Gewaltbericht - Kurzfassung - BMWA
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Übereinstimmung, wie diese Gewalt zu definieren<br />
ist. So heißt es in der Pekinger Erklärung und<br />
Aktionsplattform 1995:<br />
„Der Begriff ,Gewalt gegen Frauen‘ bezeichnet<br />
jede Handlung geschlechtsbezogener Gewalt,<br />
die der Frau körperlichen, sexuellen oder psychischen<br />
Schaden oder Leid zufügt oder zufügen<br />
kann, einschließlich der Androhung derartiger<br />
Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen<br />
Freiheitsberaubung in der Öffentlichkeit oder im<br />
Privatleben. Infolgedessen umfasst Gewalt gegen<br />
Frauen unter anderem folgende Formen:<br />
körperliche, sexuelle und psychische Gewalt in<br />
der Familie, namentlich auch Misshandlung von<br />
Frauen, sexueller Missbrauch von Mädchen im<br />
Haushalt, Gewalt im Zusammenhang mit der<br />
Mitgift, Vergewaltigung in der Ehe, Verstümmelung<br />
der weiblichen Geschlechtsorgane und<br />
andere traditionelle, für die Frau schädliche<br />
Praktiken, Gewalt außerhalb der Ehe und<br />
Gewalt im Zusammenhang mit Ausbeutung;<br />
körperliche, sexuelle und psychische Gewalt in<br />
der Gemeinschaft, so auch Vergewaltigung,<br />
Missbrauch, sexuelle Belästigung und Einschüchterung<br />
am Arbeitsplatz, an Bildungseinrichtungen<br />
und anderswo, Frauenhandel<br />
und Zwangsprostitution;<br />
vom Staat ausgeübte oder geduldete körperliche,<br />
sexuelle und psychische Gewalt, wo<br />
immer sie auftritt.“ 3<br />
Diese Definition, die in ähnlicher Form auch in der<br />
Deklaration zur Eliminierung jeder Form von Gewalt<br />
an Frauen verwendet wird, spricht nicht nur viele<br />
Formen der Gewalt an, sondern nennt auch alle<br />
Bereiche, in denen es zu Menschenrechtsverletzungen<br />
an Frauen kommt. Gewalt (an Frauen) wird<br />
in der Pekinger Aktionsplattform auch eindeutig als<br />
gesellschaftliches Problem definiert, das negative<br />
Auswirkungen auf die Staatengemeinschaft hat:<br />
„Gewalt gegen Frauen ist ein Hindernis auf dem<br />
Weg zur Verwirklichung der Ziele der Gleichberechtigung,<br />
der Entwicklung und des Friedens.<br />
Gewalt gegen Frauen verstößt gegen die<br />
Menschenrechte und Grundfreiheiten der Frau<br />
und beeinträchtigt oder verhindert deren Wahrnehmung.<br />
Das Problem, dass seit langem ver-<br />
10<br />
absäumt wird, diese Rechte und Freiheiten im<br />
Falle von Gewalt gegen Frauen zu schützen und<br />
zu fördern, betrifft alle Staaten und sollte in Angriff<br />
genommen werden. In allen Gesellschaften sind<br />
Frauen und Mädchen in unterschiedlichem Ausmaß<br />
und unabhängig von Einkommen, Gesellschaftsschicht<br />
oder Kultur der physischen,<br />
sexuellen und psychischen Misshandlung ausgesetzt.<br />
Die niedrige soziale und wirtschaftliche<br />
Stellung der Frau kann sowohl Ursache als auch<br />
Folge der Gewalt gegen Frauen sein.“ 4<br />
Hieraus wird ersichtlich, dass auch gesellschaftliche<br />
Benachteiligung und Diskriminierung von Frauen<br />
und Mädchen als Gewalt – nämlich als strukturelle<br />
Gewalt – zu definieren sind. Diese lässt sich anhand<br />
von Berechnungen der Vereinten Nationen verdeutlichen.<br />
Etwa zwei Drittel der weltweit verrichteten<br />
Arbeit wird von Frauen geleistet; dafür erhalten<br />
sie ein Zehntel des gesamten Einkommens und<br />
besitzen ein Hundertstel des Weltvermögens. 5<br />
2. DIE FORMEN DER GEWALT<br />
Einige Forscher beschränken sich in ihren Versuchen<br />
Gewalt zu definieren schon im Ansatz auf den<br />
Singular und sprechen von einer Form der Gewalt.<br />
So erklären Gelles und Straus (USA) Gewalt als<br />
Handlung, die eine andere Person absichtlich<br />
physisch verletzt. Gewalt wird hier mit physischer<br />
Gewalt gleichgesetzt. Weiter gefasst ist der Gewaltbegriff<br />
der britischen Wissenschafterin Liz Kelly. Sie<br />
schließt in ihre Definition von Gewalt (an Frauen)<br />
auch sexuelle und psychische Gewalt ein und spricht<br />
von einem „Kontinuum von Gewalt“. In ihren Studien<br />
hat Kelly festgestellt, dass die Art und Weise, wie<br />
Frauen Gewalt erfahren, einen individuellen Prozess<br />
darstellt, der vom Bewusstseinsstand der einzelnen<br />
Frau abhängig ist. Wird z.B. Vergewaltigung in der<br />
Ehe von betroffenen Frauen anfangs noch als eheliches<br />
Recht des Mannes empfunden und somit nicht<br />
als Gewalt definiert, kann sich diese Sichtweise nach<br />
einiger Zeit durchaus ändern.<br />
Mittlerweile herrscht weitgehender Konsens darüber,<br />
dass Gewalt, in diesem Fall Gewalt in der Familie /<br />
im sozialen Nahraum, über physische Gewalt<br />
hinausgeht. Psychische und sexuelle Gewalt stellen<br />
3 United Nations: The Beijing Declaration and the Platform for Action, Fourth World Conference on Women Beijing, China,<br />
4-15 September 1995, New York 1996, S. 36.<br />
4 a. a. O.<br />
5 Vgl. Seager, J. /Olson, A.: Der Frauenatlas. Daten, Fakten und Informationen zur Lage der Frauen auf unserer Erde, Frankfurt am<br />
Main 1986.