DER_SPIEGEL_30.12.21
n Politik und Gesellschaft stehen die Zeichen zum Jahresbeginn 2022 auf Neuanfang, und fürviele gilt das auch im eigenen Leben. Ein Team um Titelautorin Susanne Beyer hat sich mit den Mecha- nismen des Neustarts beschäftigt, mit den Risiken, Dramen, Schwierigkeiten, aber auch den Chan- cen. Die Redakteurinnen und Redakteure beschreiben jene kulturellen Einflüsse, die den Blick auf Anfänge prägen, und stellen Menschen vor, die den Neuanfang wagten und es nicht bereuen. Und Barbara Hardinghaus traf auf der kanarischen Insel La Palma drei Frauen aus Deutschland, die sich dort unabhängig voneinander ein neues Leben aufgebaut hatten – dann brach der Vulkan aus.
n Politik und Gesellschaft stehen die Zeichen zum Jahresbeginn 2022 auf Neuanfang, und fürviele
gilt das auch im eigenen Leben. Ein Team um Titelautorin Susanne Beyer hat sich mit den Mecha-
nismen des Neustarts beschäftigt, mit den Risiken, Dramen, Schwierigkeiten, aber auch den Chan-
cen. Die Redakteurinnen und Redakteure beschreiben jene kulturellen Einflüsse, die den Blick auf
Anfänge prägen, und stellen Menschen vor, die den Neuanfang wagten und es nicht bereuen. Und
Barbara Hardinghaus traf auf der kanarischen Insel La Palma drei Frauen aus Deutschland, die sich
dort unabhängig voneinander ein neues Leben aufgebaut hatten – dann brach der Vulkan aus.
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Kultur
Die Geschichten hinter den Geschichten –
der besondere Rückblick
Die Akte Mockridge
NR. 39/2021 »Du bist ziemlich durchgedreht gestern« – Im September berichteten Ann-Katrin Müller und Laura
Backes über Vorwürfe sexualisierter Gewalt gegen Comedian Luke Mockridge. Neben seiner Ex-Freundin
Ines Anioli, die ihn der Vergewaltigung beschuldigte, sprachen mehr als zehn Frauen von Grenzüberschreitungen.
E
s war eine der am härtesten geführten
Social-Media-Debatten des Jahres:
Rund um Anioli und Mockridge hatten
sich im Netz Teams gebildet, die sich gegenseitig
mit schlimmen Vorwürfen überhäuften,
ohne überhaupt zu wissen, um was es
konkret ging. Wir recherchierten also, um
herauszufinden, was dahintersteckte, lasen
die Ermittlungsakten, fanden eine Ex-Freundin
von Mockridge, die eidesstattlich versicherte,
sie habe eine ähnlich toxische Beziehung
erlebt wie Anioli. Und wir sprachen
mit mehr als zehn Frauen, die sagten, Mockridge
sei bei ihnen übergriffig gewesen.
Die Veröffentlichung löste ein großes
Echo aus, Moderator Klaas Heufer-Umlauf
äußerte sich dazu, beim Deutschen Comedypreis
forderte die Schauspielerin Maren
Kroymann einen anderen Umgang mit
dem Fall, Comedian Hazel Brugger und ihr
Mann Thomas Spitzer trugen dort T-Shirts
mit dem Aufdruck »Konsequenzen für Comedian
XY«. Da berichteten auch die Boulevardmedien
breit. Gleichzeitig gab es viel
Kritik, es war von einem Pranger die Rede
und von der Unschuldsvermutung, wobei
die natürlich auch für Anioli gelten müsste.
Die Komiker Oliver Pocher und Tom Gerhardt
stellten sich an die Seite von Mockridge,
andere, die sich zuvor solidarisch mit
ihm gezeigt hatten, löschten ihre Kommentare
bei Instagram. Wir bekamen Hassnachrichten.
Medien schrieben, teilweise stark
verzerrend und fehlerhaft, über unsere Berichterstattung,
hinterfragten, ob man bei
dem Thema Verdachtsberichterstattung
machen dürfe. Und Mockridge klagte. Das
Landgericht Köln sah unsere Berichterstattung
grundsätzlich als zulässig an, gab ihm
nur in einem Punkt recht, wir mussten vier
Sätze vorläufig streichen. Mockridges Anwalt
zog dann mit den anderen Punkten vor
das gleichrangige Landgericht Hamburg,
das den Fall annahm und eine längere Passage
zu den Vorwürfen Aniolis untersagte.
Dagegen gehen wir vor, inhaltlich und formell,
notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht.
Unserer Meinung nach dürfte es
nicht sein, dass man von Gericht zu Gericht
ziehen kann, bis man eines findet, das
einem mehr zuspricht.
118 DER SPIEGEL Nr. 1 / 30.12.2021
Illustration: Sebastian Rether / DER SPIEGEL