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Grundwissen Kultur- und Medienwissenschaft III. - Index of - Eötvös ...

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Werner Faulstich<br />

– erstens die Selbstcharakterisierung: Jede Figur charakterisiert sich als die, die sie<br />

ist oder zu sein vorgibt, durch ihr Reden, ihr Handeln, ihre Mimik, Gestik, Stimme, ihre<br />

Sprache, ihre Kleidung usw. – wie jeder Mensch im normalen Alltag auch;<br />

– zweitens die Fremdcharakterisierung: Eine Figur wird durch eine andere Figur<br />

im Film vorgestellt <strong>und</strong> beurteilt, beispielsweise positiv, möglicherweise im Kontrast zu<br />

einer dritten Figur, die ein Negativurteil beisteuert, <strong>und</strong> im Unterschied zu weiteren Personen<br />

mit wieder anderen Meinungsäußerungen;<br />

– drittens die Erzählercharakterisierung: Eine Figur kann durch zahlreiche Bauformen<br />

des Erzählens charakterisiert werden, etwa durch die Einstellungsgröße oder die<br />

Einstellungsperspektive, durch die Musik, durch die Beleuchtung <strong>und</strong> andere Stilmittel.<br />

Viele, zumal anspruchsvollere Filme „spielen” gleichsam mit solchen unterschiedlichen<br />

Charakterisierungsstrategien <strong>und</strong> den daraus folgenden Versionen einer Figur <strong>und</strong><br />

ziehen mit der impliziten Aufforderung an das Publikum, sich selbst ein Urteil zu bilden<br />

<strong>und</strong> sich für das eine oder andere Bild zu entscheiden, den Zuschauer mit in die Handlung<br />

hinein.<br />

Die Figurenanalyse soll charakteristische Merkmale einer Figur erkennen lassen;<br />

man muß die Figuren des Films so beschreiben können, wie man einem Fre<strong>und</strong> einen<br />

neuen Bekannten beschreibt, den dieser noch nicht gesehen hat. Das beginnt bei Äußerlichkeiten<br />

wie Aussehen, Kleidung, Verhalten <strong>und</strong> reicht bis zu charakterlichen <strong>und</strong><br />

anderen Persönlichkeitsmerkmalen. Man kann dabei die wichtige Unterscheidung zwischen<br />

„flat” <strong>und</strong> „ro<strong>und</strong> characters” (E.M. Forster) machen. „Flache” oder eindimensionale<br />

Figuren sind meist typisiert, treten als Nebenfiguren auf <strong>und</strong> haben nur sek<strong>und</strong>äre<br />

Bedeutung für die Filmmessage. Sie können aber auch Hauptfiguren sein wie in<br />

den JAMES-BOND- oder den ROCKY-Filmen. „R<strong>und</strong>e” oder mehrdimensionale Figuren<br />

dagegen gibt es nur als Protagonisten. Eine mehrdimensionale Figur kann durch zwei<br />

Merkmale ausgezeichnet sein: erstens eine gewisse Komplexität, das heißt, die Liste der<br />

Eigenschaften <strong>und</strong> Merkmale ist vergleichsweise lang, gekennzeichnet von großer Vielfalt<br />

<strong>und</strong> durchaus auch von Gegensätzen <strong>und</strong> Widersprüchen, die eine Figur erst wirklich<br />

lebendig erscheinen lassen; zweitens eine persönlichkeitsmäßige Veränderung, das<br />

heißt, die Figur ist am Ende des Films nicht mehr die, die sie noch am Anfang war. Typische<br />

Beispiele dafür waren der Junge, der zum Mann wird; das Mädchen, das sich zur<br />

Frau entwickelt; der Schüchterne, der sich am Schluß durchsetzt; auch der Held, der als<br />

Versager endet. Man hat solche Figuren deshalb auch als dynamische Figuren bezeichnet,<br />

im Unterschied zu statischen Figuren. NORA beispielsweise <strong>und</strong> viele spätere Frauenfilme<br />

folgen diesem Gr<strong>und</strong>prinzip. Und zahlreiche Literaturverfilmungen wie beispielsweise<br />

BAHNWÄRTER THIEL oder DIE MARQUISE VON O. thematisieren zentral diesen inneren<br />

Wandel.<br />

Auch die Besetzung einer Rolle durch einen Schauspieler, eine Schauspielerin<br />

kann charakterisierende Bedeutung haben: das sogenannte Casting. Es macht einen<br />

großen Unterschied aus, ob völlig unbekannte Darsteller eingesetzt werden oder solche<br />

Schauspieler, die dem Publikum aus anderen Filmen <strong>und</strong> anderen Rollen bereits bekannt<br />

sind. Eine Filmfigur wird also auch durch die Individualität des Schauspielers charakterisiert,<br />

<strong>und</strong> gelegentlich werden bewußt Bezüge hergestellt zwischen einer Filmfigur <strong>und</strong>

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