Der ParameterÄsthetikGernot Böhmes beispielhafte Beschreibung des Wahrnehmungsvorgangesanlässlich einer sirrenden Mücke im Dunkeln macht die Vielschichtigkeiteiner Wahrnehmungserfahrung deutlich. Zu realisieren, dass einen eineMücke am Schlafen hindert, und das Licht einzuschalten, um sie zu beseitigen,erfährt das Individuum als eine Erfahrung.Die Strukturierung des Parameters der Ästhetik in Facetten ist die Ausdifferenzierungvon Ästhetik im Sinne einer Wahrnehmungserfahrung, bei derwir das Wahrnehmen (Rezeption), Machen (Produktion), Denken (Kognition),Auswerten (Evaluation) und Wollen (Ethos) unterscheiden. Für sichallein bezeichnet keine dieser Facetten eine umfassende sinnliche Wahrnehmung.Die Ästhetik ist gemeinsamer Bezugspunkt; dies aber nicht indem Sinn, dass es sich um eine bestimmte bereits erfolgte Erfahrung einesIndividuums handelt, sondern hinsichtlich der Ermöglichung einer solchendurch eine entsprechende Zielsetzung im Lehrplan. Der Lehrplan beschreibtin den Zielen Erwartungen an Schülerinnen und Schüler, und in jenen giltes, die Art und Weise des Bezugs zur Ästhetik auszumachen. Mit dem Kategoriensystemkönnte man auch Ziele anderer Fächer auf ihren Gehalt ansinnlicher Erfahrung prüfen, insbesondere in den musischen Bereichen wieMusik, Literatur aber gewiss auch in allen anderen Fächern. 5Um eine differenzierte Gliederung der Ziele vornehmen zu können, sinddie fünf Facetten der Ästhetik in Aspekte gegliedert. Der Verfeinerung derStruktur der Matrix liegen Annahmen über mögliche Äusserungsformen derFacetten zugrunde. Mit andern Worten: Die in der Matrix zur Verfügungstehenden Aspekte sind eine Auswahl von Möglichkeiten typischer Ausgestaltungendes Wahrnehmungsvorganges.Rezeption als Facette der Ästhetik richtet das Augenmerk auf das Gewahrwerdender Anwesenheit von etwas. Rezeption entspricht dem ersten Teilvorgangbei der Herausbildung einer sinnlichen Wahrnehmung als Erfahrung.Gewahrwerden ist das Spüren einer Anwesenheit. Ein Ziel kann sichauf das Spüren einer Anwesenheit im Atmosphärischen, in der Physiognomie,in einem Zusammenhang oder in einem Zeichen richten. Atmosphärischesist so etwas wie die «freischwebende Qualität» eines Anwesenden(Böhme 2001). Das können eine Farbe, ein Material, ein Vorgang sein. ImGewahrwerden des Atmosphärischen macht man sich vertraut mit etwas.In der Physiognomie eines Gegenstandes zeigt sich dessen ureigenste Gestalt.Im Zusammenhang von Sachverhalt und Gegenstand offenbaren sichWirksamkeit und Sinn. Teile fügen sich zu einem Ganzen, Form verbindetsich mit Funktion. Das Zeichen ruft nach Deutung und Entzifferung.Die Facette Produktion ist auf das Tun und Machen gerichtet. Produktionist der vom Menschen bewirkte Transformationsprozess, der unter Einsatzvon Geschicklichkeit, Wissen und Instrumenten Material verarbeitet undetwas erzeugt. Die Facette der Produktion betont den Teilvorgang des Sich-Entäusserns in einer Wahrnehmungserfahrung. (Im Mückenbeispiel: Lichtanzünden; Mücke jagen). Die vier Aspekte Herstellung, Inszenierung, Kreationund Reproduktion liegen nahe beieinander und unterscheiden sich inder Art und Weise ihrer Ausrichtung. Herstellung richtet sich im umfassendenSinn auf alles, was gemacht und produziert wird. Inszenierung erfasstZiele, in denen der «Ort der Erscheinung» (Böhme 2001) als Arrangiertheitund Exponiertheit eines Anwesenden zur Erzeugung von Atmosphäre imZentrum steht. Davon hebt sich Kreation ab. Hier ist die Gerichtetheit des22
