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Gewaltbericht - Kurzfassung - BMWA

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trolliert erscheinen. Dies führt leicht zu einer Fehlinterpretation<br />

und zum Verdacht, dass der alte<br />

Mensch mutwillig Beschwerden simuliert.<br />

4. 5. Biografische Prädispositionen und der<br />

intergenerationelle Gewaltkreislauf<br />

War das Zusammenleben in einer Familie immer<br />

schon von Aggressionen gekennzeichnet, so besteht<br />

ein erhöhtes Risiko für Gewaltanwendungen, oft mit<br />

einer Umkehrung der Rollen.<br />

So wird, analog zu den Erkenntnissen im<br />

Zusammenhang mit Kindesmisshandlung,<br />

angenommen, dass Erwachsene, die ihre betagten<br />

Eltern misshandeln, früher selbst von diesen misshandelt<br />

worden sind.<br />

Auch ungelöste Konflikte in einer Familie können zu<br />

gewalttätigen Auseinandersetzungen führen.<br />

5. ERFAHRUNGEN VON EXPERTINNEN<br />

Nachdem die Forschungslage zum Thema „Gewalt<br />

gegen alte Menschen“ sehr unbefriedigend ist,<br />

wurden im Rahmen der Erstellung des <strong>Gewaltbericht</strong>s<br />

Interviews mit ExpertInnen aus der Praxis<br />

geführt. Die nachfolgenden Erkenntnisse stammen<br />

aus der Auswertung dieser Interviews.<br />

Formen und Orte der Gewalt<br />

Physische Gewalt an alten Menschen wird nach<br />

Ansicht der ExpertInnen vergleichsweise selten<br />

verübt. Überwiegend kommt es gegenüber den<br />

Pflegebedürftigen zu seelischer Grausamkeit und<br />

emotionaler Vernachlässigung. Diese Handlungen<br />

drücken sich in Bevormundungen, Einschränkungen<br />

der Entscheidungsfreiheit, etc. aus. Finanzielle und<br />

materielle Ausbeutung von alten Menschen ist<br />

ebenfalls häufig anzutreffen. Sie muss nicht immer<br />

von Familienangehörigen verübt werden, da der<br />

Wunsch nach körperlicher Nähe und die unterdrückte<br />

Sexualität alte Menschen empfänglich für<br />

Kontakte machen.<br />

Problem Dunkelfeld<br />

Ein Großteil der Gewalttaten an alten Menschen<br />

wird nie entdeckt. Wenn doch, dann überwiegend<br />

aus folgenden Gründen:<br />

Gelegentlich erfolgen Anzeigen – anonym oder<br />

von Nachbarn.<br />

In Krankenhausnotaufnahmen werden Verletzungen<br />

entdeckt, die einen Verdacht erwecken.<br />

In Tageszentren zeigen alte Menschen Verhaltensauffälligkeiten,<br />

die mit Gewalt in Zusammenhang<br />

gebracht werden können.<br />

74<br />

Nicht bezahlte Rechnungen oder Mieten lassen<br />

den Verdacht aufkommen, dass Ausbeutung oder<br />

Vernachlässigung im Spiel sind.<br />

Werden Gewaltfälle aufgedeckt, reagieren alte<br />

Menschen oft mit Scham oder Furcht und versuchen<br />

die Gewalt zu vertuschen oder zu verharmlosen.<br />

Überforderungen und wechselseitige<br />

Verstrickungen<br />

Alte Menschen üben nach Ansicht von ExpertInnen<br />

häufig mehr oder weniger subtile Gewalt bzw.<br />

Gegengewalt aus, indem sie die pflegenden<br />

Angehörigen tyrannisieren und überbeanspruchen.<br />

Selten kommt es jedoch zu Drohungen seitens der<br />

Betreuenden mit der Heimeinweisung oder des Pflegeabbruchs.<br />

Viel häufiger ist eine moralisch<br />

begründete Tendenz zur Aufopferung anzutreffen.<br />

Negative Netzwerkeffekte<br />

Ist z.B. eine Frau schon mit der Pflege der kranken<br />

Mutter überfordert, so wirkt der Ehemann, der sich<br />

vernachlässigt fühlt und mit der Heimeinweisung<br />

seiner Schwiegermutter droht, noch verstärkend.<br />

Das Netzwerk Familie schafft sozusagen eine noch<br />

größere Belastung.<br />

Soziale Problemfamilien<br />

Gibt es in einer Familie Alkohol-, Tabletten- oder<br />

Suchtgiftmissbrauch, so reagiert die Umwelt oft<br />

sensibler auf mögliche Anzeichen von Gewalt. Alte<br />

Menschen sind in solchen Familien einer größeren<br />

Gefahr ausgesetzt, finanziell ausgebeutet und psychisch<br />

oder physisch misshandelt zu werden.<br />

SachwalterInnen<br />

Die Einschaltung von SachwalterInnen erweist sich<br />

oft als vorteilhaft, obwohl SachwalterInnen nur über<br />

eingeschränkte Kompetenzen im finanziellen<br />

Bereich verfügen.<br />

Pflegegeld<br />

Die Auszahlung von Pflegegeld provoziert nach<br />

Ansicht der meisten ExpertInnen nicht Gewalt,<br />

sondern wirkt eher „lindernd“ auf die Situation.<br />

Chancen und Grenzen von Eingriffen und<br />

Vorbeugung<br />

Interventionsmöglichkeiten bei Gewalt gegen alte<br />

Menschen sind zumeist sehr eingeschränkt, weil<br />

diese selten selbst aktiv werden, keine Anzeige<br />

erstatten wollen oder sich nicht als ZeugInnen zur<br />

Verfügung stellen. Um eine Eskalation der Gewalt zu<br />

vermeiden, erweist sich räumliche Trennung oft als<br />

sinnvoll.

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