Grundwissen Kultur- und Medienwissenschaft III. - Index of - Eötvös ...
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Joachim Paech<br />
l896 im Vaudeville-Theater Koster & Bial’s Music Hall statt. Dem waren allerdings schon<br />
Vorführungen von Filmen seit 1894 in den sogenannten Kinetoscope-Apparaten vorangegangen,<br />
in denen die als Endlosschlaufe ablaufenden Filme jedoch nur individuell durch<br />
eine Öffnung in Guckkästen betrachtet werden konnten, nachdem man einen Penny eingeworfen<br />
hatte. Diese Kinetoscope standen in den sogenannten Penny-Arcades aufgereiht,<br />
wo sie erst im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts endgültig vom Kino der projizierten<br />
Filme verdrängt wurden.<br />
Als erste führten in Berlin am 1. November 1895 im Berliner Varieté Wintergarten die<br />
Brüder Skladanowsky Filme mit ihrem Bioskop* vor. Später enthielten die Varieté-<br />
Programme der Vaudeville-Theater <strong>und</strong> Music-Halls, der Wachsfiguren- <strong>und</strong> Raritätenkabinette<br />
(sogenannte Dime Museums) wie das New Yorker Eden-Musée <strong>und</strong> das Pariser<br />
Musée Grévin selbstverständlich Filmvorführungen (das Musée Grévin hatte zuvor schon<br />
die animierten Filme des Theatre optique von Emile Reynaud gezeigt), <strong>und</strong> ambulante<br />
Kinematographen reisten mit Schausteller-Buden oder einem Zirkus-Kinematographen<br />
durch Europa. Kurz: solange es kein Kino als besonderen Ort für Filmvorführungen<br />
gab, waren die Anfänge des Films untrennbar mit den Einrichtungen der Unterhaltungsindustrie<br />
der Jahrh<strong>und</strong>ertwende, den Varietés, Music-Halls <strong>und</strong> Vaudeville-<br />
Theatern <strong>und</strong> dem Schausteller-Gewerbe der Jahrmärkte verb<strong>und</strong>en.<br />
In diesen ersten Filmvorführungen war nicht das Wesentliche, was die noch recht<br />
wenigen Filme zeigten, sondern wie sie es taten: „Zunächst war es der Novitätscharakter<br />
des Films, der seine Produktions- <strong>und</strong> Konsumart fast ausschließlich bestimmte”<br />
(Bächlin, 1975, S.19). Bilder aus fernen Ländern oder zu berühmten Erzählungen (Homers<br />
„Odyssee” oder Dantes „Göttliche Komödie,”) hatte man in Laterna magica-Vorführungen<br />
schon häufig gesehen; Akrobaten oder komische Nummern hatte man <strong>of</strong>t auf<br />
derselben Bühne in demselben Programm live gesehen, bevor sie nun noch einmal<br />
als lebende Bilder eine besondere Attraktion waren.<br />
Als Maxim Gorki im Juli 1896 auf dem Jahrmarkt von Nizni Novgorod zum erstenmal<br />
eine Vorführung des Lumière-Kinematographen sah, war er zunächst enttäuscht:<br />
„Die Lichter in dem Raum, in dem Lumières Erfindung gezeigt wird, gehen aus, <strong>und</strong> plötzlich<br />
erscheint auf der Leinwand ein großes, graues Bild. ,Eine Straße in Paris’, wie Schatten<br />
einer schlechten Gravure. Bei genauerem Hinsehen erkennt man Wagen <strong>und</strong> Leute in verschiedenen<br />
Stellungen, alle zur Unbeweglichkeit erstarrt. Alles, auch der Himmel darüber,<br />
ist grau – man erkennt nichts Neues in dieser allzubekannten Szene, denn Bilder von Pariser<br />
Straßen gab es schon mehr als eines zu sehen. Aber plötzlich läuft ein seltsames Zittern über<br />
die Leinwand, <strong>und</strong> das Bild beginnt zu leben. Wagen, die irgendwo aus der Tiefe des Bildes<br />
kommen, bewegen sich direkt auf Dich in der Dunkelheit, wo Du sitzt, zu; von irgendwoher<br />
erscheinen Leute <strong>und</strong> wirken größer, je näher sie kommen; im Vordergr<strong>und</strong> spielen Kinder<br />
mit einem H<strong>und</strong>, Radfahrer ziehen vorbei, <strong>und</strong> Fußgänger überqueren zwischen Wagen hindurch<br />
die Straße. All das bewegt sich, wimmelt von Leben, <strong>und</strong> wenn es die Ränder der<br />
Leinwand erreicht, verschwindet es. Und all das geschieht in seltsamer Lautlosigkeit, kein<br />
Rumpeln der Räder, kein Schritt, kein Wort sind zu hören. Nichts.” (Maxim Gorki, Bericht