Grundwissen Kultur- und Medienwissenschaft III. - Index of - Eötvös ...
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Jörn Glasenapp:<br />
Chat<br />
Jörn Glasenapp<br />
Zu Geschichte <strong>und</strong> Begrifflichkeit<br />
Die Bezeichnung des neuen Mediums Chatroom, kurz: Chat, ist abgeleitet von dem<br />
englischen Verb „to chat” („schwatzen”, „plaudern”); es handelt sich hierbei um computergenerierte<br />
<strong>und</strong> internetbasierte Interaktionsräume, die ihre Geburtsst<strong>und</strong>e Ende<br />
der 1980er Jahre erlebten. Als ,Vater’ des Mediums gilt der Finne Jarkko Oikarinen, der<br />
als Student an der Universität Oulu 1988 den so genannten Internet Relay Chat (IRC)<br />
entwickelte – in der Absicht, den wissenschaftlichen Austausch durch die Bereitstellung<br />
eines elektronischen Echtzeit-Diskussionssystems zu erleichtern. Das war der Vorgänger<br />
der mittlerweile gängigeren <strong>und</strong> wesentlich anwendungsfre<strong>und</strong>licheren Webchats. Letztere<br />
bedürfen keiner eigenen IRC-Client-S<strong>of</strong>tware mehr, sondern werden über das WWW<br />
mithilfe gebräuchlicher Internetbrowser wie etwa Netscape Communicator oder Internet<br />
Explorer bedient. Obgleich erst die Webchats dem Chatten zu seinem weltweiten Boom<br />
verhalfen, verfahren beide, der Internet Relay Chat ebenso wie der Webchat, gr<strong>und</strong>sätzlich<br />
nach demselben medialen Prinzip, das es zunächst in aller Kürze vorzustellen gilt.<br />
Dann werden einige zentrale Problemfelder genauer in den Blick genommen, um das<br />
Medium vor allem hinsichtlich seines spezifischen Leistungsvermögens zu konturieren.<br />
Jederzeit geöffnet, gestatten es Chats einer beliebigen Anzahl von Nutzern, über<br />
den gleichzeitigen gemeinsamen Zugriff auf denselben Chatserver miteinander in<br />
Kontakt zu treten <strong>und</strong> synchron zu kommunizieren. Hierbei werden die einzelnen, via<br />
Tastatureingabe realisierten Kommunikationsbeiträge durch das Betätigen der ,Enter’-<br />
Taste an die anderen Chatteilnehmer versandt, um sogleich auf deren Bildschirmen zu<br />
erscheinen – <strong>und</strong> zwar sequenziell, also in der Reihenfolge, in der sie abgeschickt werden<br />
bzw. beim Chatserver eintreffen. Das hat zur Konsequenz, dass inhaltlich aufeinander<br />
Bezug nehmende Beiträge in der Monitorpräsentation keineswegs aufeinander folgen<br />
müssen. Nahezu immer stellen sich Chats als ,scrollende’, also fahrende Textfenster dar,<br />
die den nicht selten ausgesprochen ,vielstimmigen’ <strong>und</strong> damit unübersichtlichen Gesprächsverlauf<br />
wiedergeben. Dieser wird zudem <strong>of</strong>tmals flankiert durch zahlreiche – zuweilen<br />
in eigenen Textfenstern realisierte – Privatgespräche, die von den an ihnen Beteiligten<br />
im so genannten Flüstermodus geführt werden <strong>und</strong> allein auf deren Bildschirmen<br />
erscheinen. Werden Chats auch gern mit der Gruppenkommunikation assoziiert, so unterstützt<br />
das Medium demnach auch den ,one-to-one’-Dialog.<br />
Zieht man als Vergleichsfolie andere internetbasierte Medien wie etwa E-Mail oder<br />
Diskussionsforen heran, deren Kommunikationsmodus ein zeitversetzter ist, so darf als<br />
zentrales Distinktionsmerkmal des hier zur Diskussion stehenden Mediums zweifellos<br />
seine Synchronizität gelten. Diese weist den Chat als ,Live-Medium’ aus <strong>und</strong> lässt dessen<br />
Affinitäten zum Telefon, die von der Forschung zu Recht immer wieder pr<strong>of</strong>iliert<br />
wurden, unschwer erkennen: Chat wie Telefon gestatten die zeitgleiche, dialogische