Personenwagen-Lenkende und -Mitfahrende - BfU
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Das ASTRA hat den Bedarf einer Überarbeitung<br />
der Verkehrszulassungsverordnung erkannt<br />
<strong>und</strong> im März 2009 Änderungen präsentiert. Vor<br />
allem die körperlichen Mindestanforderungen zum<br />
Führen von Motorfahrzeugen sollen aktualisiert<br />
<strong>und</strong> präzisiert sowie kognitive Mindestanforderungen<br />
in die Verordnung aufgenommen werden. Die<br />
Vernehmlassung wurde Ende Juni 2009 abgeschlossen.<br />
Der Endbericht zur Vernehmlassung<br />
wurde noch nicht veröffentlicht (Stand Ende August<br />
2010).<br />
Nach Erlangung des definitiven Führerausweises<br />
für <strong>Personenwagen</strong> kann bei Verdacht eine<br />
vom Strassenverkehrsamt angeordnete verkehrsmedizinische<br />
oder verkehrspsychologische Fahreignungsabklärung<br />
angeordnet werden [98,99]. Ein<br />
entsprechender Verdacht wird insbesondere durch<br />
zwei Hauptinstanzen dem zuständigen Strassenverkehrsamt<br />
gemeldet: entweder durch den Hausarzt,<br />
der bei einem Senioren ab 70 Jahren den alle<br />
zwei Jahre fälligen Ges<strong>und</strong>heitscheck durchgeführt<br />
hat, oder durch die Polizei, die einen sich im Verkehr<br />
auffällig verhaltenden Lenker entdeckt hat.<br />
Zweifel an der Fahreignung, die eine Abklärung<br />
rechtfertigen, setzen keine Verkehrsregelverletzung<br />
voraus [26]. Die Möglichkeit einer Anordnung einer<br />
Fahreignungsabklärung wird von den Strassenverkehrsämtern<br />
jedoch wenig genutzt [26]. So sollte<br />
z. B. ein einziges sehr schweres Vorkommnis (sehr<br />
hohe Gefährdung von anderen Personen, besondere<br />
Aggressivität <strong>und</strong> Skrupellosigkeit, Tätlichkeiten<br />
ausserhalb des Fahrzeugs im Zusammenhang mit<br />
dem Strassenverkehr) zur Anordnung einer verkehrspsychologischen<br />
Abklärung führen [100].<br />
Nach geltendem Recht fehlen gesetzliche Gr<strong>und</strong>lagen,<br />
wann Widerhandlungen zwingend zu einer<br />
Fahreignungsabklärung führen müssen. Wichtig<br />
ist, dass bei einer Fahreignungsabklärung nicht<br />
lediglich eine medizinische Begutachtung durchgeführt<br />
wird, sondern – je nach Widerhandlung –<br />
auch oder stattdessen eine psychologische (Letzteres<br />
zur Abklärung der charakterlichen oder der<br />
kognitiven Fahreignung).<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich ist bei Fahreignungsabklärungen an<br />
die Problematik ungenügend valider <strong>und</strong> verlässlicher<br />
Testinstrumente zu denken (bei körperlichen,<br />
psychischen <strong>und</strong> charakterlichen Diagnoseinstrumenten).<br />
Besonders wichtig ist diese Problematik<br />
im Zusammenhang mit Screeningverfahren<br />
(Reihenuntersuchungen für alle). Es besteht die<br />
Gefahr, dass viele Personen als krank diagnostiziert<br />
würden, obwohl sie es gar nicht sind, <strong>und</strong> umgekehrt.<br />
Screeningverfahren sind nur dann sinnvoll,<br />
wenn in der zu untersuchenden Bevölkerungsgruppe<br />
eine hohe Prävalenz des gefragten Kriteriums<br />
vorliegt. Aus diesem Gr<strong>und</strong> ist z. B. von einer<br />
Überprüfung der charakterlichen Fahreignung bei<br />
Neulenkenden anhand von psychologischen Tests<br />
abzuraten. Auch ist kritisch zu überdenken, ob eine<br />
Reihenuntersuchung für Personen ab 70 Jahren<br />
sinnvoll ist bzw. in Bezug auf welche Diagnosen ein<br />
Screening in dieser Altersgruppe sinnvoll ist [101].<br />
Die Überprüfung der Fahreignung sollte primär<br />
nach auffälligem Verhalten – das vom Gesetzgeber<br />
zu definieren wäre – angeordnet werden<br />
(also kein Screening für alle). Ein zentraler Teil der<br />
medizinischen <strong>und</strong> psychologischen Fahreignungsabklärung<br />
ist das Gespräch über die Krankheitseinsicht<br />
oder die Einstellung zu vollzogenen<br />
Regelverstössen. Somit wird in der heutigen Praxis<br />
dem Umstand Rechnung getragen, dass Krankheitsdiagnosen<br />
oder psychologische/kognitive Testergebnisse<br />
allein kaum Auskunft geben über die<br />
Fahreignung. Entscheidend ist, wie jemand seine<br />
Krankheitsdiagnose bzw. seine problematische<br />
Persönlichkeitsdisposition reflektiert <strong>und</strong> damit<br />
bfu-Sicherheitsdossier Nr. 07 Massnahmenbereich: Mensch (Autoren: E. Walter, M. Cavegn) 121