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Gewaltbericht - Kurzfassung - BMWA

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Erste Erkenntnisse<br />

Die Statistik macht deutlich, dass die Anzahl der<br />

Wegweisungen sowie Betretungsverbote seit der<br />

Einführung des Gewaltschutzgesetzes kontinuierlich<br />

zugenommen hat. Dies wird nicht mit einem<br />

Ansteigen der Gewalt in Familien erklärt, sondern<br />

mit der gewachsenen Erfahrung im Umgang mit dem<br />

neuen Gesetz.<br />

Bei den einstweiligen Verfügungen zeigt sich, dass<br />

die Maßnahmen der Exekutive und der Justiz gut<br />

ineinander greifen. In mehr als 80% der Fälle wird<br />

dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben,<br />

wenn zuvor eine Wegweisung durch die Exekutive<br />

erfolgt ist.<br />

Mit über 90% stellen Ehefrauen und Lebensgefährtinnen<br />

die größte Gruppe der von Gewalt<br />

betroffenen Menschen dar. Die Zahl der Männer<br />

als Gewaltopfer ist mit weniger als 1% sehr gering.<br />

Ausblick<br />

Aus Sicht der PraktikerInnen, die dem Gesetz grundsätzlich<br />

sehr positiv gegenüber stehen, gibt es<br />

dennoch einige Schwachstellen, die zu sehr gefährlichen<br />

Situationen führen können:<br />

Die gefährdete Person kann die Polizei/<br />

Gendarmerie nicht rufen, da sie am Telefonieren<br />

gehindert wird. Will sie am nächsten Tag eine<br />

Wegweisung erreichen, wird diese oft mit dem<br />

Argument, dass die Gewalt schon „vorbei“ sei,<br />

nicht verhängt.<br />

Der Gefährder hat beim Eintreffen der Exekutive<br />

die Wohnung verlassen, kommt aber später<br />

wieder zurück. Das Opfer hat oft nicht mehr die<br />

Kraft, die Polizei/Gendarmerie noch einmal zu<br />

rufen. Die PraktikerInnen schlagen daher vor,<br />

dass die ExekutivbeamtInnen auf den Täter<br />

warten sollten.<br />

Das Opfer geht „freiwillig“, wodurch die Exekutive<br />

sich manchmal nicht mehr veranlasst sieht, eine<br />

Wegweisung auszusprechen. Für die Betroffenen<br />

bedeutet dies aber, dass sich ihre Chance auf<br />

eine rasche Verhängung der einstweiligen Verfügung<br />

stark verringern.<br />

Wird der Gefährder in Haft genommen, wird oft<br />

von einem Betretungsverbot abgesehen. Das<br />

Opfer wird jedoch nicht über eine Entlassung<br />

informiert, wenn es sich um Untersuchungshaft<br />

handelt.<br />

Im Bereich der einstweiligen Verfügung können Probleme<br />

dadurch entstehen, dass der Schutz zu sehr<br />

an Fristen und Verfahren gebunden ist und so<br />

Lücken entstehen. Der Schutz sollte nach Meinung<br />

von ExpertInnen aus der Praxis so lange gewährt<br />

werden, so lange Gefahr besteht. Er sollte nicht mit<br />

58<br />

z.B. der Scheidung enden, da gerade die Jahre<br />

nach einer Trennung zu den gefährlichsten zählen.<br />

Für von Gewalt betroffene Kinder gilt nur die 3-<br />

Monatsfrist, eine Verlängerung für die Zeit eines<br />

laufenden Verfahrens (Besuchsrecht oder Obsorge)<br />

ist derzeit nicht möglich.<br />

3. 1. 2. Vergewaltigung in der Ehe<br />

Zu einer bedeutenden Änderung kam es 1989 im<br />

Sexualstrafrecht: Hier wurde das Delikt der Vergewaltigung<br />

in der Ehe/Lebensgemeinschaft eingeführt.<br />

Rechtlich gesehen war Vergewaltigung zuvor<br />

nur etwas, das ein Mann einer „fremden“ Frau antun<br />

konnte, nicht aber seiner Ehefrau oder Lebensgefährtin.<br />

Dieses „Gutheißen“ der Vergewaltigung in<br />

der Ehe und die heftige Diskussion, die in Österreich<br />

der Änderung des Strafgesetzbuches in diesem<br />

Punkt vorausging, zeigt, wie tief verwurzelt männliche<br />

Verfügungsrechte über die weibliche Sexualität<br />

sind. Österreich ist jedoch kein Ausnahmefall.<br />

In vielen Ländern stellt die Vergewaltigung in der<br />

Ehe/Lebensgemeinschaft noch immer keine<br />

strafbare Handlung dar. Auch in Österreich gelang<br />

es nicht, die Vergewaltigung von Frauen in und<br />

außerhalb der Ehe völlig gleichzustellen. In der<br />

Ehe/Lebensgemeinschaft gilt sie zwar als strafrechtliches<br />

Delikt – allerdings mit Einschränkungen im<br />

Vergleich zur Vergewaltigung durch Fremde. Bei<br />

„minder schwerer Gewalt“ ist sie kein Offizialsondern<br />

ein Antragsdelikt, d.h., die vergewaltigte<br />

Frau muss selbst den Antrag auf strafrechtliche<br />

Verfolgung stellen. Dazu kommt die Möglichkeit<br />

einer „außerordentlichen Strafmilderung“, wenn die<br />

verletzte Person erklärt, weiter mit dem Täter<br />

zusammen leben zu wollen.<br />

Nach mehr als zehn Jahren zeigt sich, dass die Zahl<br />

der Verurteilungen wegen Vergewaltigung in der<br />

Ehe/Lebensgemeinschaft sehr gering ist. Die<br />

Erfahrungen der Fraueneinrichtungen lassen jedoch<br />

eine hohe Dunkelziffer vermuten, da sich viele<br />

Frauen schämen, über sexuelle Gewalt zu sprechen<br />

und im Allgemeinen davor zurückschrecken sie<br />

anzuzeigen. Zwar hat die gesetzliche Möglichkeit,<br />

über sexuelle Gewalterfahrungen von weiblichen<br />

Exekutivbeamten befragt zu werden, die Situation<br />

der Opfer verbessert, doch vermutlich wissen dies<br />

nur wenige Frauen. Außerdem besteht darauf kein<br />

rechtlicher Anspruch; es handelt sich lediglich um<br />

eine Richtlinie für die Exekutive.<br />

Ausblick<br />

Als Vergewaltigung wird meist nur die mit brutaler<br />

Gewalt durchgeführte Penetration definiert. Aus<br />

Sicht der PraktikerInnen wäre es jedoch wichtig, die

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