DER_SPIEGEL_30.12.21
n Politik und Gesellschaft stehen die Zeichen zum Jahresbeginn 2022 auf Neuanfang, und fürviele gilt das auch im eigenen Leben. Ein Team um Titelautorin Susanne Beyer hat sich mit den Mecha- nismen des Neustarts beschäftigt, mit den Risiken, Dramen, Schwierigkeiten, aber auch den Chan- cen. Die Redakteurinnen und Redakteure beschreiben jene kulturellen Einflüsse, die den Blick auf Anfänge prägen, und stellen Menschen vor, die den Neuanfang wagten und es nicht bereuen. Und Barbara Hardinghaus traf auf der kanarischen Insel La Palma drei Frauen aus Deutschland, die sich dort unabhängig voneinander ein neues Leben aufgebaut hatten – dann brach der Vulkan aus.
n Politik und Gesellschaft stehen die Zeichen zum Jahresbeginn 2022 auf Neuanfang, und fürviele
gilt das auch im eigenen Leben. Ein Team um Titelautorin Susanne Beyer hat sich mit den Mecha-
nismen des Neustarts beschäftigt, mit den Risiken, Dramen, Schwierigkeiten, aber auch den Chan-
cen. Die Redakteurinnen und Redakteure beschreiben jene kulturellen Einflüsse, die den Blick auf
Anfänge prägen, und stellen Menschen vor, die den Neuanfang wagten und es nicht bereuen. Und
Barbara Hardinghaus traf auf der kanarischen Insel La Palma drei Frauen aus Deutschland, die sich
dort unabhängig voneinander ein neues Leben aufgebaut hatten – dann brach der Vulkan aus.
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DEUTSCHLAND
»Es gilt der Satz:
Unsere Brandmauer
steht nach rechts
und nach links.«
Catarina dos Santos Firnhaber
»Wir müssen darüber
nachdenken, mit
der Union zusammenzuarbeiten.«
Gregor Gysi
Steffen Roth / DER SPIEGEL
»Auch wir haben ein
Problem mit unserem
Markenkern«
SPIEGEL-GESPRÄCH CDU gegen Linke, Jung gegen Alt – die Abgeordneten
Catarina dos Santos Firnhaber, 27, und Gregor Gysi, 73, über
Gemeinsamkeiten ihrer Parteien und die Frage, wie man junge
Menschen für die Politik gewinnen kann
SPIEGEL: Frau dos Santos Firnhaber, Herr Gysi,
Sie beide trennen fast 50 Jahre Altersunterschied.
Daneben gehören Sie sehr verschiedenen
Parteien an. Aber es gibt auch eine
Überschneidung: Sie sind beide Rechtsanwälte.
Haben Sie doch mehr Dinge gemeinsam,
als man auf den ersten Blick erwarten würde?
Gysi: Der Anwaltsberuf verlangt eine bestimmte
Logik im Denken, die man nicht bereit ist
Das Gespräch führten der Redakteur Okan Bellikli und
die Redakteurin Sophie Garbe.
zu verlassen. Auch dann, wenn es eigenen
Überzeugungen widerspricht. Das ist uns
durch den beruflichen Hintergrund sicher gemein.
Das Zweite ist, dass unsere beiden Parteien
eine schwere Niederlage bei der Bundestagswahl
erlitten haben. Auch das ist eine
wichtige Gemeinsamkeit. Da ich Rechtsanwalt
bin, interessieren mich ohne hin immer Leute
und Einrichtungen mit Problemen. Zu uns Anwälten
kommen selten glückliche Menschen.
Dos Santos Firnhaber: Das trifft bei mir nicht
ganz zu. Ich habe als Rechtsanwältin vor
allem Unternehmensnachfolgen begleitet. Ich
hatte meistens glücklichere Klienten, wenn
es dann geklappt hat.
Gysi: Gut, dann ist das vielleicht keine Gemeinsamkeit.
Das Interesse an Problemen
zieht sich bei mir aber durch. Uli Hoeneß
interessierte mich erst, als es gegen ihn ein
Ermittlungsverfahren gab. Und die CDU interessierte
mich dann, als sie am Abgrund
stand (lacht). Aber meine eigene Partei steht
ja auch am Abgrund, also kann ich mich erst
mal mit ihr beschäftigen.
SPIEGEL: Jetzt, wo Sie sich für die CDU interessieren
– wollen Sie in der Opposition denn
auch mit ihr zusammenarbeiten?
Gysi: Tatsächlich gibt es ja drei Fraktionen in
der Opposition. Mit der AfD wird es aber
keine Zusammenarbeit geben, zumindest vonseiten
der Linken nicht.
Dos Santos Firnhaber: Da hat die Union ebenfalls
einen klaren Beschluss. Wir werden nicht
mit der AfD zusammenarbeiten. Die Wahrscheinlichkeit,
dass die AfD versuchen wird,
in der Opposition an die Union heranzurücken,
ist hoch. Dann hat uns die Ampel im
Parlament auch noch neben den Rechten
platziert. Sich da klar abzugrenzen – inhaltlich,
rhetorisch, im ganzen Stil – wird eine
wichtige Aufgabe für uns in den kommenden
vier Jahren sein.
Gysi: Das bedeutet aber natürlich schon,
dass wir neu darüber nachdenken müssen,
ob es nicht eine gewisse Zusammenarbeit
34 DER SPIEGEL Nr. 1 / 30.12.2021