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DER_SPIEGEL_30.12.21

n Politik und Gesellschaft stehen die Zeichen zum Jahresbeginn 2022 auf Neuanfang, und fürviele gilt das auch im eigenen Leben. Ein Team um Titelautorin Susanne Beyer hat sich mit den Mecha- nismen des Neustarts beschäftigt, mit den Risiken, Dramen, Schwierigkeiten, aber auch den Chan- cen. Die Redakteurinnen und Redakteure beschreiben jene kulturellen Einflüsse, die den Blick auf Anfänge prägen, und stellen Menschen vor, die den Neuanfang wagten und es nicht bereuen. Und Barbara Hardinghaus traf auf der kanarischen Insel La Palma drei Frauen aus Deutschland, die sich dort unabhängig voneinander ein neues Leben aufgebaut hatten – dann brach der Vulkan aus.

n Politik und Gesellschaft stehen die Zeichen zum Jahresbeginn 2022 auf Neuanfang, und fürviele
gilt das auch im eigenen Leben. Ein Team um Titelautorin Susanne Beyer hat sich mit den Mecha-
nismen des Neustarts beschäftigt, mit den Risiken, Dramen, Schwierigkeiten, aber auch den Chan-
cen. Die Redakteurinnen und Redakteure beschreiben jene kulturellen Einflüsse, die den Blick auf
Anfänge prägen, und stellen Menschen vor, die den Neuanfang wagten und es nicht bereuen. Und
Barbara Hardinghaus traf auf der kanarischen Insel La Palma drei Frauen aus Deutschland, die sich
dort unabhängig voneinander ein neues Leben aufgebaut hatten – dann brach der Vulkan aus.

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WISSEN

NASA, ESA, M. Livio and the Hubble 20th Anniversary Team (STScI)

Liegt die Zukunft der Astronomie in

immer gigantischeren und immer teureren

Projekten?

Hasinger: Nicht unbedingt. Es gibt

auch Beispiele, wo wir etwas Kleines

machen, was trotzdem völlig neue

Wege geht.

SPIEGEL: Zum Beispiel?

Hasinger: Erinnern Sie sich an den

Kometen ‘Oumuamua?

SPIEGEL: Der Himmelskörper, der uns

angeblich von Außerirdischen geschickt

wurde?

Hasinger: Genau. Dieses Objekt haben

wir auf Hawaii entdeckt, mit dem

»PanStarrs«-Teleskop. Als ich gerade

zur Esa gekommen war, entdeckte

»Hubble«, dass sich ‘Oumuamua

schneller aus unserem Sonnensystem

herausbewegt, als es hereingekommen

ist – was wiederum den Harvard-

Forscher Avi Loeb zu der Spekulation

veranlasste, es könnte sich um ein

Alien-Raumschiff handeln.

SPIEGEL: Was hat all das mit kleinen

billigen Raummissionen zu tun?

Hasinger: In der Wissenschaft hat

‘Oumuamua eine Diskussion über

den interstellaren Transport von Material

ausgelöst. Wir in der Esa haben

daraufhin eine Mission konzipiert:

»Comet Interceptor«. Wir wollen

dazu ein Raumschiff im All stationieren,

in der Nachbarschaft des »Webb«-

* Beide Aufnahmen stammen von »Hubble«.

»Webb« wird Infrarotaufnahmen mit dras tisch

gesteigerter Auflösung machen.

Molekülwolke im sichtbaren Licht*

Teleskops übrigens. Dort soll es darauf

warten, dass ein zur Untersuchung

geeignetes interstellares Objekt

oder ein jungfräulicher Komet

entdeckt wird.

SPIEGEL: Sie wollen eine Art Raketenbasis

mitten im All einrichten?

Hasinger: So würde ich es nicht nennen.

Wir wollen dort ein Mutterschiff

stationieren, das genug Treibstoff hat,

um sich gegebenenfalls auf einen solchen

Fremdkörper in unserem Sonnensystem

zubewegen zu können.

Dann soll diese Sonde durch die Gashülle

dieses Kometen fliegen und dort

zwei Satelliten entlassen, die sich das

genau anschauen.