Individuums von Innen nach Aussen – das schöpferische Schaffen undDenken des Individuums dominant. Reproduktion schliesslich ist Nachahmungentweder als nachgemachtes Ereignis, als Kopie einer Vorlage oderals Imitieren, Nachahmen einer Tätigkeit.Bei der Facette Kognition liegt das Augenmerk auf Zielen, die das Verstehenund Erkennen von Sachverhalten und Zusammenhängen beinhalten.Es geht um die intellektuelle Verarbeitung rezeptiver und produktiver Gegebenheiten.(Mückenbeispiel: Im Moment der Erkenntnis weiss das Individuum,dass es sich beim Sirren um eine Mücke handelt. Das heisst, eskann die Gefahrenquelle bezeichnen, verorten, und sich etwas einfallenlassen zur Bekämpfung oder zur Vorbeugung von Mückenstichen.) Erkenntnis,Sprache, Bedeutung und Erfindung sind Aspekte, in denen sich Kognitionereignen kann bzw. sich entäussert. Erkenntnis beinhaltet Kennen,Einsicht, Verständnis, Durchdringung und schliesst auch Vorgänge desIdentifizierens ein. Sprache expliziert die Anwesenheit eines Objekts, einesVorgehens, einer Dimension. Bedeutung zeigt sich in der Interpretationund im Stellenwert einer Sache. Erfindung ist intellektuell und praktischzugleich.Die Facette Evaluation erfasst Ziele, in denen eine Bewertung im Vordergrundsteht. Kritik bezieht sich auf Unterscheiden, Differenzieren, Abgrenzen,Vergleichen. Der Vergleich stellt zwischen Dingen eine Beziehung herund fragt nach dem Gemeinsamen, dem Ähnlichen, dem Unterschied. DasUrteil ist Entscheidung für oder gegen etwas. Es ist Schlussfolgerung aufgrundvon Beobachtung und Aktivität. In der Selbstvergewisserung ist dasIndividuum sich selber Massstab. Es vergewissert sich seiner selbst in dersubjektiven Bewertung der Anwesenheit eines Dings oder Vorganges. ImGeschmack kommt die Einstellung oder der Habitus zum Ausdruck.Ethos ist die Facette durch welche das Augenmerk auf die mit sinnlicherErfahrung einhergehende Haltung gerichtet wird. Als Aspekte unterscheidenwir Arbeit, Nachhaltigkeit, Exzellenz und Moral. Bei der Arbeit stehtdas Bestreben für sachliche Richtigkeit des Hergestellten und Angemessenheitbei der Fertigung im Vordergrund. Arbeit ist zielgerichtete, zweckgebundenemenschliche Verrichtung. Impliziter oder expliziter Bezugsmassstabist die Arbeits- und Berufswelt. Nachhaltigkeit ist die auf langfristigesHandeln ausgerichtete Haltung gegenüber der Welt. Moral ist das sittliche,sozial und moralisch wünschbare Verhalten. Es kommt in der Übernahmevon Verantwortung anderen und sich selbst gegenüber zum Ausdruck.Der ParameterAnwesenheitAnwesenheit identifizieren heisst, nach der Seinsweise zu fragen, nachdem Modus, in dem einem etwas entgegentritt. Im Kategoriensystem istAnwesenheit ausdifferenziert in sieben Modi. Anwesenheit von etwas istdie Voraussetzung für eine sinnliche Wahrnehmung im Sinne einer Erfahrung.Was jeweils gegenwärtig sein soll, ist in den Zielen vorgegeben. Esgibt Ziele, die voraussetzen, dass etwas physisch präsent sein muss, damitder vorgesehene Zweck erreicht werden kann. Hier kommen Material, Gegenstand,Instrument in Frage. Andere Ziele postulieren, sich mit etwasauseinanderzusetzen, das nicht physisch präsent, aber doch imaginativanwesend ist; das kann ein Verfahren, eine Erscheinung, die Bestimmungoder die Dimensionalität sein. Der Modus der Anwesenheit ist also entwedersinnlich wahrnehmbar (materiell) oder vorstellbar (immateriell, ide-23
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