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FINANCE<br />

Der Name Rockefeller ist ein Mythos, und das nicht ohne Grund.<br />

Er steht für einen der spektakulärsten und auch gewaltigsten<br />

Umbrüche in der Menschheitsgeschichte. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts<br />

drehte sich die Welt gewohnt langsam. Die Pferde, auf denen die römischen<br />

Legionäre ritten, waren nicht schneller wie die der französischen Dragoner<br />

Napoleons oder der preussischen Ulanen zu Beginn des 19. Jahrhunderts.<br />

Die Mehrheit der Menschen starb in dem Dorf, in dem sie auch geboren<br />

waren. Man kam meist aus seinem Tal nicht heraus. Das änderte sich erst,<br />

als fossile Treibstoffe entdeckt und in Maschinen in Geschwindigkeit übersetzt<br />

werden konnten. Das Dampfross, so nannte man im 19. Jahrhundert<br />

noch die Lokomotive, war ein erster Vorbote der neuen Geschwindigkeiten,<br />

die Welt drehte sich schon schneller. Aber erst der Einsatz des Verbrennungsmotors<br />

mit Benzin sollte zum Epochenbruch, dem Durchbruch in<br />

Richtung individueller Mobilität führen.<br />

In den USA lassen sich die historischen Brüche der letzten 150 Jahre besonders<br />

gut beobachten. Mitte des neunzehnten Jahrhunderts waren die<br />

Plains des Mittleren Westens der USA eine riesige Grassavanne, unterbrochen<br />

nur von wilden Gebirgszügen der Rocky Mountains. Riesige Büffelherden<br />

zogen hunderte Kilometer durch unberührte Landschaften und wurden<br />

nur selten von den wenigen Indianern gestört. Innerhalb von nur einer Generation<br />

änderte sich das Big Picture vollständig. Die Büffel waren verschwunden<br />

und die Indianer hausten in Reservaten. Die USA wurden innerhalb von vier<br />

Dekaden ökonomisch vom Kopf auf die Füsse gestellt. Das Treibmittel und<br />

zugleich der Schmierstoff dazu war das schwarze Gold – zunächst Kohle und<br />

dann Öl.<br />

Verwertungskultur<br />

Die Kultur der amerikanischen Siedlerökonomie war von Anfang an expansiv<br />

in den «leeren Raum des Westens» ausgerichtet. Sie wollte immer mehr Land<br />

einzäunen und verwerten. Zunächst hatte man aber dazu nur die begrenzten<br />

Mittel der Planwagen zum Transport und die Pony-Reiter zur schnellen Kommunikation<br />

zur Verfügung. Mit dem Einsatz der Dampflokomotive und der<br />

Telegrafie katapultierte man die US-Gesellschaft auf eine neue Stufe der<br />

Moderne und damit auch in eine hegemoniale Position.<br />

In den USA kam ein spezifischer religiöser Hintergrund dazu. Schon bei den<br />

ersten Siedlern, die aus Europa nach Amerika gekommen waren, spielte<br />

das puristische Leben und sein Sendungsbewusstsein eine wichtige Rolle.<br />

Viel arbeiten und lange beten, lautete das Motto. Es herrschte Zucht und<br />

Ordnung in den Familien. Man wollte in der Welt viel<br />

erreichen, predigte aber gleichzeitig die Selbstkasteiung.<br />

Das war beispielsweise ein zen traler<br />

Unterschied zu den Kolonialregimen der Spanier<br />

in Südamerika. Das ist der historische Rahmen,<br />

in dem die baptistische Familie des John D. Rockefeller<br />

lebte. Nur in dieser historischen Situation war<br />

eine solche Karriere möglich.<br />

Das Businessmodell<br />

John D. Rockefeller wurde 1839 in der Nähe von<br />

New York geboren und machte als 18-Jähriger<br />

zusammen mit einem jungen Einwanderer aus<br />

England namens Maurice Clark in Cleveland (Ohio)<br />

«Stores» auf. Das waren typische «Tante-Emma-<br />

Läden», in denen es alles gab, was die Cowgirls<br />

und Cowboys brauchten. Zu den Waren, die sie an<br />

ihre Kunden verhökerten, gehörte neben Lebensmitteln,<br />

Kerzen, Tuch und Tran auch Leuchtpetroleum,<br />

das in hölzernen Fässern gelagert<br />

wurde. Es war die erste Berührung von Rockefeller<br />

mit dem schwarzen Gold. Rockefeller und<br />

seine Geschäftspartner waren zunächst Kriegsgewinnler.<br />

Der Sezessionskrieg bescherte Cleveland<br />

und seinen Bürgern einen wahren Wirtschaftsboom.<br />

Bald hatten Rockefeller und sein Geschäftspartner<br />

einige Tausend Dollar zusammen, mit denen sie<br />

sich an einer Erdöl-Raffinerie beteiligten. Das Erfolgsgeheimnis<br />

des Standortes Cleveland war,<br />

dass eine Eisenbahn direkt mit den Erdölfeldern<br />

von Pennsylvania verbunden war.<br />

Der Besitz einer Raffinerie war Rockefeller aber<br />

nicht genug. Begriffe wie Marktwirtschaft gingen<br />

an den ökonomischen Realitäten des Wilden<br />

Westens völlig vorbei. Wettbewerb war ein Fremdwort.<br />

Es galt, Marktbedingungen wie Menge und<br />

Preis diktieren zu können. Wer der Stärkste werden<br />

wollte, musste die Schwächeren niederkonkurrieren<br />

oder übernehmen. Das Ziel lautete, Monopolist zu<br />

werden. Dazu brauchte man Rücksichtslosigkeit<br />

und Geld. Rockefeller hatte beides. Die Firma,<br />

deren erster Chairman John D. Rockefeller wurde,<br />

erhielt den Namen Standard Oil Company. Ein<br />

Name, der noch heute wegen seiner unglaublichen<br />

Marktmacht erschaudern lässt. Was kann<br />

man sich darunter vorstellen?<br />

The Luxury Way of Life | 233

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