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Kompendium der Flugmedizin - Luftwaffe

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Die beispiellosen psychologischen Anfor<strong>der</strong>ungen an die Piloten fliegen<strong>der</strong> Waffensysteme<br />

gehen aus verschiedenen experimentellen Untersuchungen hervor. So wurde während einer<br />

Serie von siebenminütigen, vergleichsweise „einfachen“, Platzrundenflügen mit dem<br />

STARFIGHTER eine Handlungsfrequenz für den Piloten von durchschnittlich 28 Aktivitäten<br />

in <strong>der</strong> Minute festgestellt (sensomotorische und kognitive Operationen). Bei Luftkampfmanövern,<br />

Luft-Boden-Waffeneinsätzen, terrestrisch navigierten Flügen in geringer Flughöhe<br />

über dem Grund sowie bei Landungen auf einem Flugzeugträger wurden über 60 Aktionen<br />

und Reaktionen pro Minute errechnet. Die Komplizierung und Verdichtung <strong>der</strong> mentalen Arbeitsprozesse<br />

des Menschen im Cockpit wird verständlich, wenn man sich vergegenwärtigt,<br />

dass schon <strong>der</strong> Pilot eines konventionellen Kampfflugzeugs rund 80 Anzeigen und Bedienelemente<br />

laufend, periodisch o<strong>der</strong> sporadisch überwachen bzw. betätigen muss. Ein extremes<br />

Beispiel für die Informationsüberladung in supermo<strong>der</strong>nen Jagdflugzeugen ist die F/A-<br />

18 „HORNET“. Im Cockpit dieser Maschine befinden sich drei Bildschirme, von denen je<strong>der</strong><br />

Informationen in 40 verschiedenen Darstellungskonfigurationen anbieten kann. Diese Konfigurationen<br />

greifen jeweils einen bestimmten Set von Zeichen aus einem Repertoire von insgesamt<br />

177 Symbolen und 675 Akronymen (Sprachkürzel) heraus. Die Symbole können<br />

wie<strong>der</strong>um in vier unterschiedlichen Größen dargeboten werden. Außerdem geben die drei<br />

Bildschirme noch 73 Bedrohungs-, Vorsichts- und Mitteilungshinweise. 59 Anzeigelichter<br />

vervollständigen das visuelle Informationsangebot im HEAD-DOWN-Bereich <strong>der</strong> Flugzeugkanzel.<br />

Dazu kommen noch 6 akustische Warnzeichen sowie das HEAD-UP-DISPLAY<br />

(HUD), das 22 verschiedene Darstellungsarten hat. Auch <strong>der</strong> Zuwachs an Bedienelementen<br />

ist immens. Neben den vielen Schaltern für UHF/VHF, ILS, TACAN, ADF, IFF, Autopilot, Data<br />

Link und Beacon, die an allen möglichen Stellen im Cockpit angeordnet sind, befinden<br />

sich 16 Schalter und Knöpfe (davon 3 mit Mehrfachfunktionen) auf den Leistungshebeln und<br />

dem Steuerknüppel. Es bedarf keines allzu großen Vorstellungsvermögens, um zu erkennen,<br />

dass <strong>der</strong> Pilot eines <strong>der</strong>artigen Luftfahrzeuges schnell an die Grenzen seiner mentalen und<br />

motorischen Leistungskapazität gelangt. Er steht unter großer „informationeller Belastung“<br />

bei grenznahen und gelegentlich grenzüberschreitenden Bewältigungszeiten. Selbst wenn er<br />

auf höchstem Aufmerksamkeitsniveau arbeitet, muss er nicht selten entstehende Informationsverluste<br />

durch nachträgliches Interpolieren ausgleichen. Wie sich bereits in aller Deutlichkeit<br />

zeigte, wird <strong>der</strong> Pilot eines Kampfflugzeuges auch keineswegs durch die Einführung<br />

automatischer Flugregelungssysteme entlastet. Im Gegenteil: die „PILOT´S WORKLOAD“<br />

ist trotz (o<strong>der</strong> wegen) <strong>der</strong> fortschreitenden Automation drastisch angestiegen.<br />

Die Komplexität <strong>der</strong> fliegerischen Aufgaben, die nervlich-emotionale Belastung und die diversen<br />

Einflüsse aus <strong>der</strong> Umwelt führen zu einer erheblichen Beanspruchung des Organismus,<br />

wobei <strong>der</strong> Grad <strong>der</strong> Beanspruchung aus <strong>der</strong> Stärke <strong>der</strong> Gesamtbelastung und <strong>der</strong> Beschaffenheit<br />

<strong>der</strong> individuellen psychophysischen Leistungsfähigkeit resultiert. Messreihen mit<br />

erfahrenen STARFIGHTER-Piloten, die während einer Tiefflugmission durchgeführt wurden,<br />

ergaben eine mittlere Herzfrequenz von 150 mit Spitzenwerten bis zu 170 Schlägen pro Minute.<br />

Der Puls normalisierte sich erst 30 bis 35 Minuten nach <strong>der</strong> Landung. Als dieselben<br />

Männer im REAR COCKPIT <strong>der</strong> TF-104 ohne Aufgabenbelastung und Verantwortungsdruck<br />

nur mitflogen, war ihre Pulsfrequenz um durchschnittlich 60 Schläge niedriger.<br />

Weitere wissenschaftliche Untersuchungen belegen neben <strong>der</strong> Erhöhung <strong>der</strong> Herzrate während<br />

des Fliegens u.a. signifikante Anstiege des Blutdrucks, des Sauerstoffverbrauchs, <strong>der</strong><br />

17-Ketosteroide, <strong>der</strong> Katecholamine (Adrenalin, Noradrenalin), <strong>der</strong> Natriumausscheidung<br />

und <strong>der</strong> Fibrinolyseaktivität sowie Vermin<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> eosinophilen Leukozyten, <strong>der</strong> Kaliumausscheidung<br />

und <strong>der</strong> anorganischen Phosphate im Serum.<br />

17-234 <strong>Kompendium</strong> <strong>der</strong> <strong>Flugmedizin</strong> Kap. 17 – Kurzer Abriss <strong>der</strong> Flugpsychologie

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