Kompendium der Flugmedizin - Luftwaffe
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• Verlängerung <strong>der</strong> Reaktionszeit,<br />
• Müdigkeit o<strong>der</strong> das Orthostasesyndrom,<br />
berücksichtigt werden, die schon für sich allein genommen nicht mit dem Flugdienst vereinbar<br />
sind. Zu diesen Medikamenten zählen z.B. Antihistaminika, Anticholinergika, Spasmolytika,<br />
Tranquilizer, Sedativa, Antihypertensiva und Analgetika. Der größte Anteil aller verschriebenen<br />
Medikamente fällt unter eine dieser Kategorien. Natürlich kann es nicht Aufgabe<br />
dieser Übersicht sein, Hun<strong>der</strong>te von verschiedenen Medikamenten im einzelnen zu diskutieren,<br />
abgesehen davon, dass unser Wissen um Interaktionen und Interferenzen gleichzeitig<br />
eingenommener Medikamente noch beschränkt ist. Das sicherste - und vorgeschriebene -<br />
Vorgehen sieht zunächst die vorübergehende Befreiung vom Flugdienst während <strong>der</strong> Medikamenteneinnahme<br />
vor. Sollte das Medikament nebenwirkungsfrei vertragen werden und ist<br />
aufgrund <strong>der</strong> Krankheit und <strong>der</strong> Hauptwirkung des Medikaments keine Gefährdung <strong>der</strong> Flugsicherheit<br />
gegeben, so kann <strong>der</strong> Fliegerarzt einen Antrag auf Genehmigung <strong>der</strong> Dauermedikation<br />
mit Therapieplan und Stellungnahme an den Leiter <strong>der</strong> zuständigen Fachgruppe<br />
<strong>der</strong> Abteilung I des FlMedInstLw stellen. Nach Genehmigung kann <strong>der</strong> betreffende Besatzungsangehörige<br />
wie<strong>der</strong> zum Flugdienst zugelassen werden. Dies ist in <strong>der</strong> Regel z.B. bei<br />
<strong>der</strong> Behandlung <strong>der</strong> blanden Struma mit Thyroxin o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Behandlung einer milden Hypertonie<br />
mit Diuretika <strong>der</strong> Fall. Dieses Vorgehen darf allerdings auf keinen Fall verwechselt werden<br />
mit <strong>der</strong> Verfahrensweise bei Erkrankungen, die zu dem Urteil „dauernd wehrfliegerverwendungsunfähig“<br />
führen. Der hier mögliche Antrag auf Son<strong>der</strong>genehmigung wird vom Leiter<br />
des FlMedInstLw entschieden. Ungelöst ist damit lei<strong>der</strong> noch das Problem einer Verschreibungspraxis<br />
von Medikamenten durch in <strong>der</strong> <strong>Flugmedizin</strong> unerfahrene Ärzte bzw. <strong>der</strong><br />
Selbstmedikation <strong>der</strong> Piloten, die sich Kopfschmerztabletten von ihrer Ehefrau „ausleihen“<br />
o<strong>der</strong> sich Grippetabletten vom Freund aus <strong>der</strong> Drogerie bringen lassen. Hier hilft nur das<br />
regelmäßige Briefing des fliegenden Personals über die dabei auftretende Gefährdung ihrer<br />
eigenen Sicherheit und <strong>der</strong> Aufbau eines guten Vertrauensverhältnisses zwischen den Fliegenden<br />
Besatzungen und „ihrem“ Fliegerarzt, so dass sie mit buchstäblich all ihren „Wehwehchen“<br />
zu ihm kommen.<br />
15.5 An<strong>der</strong>e Noxen<br />
Trotz aller Aufklärungskampagnen über die Wirkung von Alkohol auf Wachheit und Reaktion<br />
von Gerätebedienern, - ob Autofahrer, ob Piloten -, bleibt doch <strong>der</strong> Alkohol unzweifelhaft eine<br />
führende Einzelursache bei Unfällen. Bedenkt man, dass selbst geringste Mengen Alkohol<br />
(0,2 0 /00) zu einer Beeinträchtigung <strong>der</strong> Reaktionszeit führen können, so drängt sich einem<br />
<strong>der</strong> Schluss, dass Alkohol im Cockpit nichts zu suchen hat, förmlich auf. Selbst nach vollständiger<br />
Metabolisierung des Alkohols kann es infolge <strong>der</strong> Hang-over-Symptome, wie Kopfschmerzen,<br />
Müdigkeit und Beeinträchtigung des normalen Denkvermögens, zu einer ernsthaften<br />
Gefährdung <strong>der</strong> Flugsicherheit kommen.<br />
Das oben Gesagte gilt in gleicher Weise für alle Arten von Rauschgiften. Die Gefahr <strong>der</strong><br />
Gewöhnung/Sucht und die Sekundärschäden in den einzelnen Organsystemen durch Alkohol<br />
und Rauschgifte seien hier nur <strong>der</strong> Vollständigkeit halber erwähnt. Nicht erst seit <strong>der</strong><br />
FRAMINGHAM-Studie (1950) ist es erwiesen, dass Rauchen schädlich ist. Krebs, Arteriosklerose<br />
und chronische Bronchopneumopathien sind Folgen dieser „schlechten Angewohnheit“,<br />
die schon seit Jahrhun<strong>der</strong>ten in unserer Kultur gepflegt wird. Das sollte eigentlich für<br />
einen Fliegerarzt Grund genug sein, seinen Patienten das Rauchen abzugewöhnen. Wie<br />
schon in den Kapiteln 2 und 3 beschrieben, kommt hier noch hinzu, dass mit dem Rauch<br />
eingeatmetes CO mit seiner 250 mal größeren Affinität zum Hämoglobin den Sauerstoff aus<br />
seiner Bindung verdrängt und zu einer milden Hypoxie führt, die zwar unter Normalbedingungen<br />
in Meereshöhe zu keiner klinischen Symptomatik führt, aber in <strong>der</strong> hypoxischen<br />
15-222 <strong>Kompendium</strong> <strong>der</strong> <strong>Flugmedizin</strong> Kap. 15 – Gesundheitliche Risikofaktoren und <strong>der</strong>en Vermeidung