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DER_SPIEGEL_30.12.21

n Politik und Gesellschaft stehen die Zeichen zum Jahresbeginn 2022 auf Neuanfang, und fürviele gilt das auch im eigenen Leben. Ein Team um Titelautorin Susanne Beyer hat sich mit den Mecha- nismen des Neustarts beschäftigt, mit den Risiken, Dramen, Schwierigkeiten, aber auch den Chan- cen. Die Redakteurinnen und Redakteure beschreiben jene kulturellen Einflüsse, die den Blick auf Anfänge prägen, und stellen Menschen vor, die den Neuanfang wagten und es nicht bereuen. Und Barbara Hardinghaus traf auf der kanarischen Insel La Palma drei Frauen aus Deutschland, die sich dort unabhängig voneinander ein neues Leben aufgebaut hatten – dann brach der Vulkan aus.

n Politik und Gesellschaft stehen die Zeichen zum Jahresbeginn 2022 auf Neuanfang, und fürviele
gilt das auch im eigenen Leben. Ein Team um Titelautorin Susanne Beyer hat sich mit den Mecha-
nismen des Neustarts beschäftigt, mit den Risiken, Dramen, Schwierigkeiten, aber auch den Chan-
cen. Die Redakteurinnen und Redakteure beschreiben jene kulturellen Einflüsse, die den Blick auf
Anfänge prägen, und stellen Menschen vor, die den Neuanfang wagten und es nicht bereuen. Und
Barbara Hardinghaus traf auf der kanarischen Insel La Palma drei Frauen aus Deutschland, die sich
dort unabhängig voneinander ein neues Leben aufgebaut hatten – dann brach der Vulkan aus.

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AUSLAND

Die Queen’s University in Belfast

führt regelmäßig eine Umfrage durch,

bei der Ende Oktober erstmals eine

Mehrheit fand, dass das Nordirland-

Protokoll eine gute Sache ist. Das

größte Problem war bisher die medizinische

Versorgung, das sollten wir

jetzt gelöst haben. Es gibt Probleme

bei Handels- und Zollfragen, die wir

demnächst angehen werden. Aber

dafür brauchen wir eine britische

Regierung, die zur Zusammenarbeit

bereit ist.

SPIEGEL: Aus London kam zuletzt der

Vorwurf, die EU mache es britischen

Firmen schwerer, Nordirland zu beliefern

– und man könne mit Brüssel

nicht konstruktiv darüber reden.

Šefčovič: Wir haben das Gefühl, dass

wir diejenigen sind, die Lösungen auf

den Tisch legen. Wenn wir dann eine

Woche später an den Verhandlungstisch

zurückkehren, liegen dort jedes

Mal neue Probleme. Immerhin war

es die britische Regierung, die den

EU-Binnenmarkt verlassen und wieder

eigene Regeln erlassen wollte. Die

simple Wahrheit ist: Je weiter sich

unsere Regeln voneinander entfernen,

desto komplizierter wird der

Handel. Und wenn eine so große

Wirtschaft wie die britische den freien

Zugang zu unserem Binnenmarkt

will, müssen wir darauf achten, dass

unsere Standards – etwa im Umweltoder

Verbraucherschutz – eingehalten

werden und der Wettbewerb zwischen

britischen und EU-Unternehmen

fair bleibt.

SPIEGEL: Sie sind auch für die Verhandlungen

Aktivisten bei

werden. Nehmen Sie Medizinprodukte:

Sie müssen zertifiziert werden,

um in der EU verkauft zu werden.

Ohne die entsprechenden Verträge

wird das nicht gehen. Es gibt viele

andere Beispiele dieser Art. Aber vor

den Einzelfragen müssen wir erst

einmal die Grundlagen klären.

SPIEGEL: Die wären?

Šefčovič: Erstens, dass die Schweiz

sich an die Regeln des EU-Binnenmarkts

hält, wenn sie dort handeln

will. Das heißt, sie muss ihre Normen

dynamisch an den Binnenmarkt anpassen

– so wie es alle anderen Mitglieder

des Binnenmarkts übrigens

auch tun. Zweitens gibt es starke

Schweizer Unternehmen, die auf dem

gesamten Binnenmarkt operieren und

in ihrer Heimat Steuererleichterungen

bekommen. Auch hier müssen wir

gleiche Wettbewerbsbedingungen haben.

