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Gewaltbericht - Kurzfassung - BMWA

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VI. GEWALT GEGEN MENSCHEN MIT BEHINDERUNGEN<br />

Mehr und mehr Menschen, die nicht dem vorherrschenden<br />

Normen- und Wertesystem entsprechen,<br />

scheinen von Gewalt betroffen zu sein. Es sind dies<br />

obdachlose oder alte Menschen, Homosexuelle, AusländerInnen<br />

und auch Menschen mit Behinderungen.<br />

Es sollte nicht davon ausgegangen werden, dass es<br />

sich bei Gewalttaten gegen jene Gruppen um Einzelfälle<br />

handelt, sondern eher davon, dass dies Resultate<br />

der sich wandelnden sozialen Einstellungen in<br />

unserer Gesellschaft sind. In diesem Sinn sind sie<br />

als Phänomen der Entsolidarisierung in dieser<br />

Gemeinschaft zu begreifen.<br />

Menschen mit Behinderungen sind eine sehr heterogene<br />

Gruppe. Art und Grad der Behinderung spielen<br />

bei der Analyse von Gewalt an dieser Personengruppe<br />

eine wichtige Rolle. Doch zuvor stellt sich die<br />

wichtige Frage: Was ist eine Behinderung? Einige<br />

ForscherInnen betrachten Behinderung lediglich als<br />

eine soziale Erfindung, eine Umschreibung für<br />

Menschen, die anders sind. Somit ist Behinderung<br />

ein relativer Begriff, da neben dem objektiven Faktor<br />

der Schädigung und den direkten Folgen, der Beeinträchtigung,<br />

auch die Wahrnehmung des behinderten<br />

Menschen und die Benachteiligung im gesellschaftlichen<br />

Leben eine Rolle spielen. Behinderung<br />

definiert sich damit sehr stark über den Umgang der<br />

Gesellschaft mit den Betroffenen.<br />

In der amerikanischen Literatur wird dafür auch der<br />

Begriff „disablism“ verwendet. Darunter sind eine<br />

Reihe von negativen Haltungen und Handlungen<br />

gegenüber Menschen zu verstehen, die in ihrem<br />

Erscheinungsbild, ihrem Verhalten, ihrer physischen<br />

und psychischen Konstellation anders sind.<br />

1. SPEZIFISCHE FORMEN DER GEWALT<br />

AN BEHINDERTEN MENSCHEN<br />

1. 1. Physische Gewalt<br />

Neben all jenen Formen von physischer Gewalt wie<br />

sie im ersten Abschnitt bereits ausführlich dargestellt<br />

wurden, erleben Menschen mit Behinderungen –<br />

anders als die meisten anderen Betroffenen von<br />

Gewalt – physische Gewalttaten besonders auch im<br />

öffentlichen Raum, in Parks, im Bahnhof, vor dem<br />

Kaufhaus etc. Die Gewalttäter agieren meist in der<br />

Gruppe und sind überwiegend junge Männer. Von<br />

den Betroffenen werden die Aggressoren oft als<br />

„rechtsradikal“ oder als „Skinheads“ bezeichnet.<br />

76<br />

1. 2. Psychische Gewalt<br />

Sie äußert sich bei Menschen mit Behinderungen<br />

sehr häufig in Form von Geringschätzung.<br />

Besonders in den Entwicklungsjahren wirkt diese Art<br />

der Gewalt zerstörerisch für die Persönlichkeit, wenn<br />

dem Kind bzw. Jugendlichen keine positive Einstellung<br />

zu sich selbst und seiner Umwelt vermittelt<br />

wird, sondern man sie/ihn spüren lässt, dass sie/er<br />

als wertlos gilt. TäterInnen sind vor allem<br />

Eltern/Angehörige und Betreuungspersonen.<br />

Menschen mit Behinderungen sind auf Grund der<br />

notwendigen Unterstützung durch andere Personen<br />

von diesen häufig besonders abhängig; gerade dadurch<br />

werden sie leicht Opfer von Drohungen und<br />

Einschüchterungen. Umgekehrt reagieren die Betroffenen<br />

ebenfalls mit Verhaltensweisen, die<br />

psychisch extrem belastend sein können (Verweigerung<br />

von Essen und Trinken, Schreien, Klagen,<br />

nächtliche Unruhe, etc.). Daraus kann leicht eine<br />

„Spirale der Gewalt“ entstehen.<br />

1. 3. Sexuelle Gewalt<br />

Problematisch ist in diesem Zusammenhang das<br />

vorherrschende gesellschaftliche Verständnis von<br />

der Sexualität behinderter Menschen. Meist wird<br />

ihnen das Recht auf das aktive Ausleben ihrer<br />

Sexualität generell abgesprochen.<br />

Ein nach wie vor virulentes Problem ist die Diskussion<br />

der Zwangssterilisation von Menschen mit<br />

Behinderungen. Dieses Ansinnen stellt nicht nur eine<br />

eklatante Verletzung der Menschenrechte dar,<br />

sondern begünstigt – im Falle von Frauen – noch<br />

zusätzlich den sexuellen Missbrauch.<br />

Die Betroffenheit von sexueller Gewalt ist unter<br />

Menschen mit Behinderungen, vor allem mit<br />

geistiger Behinderung, sehr hoch. Obwohl es nur<br />

wenige Studien dazu gibt, geht man davon aus,<br />

dass der Prozentsatz des Missbrauchs doppelt so<br />

hoch ist wie bei nicht behinderten Menschen.<br />

1. 4. Institutionelle Gewalt<br />

Da viele Menschen mit Behinderungen in Betreuungseinrichtungen<br />

leben, ist für sie dieses Umfeld<br />

von ähnlicher Bedeutung – und ähnlicher Gefährlichkeit<br />

– wie das eigene Heim für Frauen und Kinder.<br />

Die Rahmenbedingungen und die Starrheit dieser<br />

Einrichtungen gelten als besondere Risikofaktoren,

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