_PRESTIGE_Mallorca_2_2015
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FINANCE<br />
Der Name Rockefeller ist ein Mythos, und das nicht ohne Grund.<br />
Er steht für einen der spektakulärsten und auch gewaltigsten<br />
Umbrüche in der Menschheitsgeschichte. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
drehte sich die Welt gewohnt langsam. Die Pferde, auf denen die römischen<br />
Legionäre ritten, waren nicht schneller wie die der französischen Dragoner<br />
Napoleons oder der preussischen Ulanen zu Beginn des 19. Jahrhunderts.<br />
Die Mehrheit der Menschen starb in dem Dorf, in dem sie auch geboren<br />
waren. Man kam meist aus seinem Tal nicht heraus. Das änderte sich erst,<br />
als fossile Treibstoffe entdeckt und in Maschinen in Geschwindigkeit übersetzt<br />
werden konnten. Das Dampfross, so nannte man im 19. Jahrhundert<br />
noch die Lokomotive, war ein erster Vorbote der neuen Geschwindigkeiten,<br />
die Welt drehte sich schon schneller. Aber erst der Einsatz des Verbrennungsmotors<br />
mit Benzin sollte zum Epochenbruch, dem Durchbruch in<br />
Richtung individueller Mobilität führen.<br />
In den USA lassen sich die historischen Brüche der letzten 150 Jahre besonders<br />
gut beobachten. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts waren die<br />
Plains des Mittleren Westens der USA eine riesige Grassavanne, unterbrochen<br />
nur von wilden Gebirgszügen der Rocky Mountains. Riesige Büffelherden<br />
zogen hunderte Kilometer durch unberührte Landschaften und wurden<br />
nur selten von den wenigen Indianern gestört. Innerhalb von nur einer Generation<br />
änderte sich das Big Picture vollständig. Die Büffel waren verschwunden<br />
und die Indianer hausten in Reservaten. Die USA wurden innerhalb von vier<br />
Dekaden ökonomisch vom Kopf auf die Füsse gestellt. Das Treibmittel und<br />
zugleich der Schmierstoff dazu war das schwarze Gold – zunächst Kohle und<br />
dann Öl.<br />
Verwertungskultur<br />
Die Kultur der amerikanischen Siedlerökonomie war von Anfang an expansiv<br />
in den «leeren Raum des Westens» ausgerichtet. Sie wollte immer mehr Land<br />
einzäunen und verwerten. Zunächst hatte man aber dazu nur die begrenzten<br />
Mittel der Planwagen zum Transport und die Pony-Reiter zur schnellen Kommunikation<br />
zur Verfügung. Mit dem Einsatz der Dampflokomotive und der<br />
Telegrafie katapultierte man die US-Gesellschaft auf eine neue Stufe der<br />
Moderne und damit auch in eine hegemoniale Position.<br />
In den USA kam ein spezifischer religiöser Hintergrund dazu. Schon bei den<br />
ersten Siedlern, die aus Europa nach Amerika gekommen waren, spielte<br />
das puristische Leben und sein Sendungsbewusstsein eine wichtige Rolle.<br />
Viel arbeiten und lange beten, lautete das Motto. Es herrschte Zucht und<br />
Ordnung in den Familien. Man wollte in der Welt viel<br />
erreichen, predigte aber gleichzeitig die Selbstkasteiung.<br />
Das war beispielsweise ein zen traler<br />
Unterschied zu den Kolonialregimen der Spanier<br />
in Südamerika. Das ist der historische Rahmen,<br />
in dem die baptistische Familie des John D. Rockefeller<br />
lebte. Nur in dieser historischen Situation war<br />
eine solche Karriere möglich.<br />
Das Businessmodell<br />
John D. Rockefeller wurde 1839 in der Nähe von<br />
New York geboren und machte als 18-Jähriger<br />
zusammen mit einem jungen Einwanderer aus<br />
England namens Maurice Clark in Cleveland (Ohio)<br />
«Stores» auf. Das waren typische «Tante-Emma-<br />
Läden», in denen es alles gab, was die Cowgirls<br />
und Cowboys brauchten. Zu den Waren, die sie an<br />
ihre Kunden verhökerten, gehörte neben Lebensmitteln,<br />
Kerzen, Tuch und Tran auch Leuchtpetroleum,<br />
das in hölzernen Fässern gelagert<br />
wurde. Es war die erste Berührung von Rockefeller<br />
mit dem schwarzen Gold. Rockefeller und<br />
seine Geschäftspartner waren zunächst Kriegsgewinnler.<br />
Der Sezessionskrieg bescherte Cleveland<br />
und seinen Bürgern einen wahren Wirtschaftsboom.<br />
Bald hatten Rockefeller und sein Geschäftspartner<br />
einige Tausend Dollar zusammen, mit denen sie<br />
sich an einer Erdöl-Raffinerie beteiligten. Das Erfolgsgeheimnis<br />
des Standortes Cleveland war,<br />
dass eine Eisenbahn direkt mit den Erdölfeldern<br />
von Pennsylvania verbunden war.<br />
Der Besitz einer Raffinerie war Rockefeller aber<br />
nicht genug. Begriffe wie Marktwirtschaft gingen<br />
an den ökonomischen Realitäten des Wilden<br />
Westens völlig vorbei. Wettbewerb war ein Fremdwort.<br />
Es galt, Marktbedingungen wie Menge und<br />
Preis diktieren zu können. Wer der Stärkste werden<br />
wollte, musste die Schwächeren niederkonkurrieren<br />
oder übernehmen. Das Ziel lautete, Monopolist zu<br />
werden. Dazu brauchte man Rücksichtslosigkeit<br />
und Geld. Rockefeller hatte beides. Die Firma,<br />
deren erster Chairman John D. Rockefeller wurde,<br />
erhielt den Namen Standard Oil Company. Ein<br />
Name, der noch heute wegen seiner unglaublichen<br />
Marktmacht erschaudern lässt. Was kann<br />
man sich darunter vorstellen?<br />
The Luxury Way of Life | 233