Augstein-SchwesterVillwock imAtrium des HamburgerSPIEGEL-Gebäudes
75 JAHRE DER SPIEGELSPIEGEL-GESPRÄCH»Er wollte geliebtwerden«Ingeborg Villwock ist die Schwester des SPIEGEL-GründersRudolf Augstein. Hier redet sie erstmals offen über den Mann,der ihr noch immer ein Rätsel ist – unddie Frage, ob er sein Magazin heute mögen würde.Die promovierte Biologin Villwock, 92,arbeitete bis zu ihrem Ruhestand ander Universität Hamburg. Als Studentinjobbte die jüngste der sieben Augstein-Geschwisterin der SPIEGEL-Dokumentation, heute gehört sie demKuratorium der Rudolf Augstein Stiftungan. Einmal im Monat trifft siesich in der SPIEGEL-Kantine mit BrigitteWulzinger, die im Wirtschaftsressortdes Magazins arbeitet und inAugsteins letzten Lebensjahren dessenVorleserin war. Bei zweien der besagtenMittagessen entstand dieses Gespräch,das Wulzinger gemeinsam mitRedakteur Alexander Kühn führte.SPIEGEL: Frau Villwock, haben Siedas Gefühl, Ihrem Bruder nahe zusein, wenn Sie hierher zum SPIEGELkommen?Villwock: Ach, das ist mir zu pathetisch.Die Besuche sind mir ein Anliegen,so würde ich es ausdrücken. Ich habemich in meinem Leben über denSPIEGEL gefreut, mich über ihn geärgert,mich um ihn gesorgt – und findees schön, hier willkommen zu sein.SPIEGEL: Wie viel von Rudolf Augsteinsteckt noch in diesem Haus?Villwock: Wenig. Mein Bruder hat dasheutige SPIEGEL-Gebäude ja garnicht mehr kennengelernt. Als Sie hier2011 einzogen, war er bereits neunJahre tot.SPIEGEL: Würde er das Haus mögen?Villwock: Ich glaube, nicht. Es hatetwas schrecklich Nüchternes, findenSie nicht auch? Nun ließe sich einwenden,Rudolf hätte diese Kälte gar nichtgespürt, weil er dafür zu wenig feinfühligwar. Aber das Großspurige, dasGeschwisterAugstein, Villwock2001: »Danachdachte ich,er enterbt mich«hätte ihn gestört. Es wäre ihm hier zuunübersichtlich, man verläuft sich ja.SPIEGEL: Im Atrium hängt in großenLettern der berühmte Satz Ihres Bruders»Sagen, was ist«, darunter seineUnterschrift. Gefiele ihm das?Villwock: Ja, und er würde sich darüberganz schön wundern. GegenEnde seines Lebens sagte er einmal:Wenn ich weg bin, bin ich weg. Er warschon sehr krank und merkte, dassdie hier nicht mehr so ticken wie er.In seinen letzten Jahren hat die Chefredaktionden SPIEGEL bereits ohneihn regiert, manchmal auch gegen ihn.Seine Kommentare wurden überarbeitet,bevor sie in Druck gingen –zum Glück, muss man sagen. Als ereinmal anordnete, Magda Goebbelsaufs Titelbild zu nehmen, weil er geradeein Buch über sie und weitereNazi-Frauen gelesen hatte, weigerteChefredakteur Stefan Aust sich. Waswar Rudolf da empört!Marc DarchingerSPIEGEL: Dennoch begegnete man ihmbis zum Ende mit Respekt. In der großenMontagskonferenz wurde seinPlatz stets freigehalten, selbst wenn ernur noch alle paar Monate teilnahm.Villwock: Ich erinnere mich aber auchan ein Interview, das junge SPIEGEL-Redakteurinnen und -Redakteure anlässlichseines 70. Geburtstags mitihm führten. Sie fragten ihn, warumer so selten im Haus sei, welchen Nutzender SPIEGEL noch von ihm habe,und bezeichneten ihn als »ressentimentgeladenenProvokateur«. Daswar von einer Despektierlichkeit, diefand ich unerhört. Immerhin warendas seine Leute.SPIEGEL: Die taten doch lediglich, waser ihnen immer auferlegt hatte: ohneAngst vor Autoritäten zu fragen. Nurdass die Autorität in dem Fall er selbstwar.Villwock: Er hatte es ihnen vorgelebt,da mögen Sie recht haben. Unverschämtfand ich es trotzdem. Ich meine,wem von denen wäre es gelungen,mit 23 Jahren so eine Zeitschrift zugründen?SPIEGEL: Sie sind 92 Jahre alt und habensich über Ihren Bruder bislangkaum öffentlich geäußert. Warum tunSie es jetzt?Villwock: Ich spüre, wie sehr er michnoch immer beschäftigt. Über niemandanderen denke ich so oft nachwie über Rudolf. Er wird mir zunehmendrätselhafter, und ich finde keineRuhe. Mit meinen anderen fünf Geschwisternkann ich leider nicht mehrüber ihn sprechen, sie sind alle tot.SPIEGEL: Was macht ihn für Sie zueinem Rätsel?Foto: Dmitrij Leltschuk / DER SPIEGELNr. 1 / 30.12.2021 DER SPIEGEL49
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