Grundwissen Kultur- und Medienwissenschaft III. - Index of - Eötvös ...
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Literaturverfilmungen als ein <strong>Kultur</strong>phänomen<br />
Wolfgang Gast – Knut Hickethier – Burkhard Volmers:<br />
Literaturverfilmungen als ein <strong>Kultur</strong>phänomen<br />
Die Literaturverfilmung ist nur eine mögliche Form der Adaption. Diese, als Transformation<br />
eines Werkes aus einem Medium, für das es ursprünglich bestimmt war, in<br />
ein anderes, ist heute aus unserer medialen <strong>Kultur</strong>produktion nicht mehr wegzudenken.<br />
Dazu haben die Entwicklung <strong>und</strong> der Ausbau der einzelnen Massenmedien mit der zweiten<br />
Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wesentlich beigetragen. Die Ursachen für ihre besondere<br />
Bedeutung liegen jedoch tiefer.<br />
Das Aufgreifen bereits vorhandener, literarisch oder in anderer künstlerischer Form<br />
gestalteter St<strong>of</strong>fe, Handlungen, Motive stellt eine Gr<strong>und</strong>form kultureller Überlieferung<br />
<strong>und</strong> Traditionsbildung dar. Bestimmte <strong>Kultur</strong>en <strong>und</strong> Epochen entwickelten feste<br />
Regeln für die Weitergabe, viele ältere Werke sind uns gar nicht im Original, sondern in<br />
einer Kopie, Bearbeitung oder Neufassung durch andere überliefert. Zum besonderen<br />
Problem wurde diese Weitergabe erst mit der Durchsetzung bürgerlicher Gesellschaftsformen,<br />
mit der Entwicklung neuer Überlieferungs- <strong>und</strong> Vermittlungstechniken, die eine<br />
nur mehr technische Reproduktion ermöglichten <strong>und</strong> damit den subjektiven, verändernden<br />
Einfluß eines Bearbeiters <strong>und</strong> Überliefernden auf ein Minimum reduzierten.<br />
Als eines der frühesten Beispiele theoretischer Auseinandersetzung mit der Wechselbeziehung<br />
zwischen den Medien gilt vielen Lessings Laokoon, in dem dieser sich mit<br />
der Transformation von St<strong>of</strong>fen <strong>und</strong> Motiven aus der bildenden Kunst in die Literatur<br />
<strong>und</strong> umgekehrt sowie mit der Dramatisierung epischer Werke beschäftigte. Lessing<br />
interessierte an der Übernahme von St<strong>of</strong>fen aus einer Kunstform in eine andere das<br />
Moment, wie sich die spezifischen Gestaltungsweisen der verschiedenen Künste voneinander<br />
abgrenzen lassen. Neben der Erkenntnis, daß bei einer Transformation eines<br />
St<strong>of</strong>fes dieser mit den Möglichkeiten des betreffenden Mediums jeweils neu formuliert<br />
werden muß, hob er vor allem in der Reflexion der Dramatisierung hervor, daß<br />
die künstlerische Qualität allein entscheide, was wertvoller sei, die Vorlage oder die Bearbeitung.<br />
Die ausführliche Beschäftigung Lessings mit der Bearbeitung verweist darauf, daß die<br />
Dramatisierungen im damaligen Literatur- <strong>und</strong> Theaterbetrieb zum Alltag gehörten<br />
<strong>und</strong> nicht etwa seltene Ausnahmen darstellten. Nicht zufällig auch stellte Lessing den<br />
Zusammenhang zu einem anderen Problem der damaligen Zeit her, dem Plagiat. Die<br />
Behauptung des Autors als unabhängiger Literaturproduzent, der von seiner literarischen<br />
Produktion auch leben konnte, erforderte die Betonung des Eigentums am literarischen<br />
Produkt (<strong>und</strong> die Bekämpfung dessen Verletzung im Plagiat). Die Dramatisierung eines<br />
bereits publizierten Werkes durch einen anderen Autor bzw. überhaupt die Nachahmung<br />
stellte ein wichtiges Hemmnis in diesem Verselbständigungsprozeß des Schriftstellers dar,<br />
weil sie dessen Einkünfte schmälerte.<br />
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