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Langenberger Kulturlexikon - unter der muren

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Hierauf haben sich die Herren Heß und Köttgen (Engels war verreist) mit folgen<strong>der</strong><br />

Verantwortungs- und Beschwerdeschrift an die betreffende Behörde gewendet;<br />

aber bis heute (Ende März) ist keine Antwort erfolgt.<br />

„An den Oberbürgermeister <strong>der</strong> Stadt Elberfeld.<br />

„Euer Hochwohlgeboren verehrter Zuschrift vom 28. Februar entsprechend haben wir <strong>unter</strong>lassen, am<br />

folgenden Samstag Abend, wie gewöhnlich, in <strong>der</strong> Gesellschaft unserer Freunde den Zweibrücker Hof zu<br />

besuchen, um einer etwaigen Fortsetzung <strong>der</strong> freundschaftlichen und wissenschaftlichen Besprechung des<br />

Communismus so viel an uns lag vorzubeugen. Nur <strong>der</strong> Mit<strong>unter</strong>zeichnete, Maler Gustav Adolf Köttgen, hatte<br />

das Vergnügen, Ew. Hochwohlgeboren in dem genannten Gasthofe , wo er wohnte, zu sprechen, und Sie<br />

haben sich bereits hinlänglich von <strong>der</strong> Falschheit <strong>der</strong> über unsere Besprechungen ausgestreuten Gerüchte,<br />

sowie von unseren guten Absichten und friedlichen Bestrebungen überzeugt. Wir wären daher, Ihnen<br />

gegenüber, je<strong>der</strong> Verantwortung überhoben, dürften wir nicht erwarten, daß eine schriftliche Darlegung und<br />

ein offenes Bekenntnis unserer menschenfreundlichen Absichten eine Hochlöbliche Regierung veranlassen<br />

wird, ein Verbot wie<strong>der</strong> aufzuheben, welches nur durch Missverständnisse hervorgerufen werden konnte und<br />

we<strong>der</strong> durch die bestehenden Gesetze, noch durch die Ansichten unserer Behörde zu motivieren ist.<br />

„Wir haben in geselligen Zusammenkünften, vor gebildeten und hochgestellten Männern, in ernster,<br />

würdiger Behandlung und mit Vermeidung aller politischen und religiösen Debatten ein wichtiges Problem<br />

unserer Zeit besprochen, welches nothwendig gelöst werden muß, aber nicht ohne ein vertrauensvolles<br />

Zusammenwirken des Staates und <strong>der</strong> bürgerlichen Gesellschaft in <strong>der</strong> wünschenswerthen, friedlichen Weise<br />

gelöst werden kann. – Ueberzeugt einerseits von dem guten Willen unserer Regierung und aller gebildeten<br />

Menschenfreunde, an<strong>der</strong>seits jedoch mit Recht, wie sich nun zeigt, Missdeutungen befürchtend, hat <strong>der</strong><br />

Mit<strong>unter</strong>zeichnete, Gustav Adolf Köttgen, Ew. Hochwohlgeboren und den Herrn Oberprocucrator von<br />

Köstritz schriftlich eingeladen, unseren Besprechungen beizuwohnen, und wir haben durch die lebhafte<br />

Theilnahme, welche Letztere und viele ehrenhafte Beamten und gebildete, hochgestellte Männer an unseren<br />

Discussionen nahmen, die Berechtigung und das Bedürfnis unserer Zusammenkünfte, zu welchen wir schon<br />

vorher von Staatsbeamten und anwesenden Bürgern aufgefor<strong>der</strong>t wurden, erfreulich bestätigt bekommen.<br />

Daß wir <strong>unter</strong> diesen Umständen keine jener Lehren, welche ein irriges o<strong>der</strong> böswilliges Gerücht uns<br />

anzudichten versuchte, vorzutragen beabsichtigten o<strong>der</strong> gar wirklich vortrugen, verdient kaum ernstlich<br />

bewiesen zu werden, um so weniger, als genug glaubwürdige Zuhörer da sind, welche <strong>der</strong> Wahrheit je<strong>der</strong>zeit<br />

bereitwillig die Ehren geben. Wir wollen indeß die Hauptpunkte, welche missdeutet o<strong>der</strong> absichtlich entstellt<br />

worden sind, hier kurz wie<strong>der</strong>holen. –<br />

„Als von <strong>der</strong> „unbedingten Berechtigung“ des Privateigenthums die Rede war, haben wir nachgewiesen,<br />

daß <strong>der</strong> Staat zu allen Zeiten und mit vollem Rechte für das Wohl Aller das Eigenthum <strong>der</strong> Privaten<br />

aufgehoben habe und noch aufhebe, wie die Steuer- Expropriationsgesetze zeigen. Wie weit entfernt also, die<br />

Lehre, die man uns <strong>unter</strong>schiebt, nämlich die Lehre, dass <strong>der</strong> Staat kein Recht habe, Steuern zu erheben,<br />

aufzustellen, haben wir vielmehr gerade das Gegentheil durchzuführen gesucht. – Ebenso verhält es sich mit<br />

<strong>der</strong> infamen Lehre von <strong>der</strong> „Weibergemeinschaft“, die man uns andichtet. Wir for<strong>der</strong>n eine bessere heiligere<br />

Behandlung <strong>der</strong> Liebe, als sie unserer jetzigen Gesellschaft an <strong>der</strong> Tagesordnung und lei<strong>der</strong> auch<br />

unabän<strong>der</strong>lich ist, so lange Alles verkäuflich bleibt. – Endlich haben wir nicht die Revolution, die wir selbst<br />

hassen und verabscheuen, son<strong>der</strong>n die Lehre aufgestellt und anempfohlen, dass einer Revolution vorgebeugt<br />

werden müsse, sie aber unvermeidlich wäre, wenn <strong>der</strong> täglich wachsenden Armuth und Lasterhaftigkeit nicht<br />

durch kräftige und <strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> Sache genügende Mittel abgeholfen würde. Wir haben diese Mittel gefunden<br />

in einer Reorganisation des Armenwesens, in <strong>der</strong> Gründung großer Nationalwerkstätten und<br />

landwirthschaftlicher Colonien, verbunden mit allgemeinen und unentgeltlichen Erziehungsinstituten,<br />

wodurch allen Menschen die Möglichkeit geboten würde, ihre verschiedenen Anlagen und Kräfte auszubilden<br />

und zum allgemeinen Nutzen anzuwenden.<br />

Wir haben die Ausführung dieser großen Maßregel mittelst einer progressiven Vermögenssteuer empfohlen.<br />

Allerdings würde <strong>der</strong> egoistische, habsüchtige Privaterwerb durch solche Maßregeln beschränkt und am<br />

Ende sogar aufgehoben, das Gemeinwohl aber in je<strong>der</strong> Beziehung und in einer für jeden Stand erwünschten<br />

Weise geför<strong>der</strong>t werden.<br />

„Wenn die Hochlöbliche Regierung darauf besteht, unsere wohlwollenden Besprechungen nicht weiter zu<br />

gestatten, so werden wir sie <strong>unter</strong>lassen. Aber wir hegen die feste Ueberzeugung, daß keine Verordnung die<br />

Macht <strong>der</strong> Wahrheit bezwingen kann.<br />

„ Indem wir Ew. Hochwohlgeboren bitten, diese Verantwortung <strong>der</strong> betreffenden Behörde vorzulegen,<br />

verharren wir mit aufrichtiger Hochachtung<br />

Elberfeld, den 6. März 1845.<br />

Ew. Hochwohlgeboren<br />

ergebenste<br />

Gustav Adolf Köttgen M. Heß“<br />

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