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Grundwissen Kultur- und Medienwissenschaft III. - Index of - Eötvös ...

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Günther Pflug<br />

mehr als der gelesene, seine Wirkung scheint eindringlicher, obwohl eine zusätzliche<br />

verbale Information nicht gegeben wird.<br />

Für diese Unmittelbarkeit des gesprochenen gegenüber dem geschriebenen Wort habe<br />

ich ein schönes Beispiel in der Überlieferungsgeschichte der Literatur gef<strong>und</strong>en. In der<br />

Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde in Wien die Aufführung von Schillers Don Carlos von<br />

der staatlichen Zensurbehörde nur mit der Auflage erheblicher Textkürzungen genehmigt,<br />

obwohl der gedruckte – selbstverständlich ungekürzte – Text in jeder Wiener Buchhandlung<br />

zu kaufen war. Dem mündlichen Wort wurde also von der Wiener Obrigkeit eine<br />

weitaus größere Wirkung unterstellt als dem gedruckten. Dieses Beispiel weist darauf hin,<br />

daß es gerade das Theater ist, das die Mündlichkeit der Literatur auch über alle Literalität<br />

hinaus wahrt. Für ein Schauspiel ist, von den Urheberrechtsfragen abgesehen,<br />

seine Uraufführung das zentrale Datum, nicht das der Textveröffentlichung.<br />

Auch in der Literatur, jenem zentralen Bereich schriftlicher Informations- <strong>und</strong> Traditionsvermittlung,<br />

haben sich also gewisse Formen der Mündlichkeit erhalten, die dem literarischen<br />

Leben eine charakteristische Eindringlichkeit, Lebendigkeit verleihen, die die<br />

literale Form nicht zu vermitteln vermag.<br />

Bleibt als letzter Bereich noch die Information. In ihm können wir nicht lediglich –<br />

wie etwa bei der Literatur – ein Überleben oraler Formen neben der vorherrschend literalen<br />

Vermittlung feststellen, sondern ein deutliches Zunehmen der mündlichen Überlieferung<br />

<strong>und</strong> ein Zurückdrängen der Schriftform.<br />

Dieses Phänomen ist mit Händen zu greifen. Es braucht nicht eigentlich erläutert zu<br />

werden. Das 19. Jahrh<strong>und</strong>ert war das klassische Jahrh<strong>und</strong>ert der Zeitung. In ihm<br />

wurde die aktuelle Information fast ausschließlich über dieses Medium verbreitet. Daß<br />

seitdem die Zeitung einen erheblichen Teil ihrer Informationsaufgabe an die elektronischen<br />

Medien verloren hat – ursprünglich an den Hörfunk, heute in zunehmendem<br />

Maße an das Fernsehen – ist unbestritten.<br />

Dabei hat sich eine merkwürdige Unterscheidung ergeben: Die überregionale Information,<br />

die ursprünglich das genuine Feld der Zeitung war, während die lokale Nachricht<br />

noch zu erheblichem Maße der mündlichen Mitteilung zuneigte, ist heute Gegenstand<br />

der elektronischen Medien geworden, während die lokale Information den Zeitungen<br />

weitgehend geblieben ist. Dennoch, so einfach lassen sich die Kompetenzbereiche nicht<br />

trennen. Auch heute noch beziehen sich die Schlagzeilen <strong>und</strong> natürlich auch die meisten<br />

Beiträge der Zeitungen auf überregionale Ereignisse, die bereits vorher von den elektronischen<br />

Medien verbreitet wurden.<br />

Es sind drei Faktoren, in denen sich die beiden Medien unterscheiden: der Zeitbezug,<br />

der Bildbezug <strong>und</strong> das Verhältnis von Schriftlichkeit <strong>und</strong> Mündlichkeit. Natürlich<br />

sind die elektronischen Nachrichten schneller als die gedruckten. Diesen Vorzug<br />

der Mündlichkeit haben wir bereits in der Wissenschaft gesehen, in der der Kongreßvortrag<br />

die schnellere Verbreitungsform darstellt. Die Rolle der Bilder bei der Informationsvermittlung<br />

ist ein eigener Komplex, auf den hier nur hingewiesen werden kann. Er<br />

verdient eine gesonderte Behandlung, die zeigen wird, daß die bildliche Information der<br />

verbalisierten keineswegs immer überlegen ist. Es sei nur auf das Faktum hingewiesen,

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