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DRIVE STYLE<br />

Konstruktive Gemeinsamkeiten: ein deutsches Autoboot<br />

in den späten 1920er-Jahren.<br />

Während in den Vereinigten Staaten der Hubraum<br />

das Motorbootwesen dominierte, wurden in der<br />

Alten Welt andere Akzente gesetzt. Hier ging es<br />

zum Beispiel um die Optimierung von Rumpfformen<br />

für unterschiedliche Gewässer. Oder um<br />

die Verarbeitungsqualität. Die Berliner Engelbrecht-Werft<br />

warb denn auch damit, die älteste<br />

Spezialwerft für Segel- und Motoryachten zu sein.<br />

1934 hatte man bereits zwölf Standardmodelle<br />

im Programm, die von den zeitweise mehr als<br />

600 Mitarbeitern gefertigt wurden. Die Hälfte der<br />

serienmässig angebotenen Boote waren Autoboote;<br />

der komplette Bau nahm durch entsprechende<br />

Standardisierung teilweise weniger als<br />

zwei Wochen in Anspruch. Unter den Modellen<br />

gab es erstmals solche mit hinten angeordnetem<br />

Inboard-Motor.<br />

Bootsbauer wie Eugenio Molinari, hier vor<br />

seinem V12-Racer in den späten 1960ern, setzten<br />

die Autoboot-Tradition in neuer Form fort.<br />

oder Saurer) waren diese Boote wegen ihrer idealen Eigenschaften zum<br />

Wasserwandern häufig an zutreffen. Von den tausenden Autobooten, die<br />

seinerzeit entstanden, gibt es in Europa vielleicht noch 50 Exemplare in<br />

unterschiedlichsten Erhaltungszuständen. Viele gingen im Krieg verloren<br />

oder erfuhren nicht die notwendige, kompetente Pflege.<br />

Ähnlich wie bei der Vielzahl von Automobil-Carrossiers jener Tage lassen<br />

sich sowohl spezielle Motorbootrisse den jeweiligen Konstrukteuren zuordnen<br />

als auch einzelne stilistische Merkmale der ausführenden Werften<br />

klar unterscheiden. Im Autobootbau war Berlin – auch begünstigt durch<br />

sein weitverzweigtes Wasserstrassennetz – führend in der Werften-Vielfalt.<br />

Autoboote sind jedoch keine deutsche Erfindung: Bereits in der ersten<br />

Dekade des 20. Jahrhunderts gab es eine überaus lebhafte Motorbootszene,<br />

die sich in Europa speziell in Frankreich, Italien und der Schweiz – an dieser<br />

Stelle sei auf die Werft Johann Faul in Horgen hingewiesen – zu regelrechten<br />

Leistungsduellen traf. Rennen mit diesen «Canots Automobiles» fanden in<br />

Paris, Nizza, Rouen, Le Havre und als jährlicher Höhepunkt Mitte April<br />

vor Monaco statt, wobei mit Motoren von Delahaye, Daimler, Napier, De<br />

Dion-Bouton, Panhard et Levassor unter anderem auch auf Langstreckenrennen<br />

vor der Riviera-Küste Durchschnittsgeschwindigkeiten von weit über<br />

30 km / h erzielt wurden. Oftmals transportierte man die Boote mit speziellen<br />

Sonderzügen zu den Rennen. Auch in den USA entwickelten Sportbootwerften<br />

wie Chris Craft, Fay & Bowen, Fitzgerald & Lee, Garwood und Hacker sogenannte<br />

Runabout-Sportboote, die mit eingebauten Automobil- oder Flugzeugmotoren<br />

von Lycoming, Cummings, Kermath und Scripps gewaltige<br />

Leistungen erzielten.<br />

Ausgangspunkt der heutigen Marktführer<br />

Vermutlich über Auto-Union-Rennfahrer Hans<br />

Stuck, der ebenfalls ein Boot Marke Engelbrecht<br />

besass, kam der Kontakt zu Ferdinand Porsche<br />

zustande. Für den baute man im Frühjahr 1939 ein<br />

schnelles Doppelplichtboot aus Zedernholz mit<br />

roten Lederpolstern. Zwischen den beiden Plichten<br />

wurde ein Ford-V8 montiert, dessen Leistung durch<br />

die höheren Anforderungen des Propellers auf<br />

60 PS reduziert bzw. untersetzt wurde, wodurch<br />

sich eine Fahrleistung von 45 km / h ergab. Ein gesetzt<br />

wurde das Porsche-Boot auf dem Wörthersee,<br />

wo es jedoch einem Vergaserbrand zum<br />

Opfer fiel.<br />

Die amerikanischen Runabouts und die europäischen<br />

Autoboote bilden damit die Ahnengalerie<br />

der ab Mitte der 1950er-Jahre entwickelten Sportund<br />

Wasserskiboote, die schneller und wendiger<br />

wurden. Und sie sind gleichzeitig Ausgangspunkt<br />

der Entwicklungen heute bekannter Marken wie<br />

Boesch, Riva und Molinari. Die Genese bzw. die<br />

Traditionslinien der Konstruktion lassen sich im<br />

Sportbootsegment besonders anhand formaler<br />

Aspekte bis in die Jetztzeit verfolgen – ganz besonders,<br />

weil nach dem starken Plastikboom der<br />

1980er- und 90er-Jahre wieder verstärkt auf sogenannte<br />

Retrotrends gesetzt wird. Selbst neueste<br />

Frauscher-Modelle zeigen deutliche Anleihen an<br />

das Autoboot-Design der 1920er-Jahre. Insofern<br />

steht stilbewussten Motorbooteignern im Segment<br />

der Neun-Meter-Klasse heute eine breitgefächerte<br />

Auswahl unterschiedlichster Designs zur Verfügung.<br />

Allen gemeinsam ist unterdessen ein Stammbaum,<br />

der immer auf den gleichen Urtyp zurückführt<br />

– das Autoboot!<br />

122 | <strong>PRESTIGE</strong>

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