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Gewaltbericht - Kurzfassung - BMWA

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III. GEWALT GEGEN FRAUEN<br />

1. DIE AUSWIRKUNGEN VON GEWALT<br />

AN FRAUEN – GEFANGENSCHAFT IM<br />

EIGENEN HEIM<br />

Es ist nicht möglich, eine Misshandlungsbeziehung<br />

ohne physische bzw. psychische Verwundungen und<br />

Narben zu verlassen. Frauen, die in Familien Gewalt<br />

durch Männer erleiden, kämpfen um ihre körperliche<br />

Unversehrtheit. Sie versuchen, Gewalt zu verhindern<br />

und sind „Überlebende“ von Gewalt. Der Begriff<br />

„survivor“ (Überlebende/r) hat sich in den letzten<br />

Jahren im anglo-amerikanischen Sprachraum verbreitet<br />

und trägt diesem Aspekt Rechnung. Im<br />

Deutschen ist dieser Begriff sehr viel weniger<br />

gebräuchlich und auch die Intention dahinter noch<br />

wenig bekannt.<br />

1. 1. Die Strategien der Täter<br />

Eine der wichtigsten Erkenntnisse von Praxis und<br />

Forschung in den letzten Jahren war, dass Gewalttaten<br />

an Frauen in der Familie nicht als einzelne,<br />

isolierte Handlungen gesehen werden dürfen,<br />

sondern einer Dynamik unterliegen. Diese Dynamik<br />

ist vergleichbar mit Situationen in Gefangenschaft<br />

(mit bzw. unter Androhung von Folter), Terror oder<br />

Geiselnahme. Der Unterschied ist: Im häuslichen<br />

Umfeld sind Gefangenschaft und Terror für die<br />

Außenwelt kaum wahrnehmbar. Selbst wenn die<br />

Türen offen stehen fällt es schwer, das Gefängnis zu<br />

verlassen. Es gibt unsichtbare Barrieren wie ökonomische<br />

Abhängigkeit oder Unterdrückung mit<br />

sozialen, psychischen und rechtlichen Mitteln oder<br />

auch mit körperlicher Gewalt. Diese Strategien<br />

werden eingesetzt, um jede Autonomie der unterdrückten<br />

Person zu verhindern und maximale Macht<br />

und Kontrolle über sie auszuüben. Diese<br />

„Gefangenschaft“ schafft eine spezielle Beziehung<br />

zwischen Täter und Opfer. Der Täter wird zu einer<br />

mächtigen, oft zur mächtigsten Person im Leben des<br />

Opfers/der Opfer. Sein Ziel ist letztlich nicht nur die<br />

Beherrschung des Opfers, sondern es geht darum,<br />

die misshandelte Person zur Zustimmung zur<br />

Gewalt zu bringen.<br />

Folter<br />

Die Mittel und Strategien, um Kontrolle über Frauen<br />

zu erreichen, sind vergleichbar mit jenen der Folter.<br />

Sie bestehen in systematischen, wiederholten Handlungen,<br />

die traumatisierend wirken und sukzessive<br />

zu einer „Entmachtung“ und Isolation führen. Sie<br />

erzeugen Gefühle und Zustände von Angst, Hilflosig-<br />

45<br />

keit und Ohnmacht und zielen auf eine totale<br />

Schwächung des Ich und des Selbstwertgefühls des<br />

Opfers ab. Auf körperliche Gewalt kann weitgehend<br />

verzichtet werden, da Drohungen und die<br />

Erinnerung an vorangegangene Gewalttaten bereits<br />

ausreichen, um einen konstanten Zustand von Angst<br />

zu erzeugen. Körperliche Gewalt und Aggressionsausbrüche<br />

werden „bei Bedarf“ unerwartet eingesetzt<br />

und verstärken so das Gefühl, dass der Täter<br />

allmächtig und Widerstand zwecklos ist. Das Opfer<br />

sieht seine einzige Chance darin, sich dem Misshandler<br />

anzupassen. Todesangst ist dem Misshandler<br />

jedoch oft noch nicht genug, das Opfer<br />

muss auch Dankbarkeit dafür zeigen, dass es am<br />

Leben gelassen wird.<br />

Emotionale Wechselbäder<br />

Da kein Misshandler rund um die Uhr gewalttätig,<br />

sondern auch immer wieder „nett“ ist, werden die<br />

Opfer zusätzlich verunsichert. Ist der Gewalttäter am<br />

Ende doch ein „guter“ Mensch? Die Opfer setzen<br />

ihre Hoffnungen auf die „gute Seite“ und bleiben<br />

beim Täter. Auch die Umwelt reagiert auf die „netten“<br />

Seiten des Misshandlers und stellt sich nicht selten<br />

in seinen Dienst, um die Frau von ihren Trennungsabsichten<br />

abzuhalten. Im Zusammenhang mit<br />

Macht- und Gewaltausübung muss jedoch erkannt<br />

werden, dass Phasen der Freundlichkeit und<br />

gelegentliche Zuwendungen auch Teil der Strategie<br />

des Täters sein können (in vielen Fällen auch sind),<br />

mit denen er das Opfer an sich bindet.<br />

Isolation<br />

Isolation führt nach und nach zur Zerstörung<br />

sämtlicher Beziehungen. Frauen berichten immer<br />

wieder, dass ihnen vom Mann verboten wird, Kontakt<br />

zur Familie zu haben, dass er FreundInnen und<br />

Bekannte mit unfreundlichem Verhalten vertreibt,<br />

dass er nicht will, dass sie arbeiten gehen oder dass<br />

er sie während und nach der Arbeit ständig kontrolliert.<br />

Betroffen sind auch die Kinder. Sie dürfen<br />

niemanden nach Hause einladen, andere Kinder<br />

nicht besuchen. Die Opfer verlieren dadurch jegliches<br />

soziale Netz, was den Ausstieg aus der Misshandlungsbeziehung<br />

zusätzlich erschwert.<br />

Ständige Überwachung und Kontrolle sowie die<br />

Forderung nach unbedingter Loyalität zählen<br />

ebenfalls zu den Isolationsstrategien. Am Beginn<br />

einer Beziehung werden solche Strategien oft als<br />

Liebesbeweise gewertet, auf die Forderungen wird<br />

freiwillig eingegangen. Mit zunehmender Isolation<br />

steigt jedoch die psychische und emotionale

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