DER_SPIEGEL_30.12.21
n Politik und Gesellschaft stehen die Zeichen zum Jahresbeginn 2022 auf Neuanfang, und fürviele gilt das auch im eigenen Leben. Ein Team um Titelautorin Susanne Beyer hat sich mit den Mecha- nismen des Neustarts beschäftigt, mit den Risiken, Dramen, Schwierigkeiten, aber auch den Chan- cen. Die Redakteurinnen und Redakteure beschreiben jene kulturellen Einflüsse, die den Blick auf Anfänge prägen, und stellen Menschen vor, die den Neuanfang wagten und es nicht bereuen. Und Barbara Hardinghaus traf auf der kanarischen Insel La Palma drei Frauen aus Deutschland, die sich dort unabhängig voneinander ein neues Leben aufgebaut hatten – dann brach der Vulkan aus.
n Politik und Gesellschaft stehen die Zeichen zum Jahresbeginn 2022 auf Neuanfang, und fürviele
gilt das auch im eigenen Leben. Ein Team um Titelautorin Susanne Beyer hat sich mit den Mecha-
nismen des Neustarts beschäftigt, mit den Risiken, Dramen, Schwierigkeiten, aber auch den Chan-
cen. Die Redakteurinnen und Redakteure beschreiben jene kulturellen Einflüsse, die den Blick auf
Anfänge prägen, und stellen Menschen vor, die den Neuanfang wagten und es nicht bereuen. Und
Barbara Hardinghaus traf auf der kanarischen Insel La Palma drei Frauen aus Deutschland, die sich
dort unabhängig voneinander ein neues Leben aufgebaut hatten – dann brach der Vulkan aus.
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Wirtschaft
Die Geschichten hinter den Geschichten –
der besondere Rückblick
Die »Bild«-Affäre
NR. 43/2021 »Der Schöngeist und das Biest« – Isabell Hülsen über Ex-Chefredakteur Julian Reichelt
und seinen Vorwurf einer Kampagne
J
ulian
Reichelt, 41, ehemaliger Kriegsreporter
und bis vor Kurzem Chefredakteur
der »Bild«, kennt nur Freund
oder Feind. So gesehen ist es bloß konsequent,
dass er seinen Rauswurf Mitte Oktober
als Ergebnis eines politisch motivierten
»Vernichtungsfeldzuges« gegen ihn deutete,
wie er der »Zeit« verriet. An der Spitze dieses
vermeintlichen Feldzugs: der SPIEGEL.
Wahr daran ist nur, dass der SPIEGEL als
erstes Medium Reichelts mutmaßliches
Fehlverhalten im Job öffentlich machte, das
schließlich zu seinem Karriereende beitragen
sollte: Der »Bild«-Chef hatte sexuelle
Beziehungen mit jungen Mitarbeiterinnen,
Auszubildende am Anfang ihrer Karriere.
Im März berichteten wir, dass der Axel-
Springer-Verlag die Kanzlei Freshfields mit
einem Compliance-Verfahren beauftragt
hatte, um Vorwürfen des Machtmissbrauchs
nachzugehen. Reichelt wurde freigestellt –
durfte aber nach wenigen Wochen zurück
auf seinen Posten. Ja, es habe Fehlverhalten
gegeben, räumte Springer ein, aber keinen
Machtmissbrauch. Reichelt triumphierte
und zog gegen den SPIEGEL vor Gericht.
Einerseits, weil wir vor der Veröffentlichung
die Springer-Pressestelle konfrontiert
hatten, nicht ihn persönlich. Andererseits,
weil wir nach Reichelts Meinung über das
Verfahren gar nicht hätten berichten dürfen,
weil an den Vorwürfen nichts dran sei. Das
Gericht folgte ihm, was die Konfrontation
anging, der Text wurde erst mal von der
Seite genommen – anders, als Reichelt heute
behauptet, jedoch nicht, weil der SPIEGEL
Sachverhalte »erfunden« hätte. Wir haben
gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt.
Die Gründe für seinen Rausschmiss
lieferte der »Bild«-Chef am Ende selbst.
Während Springer-Boss Mathias Döpfner
von Hintermännern fabulierte, die Reichelt
zu Fall bringen wollten, pflegte der weiter
eine Beziehung zu einer jungen Kollegin.
Mitte Oktober publizierte erst die »New
York Times« Details zu Reichelts Verquickung
von Bett und Beruf. Den Kollegen
und Kolleginnen des Ippen-Verlags untersagte
der eigene Verleger, Dirk Ippen, eine
Berichterstattung. Und so war es der
SPIEGEL, der seine Recherchen und die von
Ippen zu einem Text verband. Wenige
Stunden vor der Veröffentlichung gab
Springer Reichelts Rauswurf bekannt.
72 DER SPIEGEL Nr. 1 / 30.12.2021
Illustration: Sebastian Rether / DER SPIEGEL