Gewaltbericht - Kurzfassung - BMWA
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3. URSACHEN VON GEWALT<br />
3. 1. Erklärungsansätze<br />
Die Antworten auf die Frage, warum es überhaupt zu<br />
Gewalt in der Familie/im sozialen Nahraum kommt,<br />
sind unterschiedlich – je nach gewähltem Erklärungsmodell<br />
und dem zu Grunde gelegten ideologischen<br />
Zugang. Im Folgenden soll ein gestraffter Überblick<br />
über die wichtigsten Erklärungsmodelle gegeben<br />
werden.<br />
3. 1. 1. Personenzentrierte Theorien<br />
Sie sehen die Ursachen für Gewalt in der Familie in<br />
den individuellen Eigenschaften von Menschen begründet.<br />
Abweichungen, Abnormalitäten oder Defekte<br />
eines Individuums gelten als Erklärung für Gewalt.<br />
Psychopathologische Ansätze<br />
Gewalt in der Familie ist eine Folge von charakterlichen<br />
Auffälligkeiten, Persönlichkeitsstörungen und<br />
Intelligenzdefiziten der TäterInnen.<br />
Kritik:<br />
Es ist bisher kein überzeugender Nachweis<br />
erbracht worden, dass Gewalt in der Familie allein<br />
auf besondere Persönlichkeitsmerkmale oder Persönlichkeitsstörungen<br />
zurück zu führen ist.<br />
Die psychopathologischen Erkenntnisse stimmen<br />
nicht mit sozialwissenschaftlichen Forschungsresultaten<br />
überein, welche die Durchschnittlichkeit<br />
der TäterInnen mehrfach nachweisen konnten.<br />
Gewalt in der Familie ist zu weit verbreitet, um als<br />
Folge unklarer Psychopathien und psychiatrischer<br />
Krankheitsbilder betrachtet werden zu können.<br />
Diese Theorien sprechen die TäterInnen von ihrer<br />
Verantwortung frei und lasten sie den Opfern an.<br />
3. 1. 2. Sozialpsychologische Theorien<br />
Die Ursachen für Gewalt in der Familie liegen bei<br />
externen Faktoren, die auf die Familie und die<br />
einzelnen Mitglieder einwirken.<br />
Soziale Lerntheorien<br />
Diese Theorien gehen davon aus, dass Menschen,<br />
bedingt durch Kindheitserfahrungen, in die Anwendung<br />
von Gewalt eingeübt werden. Gewalttätigkeit<br />
gilt somit als erlerntes Verhalten.<br />
Kritik:<br />
Dieser Ansatz konzentriert sich ausschließlich auf<br />
beobachtbares Verhalten und lässt die komplexe<br />
Vielfalt der menschlichen Existenz außer Acht.<br />
12<br />
Wenn Lernen so einfach wäre, müsste es auch<br />
möglich sein, destruktive Kenntnisse zu „verlernen“.<br />
Stresstheorien<br />
Diese gehen davon aus, dass Gewalt durch<br />
bestimmte Formen stresshafter Belastungen ausgelöst<br />
wird. Je mehr Ereignisse oder Situationen die<br />
Familie belasten, desto wahrscheinlicher sind<br />
Gewalthandlungen.<br />
Kritik:<br />
Frauen sind häufig noch mehr Stressfaktoren ausgesetzt<br />
als Männer, doch wenden sie weniger oft<br />
Gewalt an.<br />
Es lässt sich kein einfacher Ursache-Wirkungszusammenhang<br />
auf Grund von objektiven Stressfaktoren<br />
ableiten.<br />
3. 1. 3. Soziostrukturelle und soziokulturelle<br />
Theorien<br />
In diesen Modellen wird die individuelle Gewalt in<br />
Verbindung mit sozialen Strukturen und kulturellen<br />
Normen und Werten gesehen. Teilweise werden hier<br />
auch personenzentrierte und sozialpsychologische<br />
Erklärungen mit einbezogen.<br />
Ressourcentheoretische Ansätze und Theorien<br />
zur Statusinkonsistenz<br />
Sie gehen davon aus, dass Individuen oder Gruppen<br />
bestimmte Mittel einsetzen, um individuelle oder<br />
gruppenspezifische Ziele durchzusetzen. Auf die<br />
Familie umgelegt bedeutet dies, dass Gewalt ein<br />
Mittel zur Aufrechterhaltung von Rollen und Strukturen<br />
innerhalb der Familie ist. Zu Gewalthandlungen<br />
kommt es dann, wenn das Familienmitglied<br />
mit einer übergeordneten Position seine/ihre Rolle<br />
bedroht sieht, wenn sein/ihr Status in Frage gestellt<br />
wird.<br />
Kritik:<br />
Diese Ansätze werden von feministischer Seite in<br />
Frage gestellt, da sie die wirtschaftliche und<br />
soziale Abhängigkeit von Frauen als Risikofaktor<br />
für Gewalttätigkeit seitens des Partners übersehen.<br />
Systemtheoretische Ansätze<br />
In diesen Ansätzen wird die Familie als System<br />
betrachtet, das sich durch Grenzen, die offen oder<br />
geschlossen sein können, von der Umwelt<br />
unterscheidet. Gewalt in Familien ist ein Produkt des<br />
sozialen Austausches. Die Entwicklung von Gewalt<br />
wird dadurch beeinflusst, wie innerhalb und/oder<br />
außerhalb des Systems Familie auf Gewaltakte<br />
reagiert wird.