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_PRESTIGE_Mallorca_2_2015

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CULINARIUM<br />

Foto: Ritz-Carton Wolfsburg,<br />

Götz Wrage<br />

beweist hier einer Mut zu echtem Geschmack. In<br />

kaum einer anderen mit drei Sternen dekorierten<br />

Küche des deutschsprachigen Raumes kann der<br />

Gast nämlich so intensive Aromen erleben wie bei<br />

Elverfeld. Daneben finden auch – zumindest in der<br />

deutschen Topgastronomie – eher selten anzutreffende<br />

Produkte den Weg auf den Teller: Lammzunge<br />

zum Beispiel, die Elverfeld mit weissem<br />

Trüffel kombiniert, oder Weinbergschnecken aus<br />

dem Odenwald mitsamt ihrem Kaviar, die er mit<br />

einer sehr kräftigen Mark-Emulsion paart.<br />

Hier darf es also ruhig auch mal merklich<br />

salzig, scharf oder bitter schmecken<br />

Wenn Elverfeld etwa ein Rindstatar mit Sardine,<br />

schwarzem Rettich, Koriander, Miso, Yuzu und<br />

Klettenwurzel kombiniert, sind nicht nur alle genannten<br />

Elemente klar als individuelle Geschmackskomponenten<br />

identifizierbar, der Küchenchef verarbeitet<br />

die Yuzufrucht ausserdem gleich mitsamt<br />

ihrer Schale, weshalb die grosszügigen Gelpunkte<br />

auf dem Teller eine deutlich akzentuierte Bitternote<br />

mitbringen, die diesen Klassiker in eine völlig<br />

neue Geschmacksdimension katapultiert. Tatar³<br />

sozusagen. Bravo.<br />

Apropos Klassiker: Seine Meriten hat sich Elverfeld<br />

nicht zuletzt mit deren längst überfälliger<br />

«Rehabilitierung» verdient. So wundern sich Erstbesucher<br />

des «Aqua» beim Blick in die Karte<br />

vielleicht hier und da schon ein wenig, tauchen<br />

dort doch regelmässig Gerichte wie Jägerschnitzel,<br />

Finkenwerder Scholle, Leber auf Berliner Art<br />

oder Sauerfleisch vom Eisbein mit Mixed Pickles<br />

und Röstkartoffeln auf. Was haben diese<br />

allenfalls der gutbürgerlichen Küche<br />

zu rechenbaren Rezepte auf der<br />

Karte eines veritablen Sternerestaurants<br />

zu suchen, mag<br />

sich mancher dabei insgeheim<br />

fragen? In Frankreich<br />

oder Italien würde diese<br />

Frage übrigens kein Gast,<br />

der etwas von guter Küche<br />

versteht, jemals stellen.<br />

Es war und ist aber genau dieses oft augenzwinkernde Spiel mit der Erfüllung<br />

bzw. Nicht-Erfüllung von Erwartungen, das einen sich durch das<br />

gesamte Menü ziehenden Spannungsbogen aufbaut, der den Besuch im<br />

«Aqua» so lohnend macht. Denn was am Ende auf den Tellern landet, hat<br />

zunächst nur wenig mit dem auf der Karte Angekündigten zu tun. Vielmehr<br />

erinnerten die immer perfekt arrangierten Teller Elverfelds in den vergangenen<br />

Jahren mal an Gemälde Piet Mondrians, wie zum Beispiel sein berühmter<br />

Lamm-Tafelspitz mit Frankfurter Grüner Sauce, mal an moderne<br />

Stillleben oder sie schienen vom epischen Ansatz japanischer Kaiseki-Küche<br />

inspiriert. Der Geschmack aber erwies sich dabei stets als potenzierte<br />

Essenz jener Idee, die diesen Gerichten ursprünglich in ihrem bürgerlichen<br />

oder bäuerlichen Kontext zu Grunde lag – und dazu gehört nun einmal auch<br />

meist ein intensives Aroma. So etwa beim norddeutschen Klassiker Birnen,<br />

Bohnen und Speck, den uns Elverfeld Ende 2014 als Teil einer Amuse-<br />

Bouche-Trilogie serviert. Der Küchenchef dekonstruiert das kulinarische<br />

Dreigestirn in eine hauchdünne, getrocknete und herrlich krosse Birnenscheibe,<br />

die mit fast schon puderartigen Speckpartikeln gesprenkelt ist –<br />

schon die schmeckt für sich genommen grossartig. Daneben serviert er<br />

zwei Suppen-Shots mit leichten Bohnen und einem herrlich cremigen<br />

Specksud. Voilà! Geschmack pur.<br />

Mehr kann ein Koch nicht leisten …<br />

Am besten lässt sich das kulinarische Déjà-vu-Erlebnis à la «Aqua» vielleicht<br />

anhand einer Schlüsselszene aus dem Pixar-Klassiker «Ratatouille» plastisch<br />

machen. Als der grimmige Gastrokritiker Ego – nomen est omen – das von<br />

der kochenden Ratte Rémy zubereitete Gemüsegericht der französischen<br />

Arbeiter und Bauern probiert, versetzt ihn dieser authentische Geschmack<br />

wie eine Zeitmaschine im Bruchteil einer Sekunde zurück in eine Szene seiner<br />

Kindheit. Damals hatte ihn seine Mutter nach einem Sturz vom Fahrrad mit<br />

einem grossen Topf Ratatouille getröstet. Mehr Seele auf dem Teller geht<br />

nicht, und genau solche Teller liefert Elverfeld fast wie am Fliessband. Mit<br />

Verlaub: Mehr kann ein Koch nicht leisten.<br />

Dass der gebürtige Hesse auch was den Einsatz regionaler Produkte in der<br />

Spitzenküche angeht zu den Pionieren gehört, sei hier nur der Vollständigkeit<br />

halber erwähnt. Gleichzeitig ist Elverfeld einer, der niemals stehen bleibt,<br />

sich niemals auf seinen Lorbeeren ausruht. Wirft man etwa einen Blick in sein<br />

vor vier Jahren in der Collection Rolf Heyne erschienenes monumentales<br />

Kochbuch und vergleicht die Rezepte von 2008–2011 mit dem, was heute<br />

auf der Karte des «Aqua» steht, ist auch hier schon wieder eine deutliche<br />

Weiterentwicklung zu spüren. So wirkt Elverfelds Spiel mit Aromen und<br />

Zutaten trotz höchster Weihen – mittlerweile steht das «Aqua» auf der<br />

Foto: Ritz-Carton Wolfsburg,<br />

Götz Wrage<br />

The Luxury Way of Life | 207

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