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2007 Dissertation_Christanell.pdf

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gehabt. Die Ernte war komplett weg und da hat man gesagt, da zahlen wir jetzt alle<br />

Jahre ein Wetteramt. Eine Wettermesse. P2-A48-63:20<br />

Die Erinnerung an schwere Gewitter ist bei manchen Personen stark emotional besetzt.<br />

Dabei ist die Intensität des Erlebens eines Gewitters stark von der persönlichen<br />

Geschichte des Individuums abhängig und von den Assoziationen, die durch das<br />

Auftreten eines Wetterereignisses im Individuum ausgelöst werden.<br />

Frau von I: Es sind die Gewitter auch nicht mehr so schlimm als wie einmal. (…) Also<br />

da hast’ wirklich Angst gehabt. Also da sind wir auch in der Nacht immer<br />

aufgestanden, wenn so ein Gewitter war, da sind wir aufgestanden und haben uns<br />

angezogen, also wenn was ist, dass wir nicht überrascht sind. P2-A48-63:25<br />

Die Angst um Zerstörung des eigenen Hab und Guts steckt tief in einigen, vor allem<br />

älteren interviewten Personen. So ist diese Angst eng an Kindheitserinnerungen geknüpft,<br />

aber auch mit früheren Zeiten, in der die Angst vor dem Obrandlt-Sein sehr stark war. So<br />

erzählte mir ein Bauer, dass früher viel mehr Höfe abgebrannt sind als jetzt und die Angst<br />

der Leute davor sei viel größer gewesen. Als Obrandlte wurden jene bezeichnet, deren<br />

Haus und Hof durch einen plötzlichen Blitzschlag abgebrannt ist und die sich durch<br />

Betteln um Almosen am Leben erhalten mussten.<br />

Laut dieser Schilderung meines Interviewpartners und ähnlichen Berichten vonseiten<br />

anderer InterviewpartnerInnen ist die Wahrnehmung von Gewitter, Hagel und Unwetter<br />

heutzutage weniger stark emotional besetzt als früher, da es Blitzableiter,<br />

Hagelversicherung oder Hochwasserverbauungen gibt und somit der eigene<br />

Lebensunterhalt nicht mehr in Gefahr ist. Sind es nun technologische Errungenschaften,<br />

die Gefahren bannen, so waren es früher Rituale, in denen versucht wurde Schäden, die<br />

von Unwetter oder Hagel verursacht werden, durch Gebete oder geweihte Objekte<br />

abzuwehren. Es gibt eine Vielzahl an Ritualen, die von den GesprächspartnerInnen als<br />

Wetterbräuche bezeichnet werden, und die zum Teil in der Weststeiermark auch noch<br />

heute praktiziert werden.<br />

In ihrem In-Beziehung-Setzen von derzeitigen Wetter- und Klimaverhältnissen zu früheren<br />

wurden von fast allen InterviewpartnerInnen zahlreiche Veränderungen des Wetters und<br />

Klimas in der Region angesprochen. Das Diskutieren von Veränderungen –sei es in<br />

Bezug auf das Wetter und Klima in der eigenen Region oder in Bezug auf das globale<br />

Klima – ist Teil der Alltagskommunikation unter den Bäuerinnen und Bauern.<br />

Das Bewahren und „Speichern“ von Wissen und Wahrnehmung zu Wetter/Klima erfolgt<br />

immer in Erinnerungen und zum Teil auch in Aufzeichnungen. Während Erinnerungen<br />

nicht verschriftlicht sind und von den Personen erst durch das Erzählen in Sprache<br />

gefasst und explizit gemacht werden, handelt es sich bei Aufzeichnungen zu<br />

Tagestemperaturen oder anderen klimatischen Elementen, zu Regenmengen oder zu<br />

einem an einem bestimmten Tag aufgetretenem Wetterphänomen (z.B. Hagel) um eine<br />

verschriftlichte Speicherung von Wissen und Wahrnehmung zu Wetter und Klima. Ob das<br />

aktuelle Wettergeschehen aufgezeichnet wird oder nicht, liegt auf Basis meiner<br />

Erhebungen und teilnehmenden Beobachtung am persönlichen Interesse der Personen<br />

an Wetter und Klima. So gab es unter meinen GesprächspartnerInnen welche, die bereits<br />

seit Jahren Aufzeichnungen machen und ältere beschriebene Jahreskalender immer<br />

wieder zum Vergleich mit dem aktuellen Jahr zu Rate ziehen (Abbildung 20). Andere<br />

wiederum gaben an, nie Aufzeichnungen zum Wetter zu machen oder früher einmal kurz<br />

damit begonnen haben, es dann aber wieder bleiben ließen.<br />

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