SPIEGEL: Klingt faszinierend. Es wäre

eine Sensation, wenn das gelänge.

Hasinger: Das erwarte ich auch. Und

zudem kostet das System nur 175 Millionen

Euro. Andererseits kommen

wir ohne die großen Flaggschiffe wie

»Webb« auch nicht aus. Ohne die

Großen würden auch die Kleinen

leiden.

SPIEGEL: In der Erdbeobachtung ist

man von den großen, teuren Missionen

abgekommen.

Hasinger: Das stimmt. Aber die Erde

ist eine sehr helle Quelle, deswegen

braucht man keine riesigen Apparate,

um sie zu beobachten. Wir Astronomen

dagegen haben ein Problem: Je

weiter wir in die Ferne schauen, desto

geringer wird die Helligkeit der

Objekte. Folglich muss der Schirm,

den man aufspannen muss, um das

»Es gibt den

Vorschlag,

einen

Schwarm

kleiner

Satelliten

um den

Mond fliegen

zu lassen.«

Molekülwolke im infraroten Licht*

wenige Licht einzusammeln, immer

größer sein.

SPIEGEL: Die Devise »small is beautiful«

kennen Sie in der Astronomie

nicht?

Hasinger: Es gibt schon immer wie der

Ideen, wie man mit etwas Kleinem

etwas Tolles machen kann. Es gibt

etwa den Vorschlag, einen Schwarm

kleiner Satelliten um den Mond

fliegen zu lassen, um dann die Radiostrahlung

des Universums auf der

Rückseite des Mondes zu beob achten,

wo die Erde nicht stört. Aber der

Trend ist bei uns nun einmal, dass jeder

neue Satellit min destens zehnmal

besser sein soll als der vorhergehende.

Und da spielt auch die Größe eine

wesentliche Rolle.

SPIEGEL: Die Nasa plant bereits ganz

groß. Die Nationalen Akademien der

USA haben jüngst ihren Wunschzettel

künftiger Missionen geschrieben,

und ganz vorn steht der Plan, ein Riesenteleskop

zu bauen, das dereinst

»Webb« und »Hubble« beerben soll.

Die Kosten werden schon in der

Konzeption auf elf Milliarden Dollar

taxiert.

Hasinger: Ja, in ihrem Zehnjahresplan

sprechen die von einem künftigen

Sechseinhalb-Meter-Observatorium,

das empfindlich für infrarote, optische

und ultraviolette Wellenlängen sein

soll. Gleichzeitig haben die jedoch

auch einen ganzen Strauß weiterer

Vorschläge gemacht, von Ge räten im

Weltraum, aber auch am Boden. Und

das Schöne ist, dass das alles fast

nahtlos mit unseren eigenen Plänen,

der Voyage-2050-Strategie, zusammenpasst.

Es gibt überall Anknüpfungspunkte,

wo wir bei denen mitarbeiten

können und sie bei uns.

SPIEGEL: 11 Milliarden Dollar ist viel

Geld. Und wenn das künftige Teleskop

eine ähnliche Kostenexplosion

wie »Webb« erlebt, könnten es am

Ende 100 Milliarden werden. Ist so

etwas der Öffentlichkeit noch vermittelbar?

Hasinger: So ein Teleskop mag am

Ende etwas teurer werden als die jetzt

genannten 11 Milliarden. Aber eine

Kostensteigerung wie bei »Webb« –

von anfangs 700 Millionen auf am

Ende 10 Milliarden Dollar – das wird

es nicht geben. Es ist das erste Mal,

dass bei einem solchen Projekt von

Anfang an eine technische und finanzielle

Studie vorangestellt wird. Aber

ich gebe Ihnen recht: Wenn jetzt einer

käme und wollte ein Gerät für 100

Milliarden Dollar bauen, dann würde

auch ich sagen: Irgendwann stoßen

wir an Grenzen.

SPIEGEL: Herr Hasinger, wir danken

Ihnen für dieses Gespräch. n

Nr. 1 / 30.12.2021

DER SPIEGEL

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