkoalitionäre Vizekanzler Spindelegger (li.) und Kanzler Faymann: Eine SPÖ/ÖVP-Regierung erwies sich noch nie als reformfähigbung des durchschnittlichen Pensionsantrittsaltersbeschlossen. Rot-Schwarz ignoriertees. Pensionseintrittsalter waren ebensotabu wie die Höchstbeitragsgrundlage.Dafür gibt es für selbstständige Jungunternehmerexklusiv eine Mindestbeitragsgrundlage.Die Arbeitslosigkeit steigt,die Produktivität stagniertAuch von weiteren Baustellen der Republikkommen wieder laute Töne. Die Zahlder Arbeitslosen stieg übers Jahr um 14,1Prozent auf offizielle 335.661, weil der Beschäftigungs<strong>zu</strong>wachsum 0,4 Prozent oder15.000 auf rund 3,522.000 nicht ausreicht,um das Arbeitskräfteangebot auf<strong>zu</strong>nehmen.Vorangegangen war 2012 eine Stagnationder Arbeitsproduktivität. Gleichzeitig stiegendie Arbeitskosten in der Warenproduktionum 3,2 Prozent. Doch die Gewerkschaftder Privatangestellten ist im Begriff,mit dem ewigen Nein <strong>zu</strong> Sonntagsarbeitoder längerer Tagesarbeitszeit <strong>zu</strong>m Fossil <strong>zu</strong>erstarren. Das gleiche gilt für die VP-Vertretungder Lehrer: 34 erfolglose Verhandlungsrundenmit der „roten“ UnterrichtsministerinClaudia Schmied sprechen fürsich.So schaut das ungeschminkte Ergebnisvon sieben Jahren „großer“ Koalition vonSPÖ und ÖVP aus. Davon zwei unter demSP-Kanzler Alfred Gusenbauer und seinemVP-Vize Wilhelm Molterer (2007–2008)und dann fünf unter Werner Faymann mitMichael Spindelegger (seit Dezember 2008).Der Hinweis, dass die Verhältnisse in anderenEU-Ländern ähnlich sind, wäre dasdümmste nur mögliche Argument. Denndie Regeln im internationalen Wettbewerb<strong>werden</strong> nicht von europäischen Nachzüglernbestimmt.den seither durch die Absprachen der legendärenSozialpartnerschaft bevor<strong>zu</strong>gt bedient.Doch das reicht nicht mehr. Statt dergroßen gibt es daher höchstens noch eineknappe Koalition, deren Ablaufdatum immernäher rückt. Und das durchaus verdient.Denn eine SP/VP-Regierung erwiessich noch nie als reformfähig.Rechtzeitig vor der Regierungsbildung brachteHannes Androsch das Buch mit dem Titel „Endeder Bequemlichkeit – 7 Thesen <strong>zu</strong>r Zukunft Österreichs“heraus. Eine Aufforderung für die nächsteRegierung nach dem Motto: „Uns geht’s gut– und morgen?“Oktober 2013 – <strong>GELD</strong>-MAGAZIN ° 9