Drittens wäre ein regelmäßiger

Rhythmus der Schweizer Beiträge zum

EU-Haushalt gut. Die letzte Überweisung

aus Bern datiert von 2012. Viertens,

ganz wichtig, brauchen wir einen

Streitschlichtungsmechanismus.

SPIEGEL: Und Sie glauben, dass die

Schweiz zu alldem bereit wäre?

mit einem weiteren Demonstration gegen Šefčovič: Zuerst einmal brauchten wir

Zollgrenze zwischen

schwierigen Partner verantwortlich:

ein politisches Bekenntnis der Schweizer

Regierung, dass sie überhaupt

Irland und Nordirland

der Schweiz. Sie hat vergangenes Jahr

ein fertig ausgehandeltes Abkommen

zurückgewiesen, das die in vielen

Einzelverträgen festgehaltenen, sehr

engen Beziehungen zur EU unter ein

Dach stellen sollte. Wie lange hält

Ihre Geduld mit Bern noch vor?

Šefčovič: Wir haben mit der Schweiz

sieben Jahre lang über diese Abkommen

verhandelt. Ein EU-Kommissionspräsident

und eine -präsidentin

haben mit vier Schweizer Bundespräsidenten

insgesamt 26 Gipfeltreffen

abgehalten. Und in der vermeintlich

entscheidenden Sitzung – von der wir

hofften, dass wir dort nur noch eine

Schleife um das Paket binden würden

– eröffnet uns die Schweiz, dass

sie die Gespräche abbricht.

SPIEGEL: Was nun?

Šefčovič: Wir müssen von der Schweiz

dringend wissen, ob sie ernsthaft mit

uns verhandeln will – so wie wir es

sieben Jahre lang getan haben. Die

Schweizer Regierung ist jetzt am Zug.

SPIEGEL: Sie erwarten von der

Schweiz, dass sie bis Mitte Januar

sagt, was sie will, und dass sie einen

Zeitplan vorlegt. Fürchten Sie, dass

ernsthaft über diese Themen mit uns

reden will – so wie das in der Vergangenheit

war. Ist das weiter der Fall,

sollten wir Zeit, Energie und Kreativität

einsetzen, um die bestehenden

Probleme zu lösen. Außerdem wäre

ein klarer Zeitplan notwendig, eine

Roadmap. Wir müssen wissen, wann

wir worüber reden wollen – damit

klar ist, dass die Diskussion nicht noch

20 oder 30 Jahre dauert.

SPIEGEL: Die EU hat die Schweiz für

die langsamen Verhandlungen mit

dem Ausschluss aus dem Forschungsprogramm

Horizon bestraft, zudem

verweigert sie ihr den Zugang zu den

EU-Finanzmärkten. Können Sie sich

noch mehr Maßnahmen vorstellen?

Šefčovič: Wir haben keine negativen

Maßnahmen gegenüber der Schweiz

ergriffen und würden das auch nicht

tun. Schweizer Forschungseinrichtungen

und Unternehmen können auch

weiterhin an unserem EU-Forschungsprogramm

teilnehmen, aber sie bekommen

momentan keine EU-Fördergelder.

Und mit der Zeit würden automatisch

immer mehr bilaterale Verträge

auslaufen und unsere Beziehung

die Schweiz auf Basis der bestehenden

Verträge noch lange auf Zeit

irgendwann obsolet machen. Das

»Das Verhältnis

spielt?

der EU mit wäre weder für die Schweiz noch für

Šefčovič: Das Verhältnis der EU mit der Schweiz uns gut. Deshalb hoffen wir auch hier,

der Schweiz droht zu zerfallen, wenn

dass wir gemeinsam eine Lösung

die bilateralen Verträge nach und

droht zu

finden können.

nach auslaufen und nicht erneuert Interview: Markus Becker n

zerfallen.«

Charles McQuillan / Getty Images

Nr. 1 / 30.12.2021

DER SPIEGEL

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