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_PRESTIGE_Mallorca_2_2015

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FASHION<br />

Sie ist eine Verwandlungskünstlerin, das<br />

Chamäleon unter den Stoffen, die Vermählung<br />

zwischen verführerischer Erotik<br />

und zarter, naiver Unschuld. Als hätten Kolibris<br />

hauchdünne Fäden in einem Tanz kunstvoll miteinander<br />

verknüpft, als wäre eine Venusfächer-<br />

Koralle aus den Tiefen des Meeres emporgeschwommen,<br />

um als Vorlage für ein uraltes<br />

Handwerk zu dienen. Sie ist dabei, wenn Leben<br />

entstanden ist und wieder vergeht; sowohl im<br />

Tauf- und Hochzeitskleid als auch im Witwenschleier.<br />

Mal bezaubert sie, mal lockt sie, und<br />

immer ist sie dabei ein bisschen Dramaqueen: die<br />

Spitze!<br />

Verzierte Löcher<br />

Die ersten Nadelspitzen, «Recitella», reichen zurück<br />

ins 15. Jahrhundert, nach Norditalien, als das<br />

Spätmittelalter endet und die Renaissance beginnt<br />

und mit ihr der Übergang zur Neuzeit. Die<br />

Familien Medici und Fugger erlangen so grossen<br />

Reichtum, dass sie zum Teil die Politik beherrschen.<br />

Es ist das Jahrhundert der neuen Welten,<br />

als Christoph Kolumbus Amerika entdeckt, Vasco<br />

da Gama Indien erreicht und in Venedig und<br />

Mailand die aufwändige Nadelspitzen-Technik entwickelt<br />

wird.<br />

aufwändig und exorbitant teuer ist, dass nur die<br />

Reichsten ihre Ärmelmanschetten damit verzieren<br />

oder einen opulenten Spitzenkragen tragen können.<br />

König Richard III. von England, seine Gemahlin<br />

Königin Anne, die Familien Tudor, Caterina de<br />

Medici und der Sonnenkönig Louis XIV gehören<br />

zu den Anhängern der wertvollen Burano-Spitze,<br />

deren Beliebtheit zu einem äusserst lukrativen<br />

Geschäftszweig führt. Insbesondere der französische<br />

Adel, der vernarrt ist in die italienische<br />

Recitella-Spitze, beschert den italienischen Herstellern<br />

– sehr zum Missfallen des Sonnenkönigs –<br />

beachtliche finanzielle Einnahmen. Kurzerhand<br />

fördert er die Spitzenherstellung in Frankreich, um<br />

dem Geldabfluss ins benachbarte Italien entgegenzusteuern.<br />

Die Spitze erobert Europa<br />

Das Handwerk verbreitet sich über Venedig nach<br />

ganz Europa, und auch die Technik wird erweitert.<br />

Um 1700 ist die billigere und schnellere Klöppeltechnik<br />

hoch im Kurs. Bei der Nadelspitze, oder<br />

der Guipure-Spitze, wird auf einem schwarzen<br />

Karton ein Muster entworfen und entlang der<br />

Auf der kleinen Insel Burano in der Lagune Venedigs<br />

entsteht in den bunt gefärbten Häusern ein<br />

Kunsthandwerk, das über die Landesgrenzen hinaus<br />

Ruhm erlangt. Europas Königshäuser reissen<br />

sich um die Nadelspitze, deren Herstellung so<br />

Schweizer 500-Franken Note aus<br />

dem Jahr 1911 von Eugène Burnand<br />

und Sinnbild für das wirtschaftliche<br />

Gewicht der St. Galler Stickerei.<br />

The Luxury Way of Life | 149

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