Grundwissen Kultur- und Medienwissenschaft III. - Index of - Eötvös ...
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Knut Hickethier:<br />
Bild <strong>und</strong> Bildlichkeit<br />
Knut Hickethier<br />
6.1 Bildlichkeit<br />
Die Fähigkeit, Bilder als solche wahrzunehmen, sie herzustellen <strong>und</strong> mit ihnen zu kommunizieren,<br />
gilt als eine anthropologische Fähigkeit vergleichbar der Sprache, wobei damit<br />
aber keine unveränderte, sondern eine durchaus wandelbare, kulturell geformte Eigenschaft<br />
des Menschen gemeint ist.<br />
,Was ist ein Bild?’ ist eine seit der Antike immer wieder <strong>und</strong> verstärkt seit den 1990er<br />
Jahren aufgeworfene Frage. Diese wurde bis zur Erfindung der Fotografie an der Malerei<br />
diskutiert. Einerseits ist ein Bild als Nachahmung der Natur (Mimesis) verstanden<br />
worden, andererseits erschien ein Bild den Menschen immer als etwas W<strong>und</strong>erbares.<br />
Sie haben im Bild etwas Göttliches, zumindest etwas Eigenschöpferisches gesehen. Ein<br />
Bild ist deshalb nicht nur Wiedergabe von etwas Vorhandenem, sondern bindet auch<br />
Wünsche <strong>und</strong> Gefühle. Der Streit um die Bilder wird seit Jahrh<strong>und</strong>erten um die Frage<br />
geführt: Sollen Bilder generell verboten werden, wie es in den islamischen <strong>Kultur</strong>en geschieht<br />
(weil man sich durch die Bilder angeblich von dem von Gott Geschaffenen abwendet),<br />
oder soll man (mit Bezug auf Aristoteles) die Nachahmung als eine menschliche<br />
Gr<strong>und</strong>eigenschaft ansehen <strong>und</strong> deshalb, wie in den westlichen <strong>Kultur</strong>en, zum Bild in einem<br />
positiven Verhältnis stehen? Die Malerei der orthodoxen christlichen <strong>Kultur</strong>en hat<br />
sogar in den Bildern die Inspiration des Göttlichen gesehen, die sich des Malers nur als<br />
eines Werkzeugs bediene (ähnliche Argumentationsfiguren finden wir heute wieder, wenn<br />
literarische Texte als Ergebnis von Diskursen verstanden werden, denen die Autoren nur<br />
noch als Sprachrohr dienen).<br />
Nachahmung wurde lange Zeit in einem sehr strengen Sinn als ,Imitation’ (imitatio)<br />
verstanden, wobei die Malerei das wiedergeben sollte, was in der Natur besonders schön<br />
<strong>und</strong> bedeutsam war. Die bildnerische Praxis ergänzte diese Nachahmung durch imaginatio<br />
<strong>und</strong> idea, also durch die Erfindung von Bildern <strong>und</strong> die Vorstellung, dass die Bilder etwas<br />
hinter den Erscheinungen wirkendes Allgemeines, eine Idee, ein Ideal, ein Prinzip, zu<br />
verkörpern haben. Spätestens seit dem 18. Jahrh<strong>und</strong>ert wird die Darstellung der Welt im<br />
Bild damit verb<strong>und</strong>en, dass sie auch Ausdruck eines Menschen (der Person des Malers)<br />
sein solle, der im Bild seine Gefühle <strong>und</strong> seine in ihm wohnende schöpferische Kraft (z.B.<br />
im Duktus der Malweise) sichtbar mache. Bilder sind vor allem in der neueren Zeit nicht<br />
nur Nachahmungen, sondern haben auch eine materiale Basis, die vor allem die Malerei<br />
seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts betont hat <strong>und</strong> die Bilder als Spuren <strong>und</strong><br />
Markierungen versteht. Bei der Betrachtung dieser Bilder geht es nicht mehr darum,<br />
durch das Bild etwas mitgeteilt zu bekommen, sondern das Bild als solches zu erleben.<br />
Hier wird das Schöpferische, Artifizielle über das Abbildende gestellt <strong>und</strong> eine Unvereinbarkeit<br />
von Kunst <strong>und</strong> Bild („Bild ist nicht Kunst”) behauptet. Bilder, so lässt sich<br />
resümieren, enthalten immer etwas, was über ihre bloße Zeichenfunktion hinausgeht. Es