dass, was gespürt wird, nicht primär eine Mücke ist, sondern etwas Bedrohliches im Raummit unbestimmter Lokalisierung. Indem ich dieses Bedrohliche zunächst als Sirren identifiziereund dann als Sirren einer Mücke erkenne, nehme ich in gewisser Weise davon Abstand,schränke den Grad der Bedrohlichkeit ein und fange an, den Bedrohungsherd zulokalisieren (Böhme 2001).Anwesend ist im Beispiel etwas Bedrohliches im Raum, das als Mückeidentifiziert wird. Der Wahrnehmungsverlauf der beschriebenen sinnlichenErfahrung differenziert sich aus in hören – spüren – identifizieren – erkennen– Abstand nehmen – lokalisieren.Eine menschliche Existenz ohne Dinge ist nicht vorstellbar. Ein Mensch istununterbrochen in Kontakt mit Dingen, ob bewusst oder unbewusst. DieTastatur kommt in Berührung mit den Fingern beim Schreiben, das Geräuschder im Wind raschelnden Blätter dringt ans Ohr, der Lichtkegel derLampe auf dem Teppich sticht ins Auge. Etwas ist da – anwesend – unddiese Anwesenheit macht, dass sich das wahrnehmende Subjekt in der Anwesenheitvon etwas selber spürt. Permanent kommt einem Anwesenheitin den Dingen entgegen, die aus sich heraustreten. 4Die Analyse richtet die Aufmerksamkeit auf solche Anwesenheit und nichtauf mögliche Auswirkungen für Personen. Denn wie und in welchem Ausmassein Schüler oder eine Schülerin von etwas tangiert und berührt wird,wie er oder sie etwas aufnimmt, verarbeitet, ablehnt, das kann in dieserLehrplanstudie nicht aufgezeigt werden. Es sollen Lehrpläne zum BTG aufihre Beschaffenheit hin untersucht werden unter Umgehung der in denLehrplänen vorgegebenen Ordnungssysteme. Das den Zielen gemeinsameist ein Anwesendes und eine bestimmte vorgesehene Art des Heraustretensoder sich Zeigens dieses Anwesenden – eine Facette der Ästhetik. Weil Auswahl,Ordnung und Terminologie der Lehrpläne kantonale und fachimmanenteGewohnheiten tradieren und sich leicht reproduzieren, braucht esein Untersuchungsinstrument, das das Einhalten einer Distanz zum Untersuchungsgegenstandmöglich macht. Welches die Anforderungen an diesesInstrument im Einzelnen sind, wie dieses schliesslich aussieht und wie eszur Anwendung kommt – das ist Thema im folgenden Abschnitt.Das KategoriensystemDie methodische Herausforderung liegt zum einen in der grossen Zahl derzu untersuchenden Ziele, zum andern in der Mannigfaltigkeit ihrer Formulierungen,im Detailliertheitsgrad sowie in der Reichweite des Bezeichneten.Für das systematische Erfassen, Analysieren und Ordnen der Ziele eignetsich das für die Studie entwickelte Kategoriensystem, das zwei Parameterkombiniert, den Parameter der Ästhetik und den Parameter der Anwesenheit.Dieses Kategoriensystem ermöglicht eine von Voreingenommenheit relativfreie Zuordnung der Ziele und vermag zudem die grosse Datenmenge fürdie auf Qualität ausgerichtete Studie systematisch zu erfassen. SämtlicheZiele zum untersuchten Sachgebiet lassen sich damit unabhängig vonFachzugehörigkeiten systematisch ordnen. Der Tatsache, dass Lehrplanzieleoft vielschichtig sind, ist mit der zweidimensionalen Erfassung der AnalyseeinheitenRechnung getragen.18
Abb. 2 Das Kategoriensystem: 480 RelationenFacetten derÄsthetikFacetten des AnwesendenRezeption Produktion Kognition Evaluation EthosAtmosphärischesPhysiognomischesZusammenhangZeichenhaftigkeitHerstellungInszenierungKreationReproduktionErkenntnisSpracheBedeutungErfindungKritikUrteilSelbstvergewisserungGeschmackArbeitNachhaltigkeitExzellenzMoralMaterial a) Rohstoffeb) Halbfabrikatec) WerkstoffeGegenstand d) Artefakte) Naturobjektf) DingVerfahren g) Technikenh) Regelni) Improvisationk) ExperimentInstrument l) Werkzeugm) Maschinen) MethodeErscheinung o) Sichtbarp) Tastbarq) Bewegtr) VorgestelltBestimmung s) Nutzent) Aussageu) LeistungsfähigkeitDimensionalitätv) Räumlichkeitw) Zeitlichkeitx) Individualitäty) Gesellschaftlichkeit19