_PRESTIGE_Mallorca_2_2015
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DRIVE STYLE<br />
Konstruktive Gemeinsamkeiten: ein deutsches Autoboot<br />
in den späten 1920er-Jahren.<br />
Während in den Vereinigten Staaten der Hubraum<br />
das Motorbootwesen dominierte, wurden in der<br />
Alten Welt andere Akzente gesetzt. Hier ging es<br />
zum Beispiel um die Optimierung von Rumpfformen<br />
für unterschiedliche Gewässer. Oder um<br />
die Verarbeitungsqualität. Die Berliner Engelbrecht-Werft<br />
warb denn auch damit, die älteste<br />
Spezialwerft für Segel- und Motoryachten zu sein.<br />
1934 hatte man bereits zwölf Standardmodelle<br />
im Programm, die von den zeitweise mehr als<br />
600 Mitarbeitern gefertigt wurden. Die Hälfte der<br />
serienmässig angebotenen Boote waren Autoboote;<br />
der komplette Bau nahm durch entsprechende<br />
Standardisierung teilweise weniger als<br />
zwei Wochen in Anspruch. Unter den Modellen<br />
gab es erstmals solche mit hinten angeordnetem<br />
Inboard-Motor.<br />
Bootsbauer wie Eugenio Molinari, hier vor<br />
seinem V12-Racer in den späten 1960ern, setzten<br />
die Autoboot-Tradition in neuer Form fort.<br />
oder Saurer) waren diese Boote wegen ihrer idealen Eigenschaften zum<br />
Wasserwandern häufig an zutreffen. Von den tausenden Autobooten, die<br />
seinerzeit entstanden, gibt es in Europa vielleicht noch 50 Exemplare in<br />
unterschiedlichsten Erhaltungszuständen. Viele gingen im Krieg verloren<br />
oder erfuhren nicht die notwendige, kompetente Pflege.<br />
Ähnlich wie bei der Vielzahl von Automobil-Carrossiers jener Tage lassen<br />
sich sowohl spezielle Motorbootrisse den jeweiligen Konstrukteuren zuordnen<br />
als auch einzelne stilistische Merkmale der ausführenden Werften<br />
klar unterscheiden. Im Autobootbau war Berlin – auch begünstigt durch<br />
sein weitverzweigtes Wasserstrassennetz – führend in der Werften-Vielfalt.<br />
Autoboote sind jedoch keine deutsche Erfindung: Bereits in der ersten<br />
Dekade des 20. Jahrhunderts gab es eine überaus lebhafte Motorbootszene,<br />
die sich in Europa speziell in Frankreich, Italien und der Schweiz – an dieser<br />
Stelle sei auf die Werft Johann Faul in Horgen hingewiesen – zu regelrechten<br />
Leistungsduellen traf. Rennen mit diesen «Canots Automobiles» fanden in<br />
Paris, Nizza, Rouen, Le Havre und als jährlicher Höhepunkt Mitte April<br />
vor Monaco statt, wobei mit Motoren von Delahaye, Daimler, Napier, De<br />
Dion-Bouton, Panhard et Levassor unter anderem auch auf Langstreckenrennen<br />
vor der Riviera-Küste Durchschnittsgeschwindigkeiten von weit über<br />
30 km / h erzielt wurden. Oftmals transportierte man die Boote mit speziellen<br />
Sonderzügen zu den Rennen. Auch in den USA entwickelten Sportbootwerften<br />
wie Chris Craft, Fay & Bowen, Fitzgerald & Lee, Garwood und Hacker sogenannte<br />
Runabout-Sportboote, die mit eingebauten Automobil- oder Flugzeugmotoren<br />
von Lycoming, Cummings, Kermath und Scripps gewaltige<br />
Leistungen erzielten.<br />
Ausgangspunkt der heutigen Marktführer<br />
Vermutlich über Auto-Union-Rennfahrer Hans<br />
Stuck, der ebenfalls ein Boot Marke Engelbrecht<br />
besass, kam der Kontakt zu Ferdinand Porsche<br />
zustande. Für den baute man im Frühjahr 1939 ein<br />
schnelles Doppelplichtboot aus Zedernholz mit<br />
roten Lederpolstern. Zwischen den beiden Plichten<br />
wurde ein Ford-V8 montiert, dessen Leistung durch<br />
die höheren Anforderungen des Propellers auf<br />
60 PS reduziert bzw. untersetzt wurde, wodurch<br />
sich eine Fahrleistung von 45 km / h ergab. Ein gesetzt<br />
wurde das Porsche-Boot auf dem Wörthersee,<br />
wo es jedoch einem Vergaserbrand zum<br />
Opfer fiel.<br />
Die amerikanischen Runabouts und die europäischen<br />
Autoboote bilden damit die Ahnengalerie<br />
der ab Mitte der 1950er-Jahre entwickelten Sportund<br />
Wasserskiboote, die schneller und wendiger<br />
wurden. Und sie sind gleichzeitig Ausgangspunkt<br />
der Entwicklungen heute bekannter Marken wie<br />
Boesch, Riva und Molinari. Die Genese bzw. die<br />
Traditionslinien der Konstruktion lassen sich im<br />
Sportbootsegment besonders anhand formaler<br />
Aspekte bis in die Jetztzeit verfolgen – ganz besonders,<br />
weil nach dem starken Plastikboom der<br />
1980er- und 90er-Jahre wieder verstärkt auf sogenannte<br />
Retrotrends gesetzt wird. Selbst neueste<br />
Frauscher-Modelle zeigen deutliche Anleihen an<br />
das Autoboot-Design der 1920er-Jahre. Insofern<br />
steht stilbewussten Motorbooteignern im Segment<br />
der Neun-Meter-Klasse heute eine breitgefächerte<br />
Auswahl unterschiedlichster Designs zur Verfügung.<br />
Allen gemeinsam ist unterdessen ein Stammbaum,<br />
der immer auf den gleichen Urtyp zurückführt<br />
– das Autoboot!<br />
122 | <strong>PRESTIGE</strong>