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Grundwissen Kultur- und Medienwissenschaft III. - Index of - Eötvös ...

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Vom Ruß auf Holz zum Pixel im Kristall 55<br />

Der Computersatz hat den Druck von beweglichen Metalllettern innerhalb weniger<br />

Jahre vollständig abgelöst. Ein ganzes Handwerk, nicht irgendeines, sondern das vornehmste,<br />

das der Akzidenzsetzer <strong>und</strong> Metteure, wurde in kurzer Zeit umgeschult oder in<br />

die Frührente geschickt. Das Blei wurde ein für alle Mal ausrangiert. Wer heute eine Gutenberg’sche<br />

Setzerei besichtigen möchte, muss ins Museum gehen.<br />

Die Produkte der Gutenberg’schen Druckpresse jedoch, das Buch, die Zeitung,<br />

die Zeitschrift, sind unverändert geblieben <strong>und</strong> darum haben viele den Abschied von<br />

Gutenberg gar nicht bemerkt. So wie Gutenbergs Erfindung seinerzeit, um 1450, darum<br />

auf Anhieb durchschlagend erfolgreich war, weil sie erlaubt hatte, den bewährten handgeschriebenen<br />

Codex täuschend ähnlich nachzuahmen, so war der Computersatz auf Anhieb<br />

durchschlagend erfolgreich, weil mit seiner Hilfe das mit Gutenberg’scher Satztechnik<br />

hergestellte Printmedium täuschend ähnlich nachgeahmt werden konnte. Nicht ein radikaler<br />

Bruch mit allem Dagewesenen ermöglichte die beiden Erfolge, sondern gerade<br />

die Kontinuität. Eine Kontinuität bei großen Produktivitätsfortschritten – zum Setzen der<br />

1280 Seiten seiner ersten Bibel brauchte Gutenberg gut zwei Jahre, fast so lange, wie ein<br />

Schreiber zu ihrem Abschreiben gebraucht hatte – aber nach dem Drucken hatte er 140<br />

Exemplare <strong>und</strong> nicht nur eines.<br />

Aus der bisherigen Widerstandskraft der Printmedien könnte man leicht den Schluss<br />

ziehen, dass die Zukunft des gedruckten Buches gesichert ist. Der Schluss wäre voreilig.<br />

Die Plötzlichkeit, mit der um 1950 die Schellackplatte, um 1980 die Vinyllangspielplatte,<br />

um 1985 die Schreibmaschine <strong>und</strong> die Gutenberg’sche Satztechnik verschwanden, sollte<br />

eine Warnung sein.<br />

Die Zeichen der Zeit sind widersprüchlich. Seit etwa fünfzehn Jahren geht so gut wie<br />

alles, was auf Papier gedruckt wird, durch eine digitale Vorstufe, ob Bücher, Zeitschriften,<br />

Zeitungen oder Kataloge. Seit wenigstens sechs Jahren ist die Technik da, mit der es auch<br />

am Bildschirm gelesen <strong>und</strong> durchs Netz versandt werden könnte. Die Leser aber machen<br />

davon bisher nur wenig Gebrauch. Aber man wird unterscheiden müssen. Romanleser<br />

zwar lesen nicht online, Online-Fachzeitschriften aber <strong>und</strong> gewisse Offline-Nachschlagewerke<br />

werden inzwischen stark genutzt. Bisher macht der Buchhandel nur zwei bis zweieinhalb<br />

Prozent seines Umsatzes mit CD-ROMs*. Bei dem größten deutschen Lexikonverlag<br />

(der Verlagsgruppe Bibliographisches Institut/Langenscheidt), der beides parallel<br />

aus seinen Datenbanken entwickelt, Bücher <strong>und</strong> CD-ROMs, teilweise mit gleichen Inhalten,<br />

werden bisher nur zwölf Prozent des Umsatzes mit digitalen Werken gemacht, fast<br />

ausschließlich mit Offline-Medien. Wenn man sich solche Zahlen zu Gemüte führt,<br />

scheint das Buch vorläufig sicher zu sein <strong>und</strong> man könnte mit Robert Gernhardt erleichtert<br />

seufzen: „Ums Buch ist mir nicht bange./Das Buch hält sich noch lange.” Auf der anderen<br />

Seite hat die Encyclopaedia Britannica angekündigt, dass sie 2001 ihre Papierausgabe<br />

ganz einstellen <strong>und</strong> dann nur noch online abfragbar sein wird.<br />

Ein dringendes allgemeines Leserbedürfnis nach dem digitalen Text, ob online oder<br />

<strong>of</strong>fline, besteht ganz <strong>of</strong>fensichtlich nicht. Die Leser warten nicht ungeduldig auf das E-<br />

Book. Andererseits entgehen ihnen die Vorteile der Digitalität keineswegs <strong>und</strong> hier <strong>und</strong> da<br />

haben sie begonnen, sie sich zunutze zu machen.

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