2007 Dissertation_Christanell.pdf
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• Die Menschheit wird verstanden als eine in sich geschlossene Welt – oder vielmehr –<br />
als viele verschiedene Welten (Kulturen), von denen jede einzelne ein System von<br />
geteilten („shared“) und fortdauernden symbolischen Repräsentationen ist.<br />
• Dahinter liegt eine externe Realität, die als Natur oder physische Welt bezeichnet<br />
wird.<br />
• Diese Realität ist die Quelle roher Sinnesdaten, die in sich selbst ohne Ordnung und<br />
Bedeutung sind.<br />
• Stimuli aus der Umwelt werden als Sinneseindrücke wahrgenommen und vom<br />
menschlichen Subjekt in Termini kultureller Schemata geordnet.<br />
Und stellt dann seine Sichtweise den folgenden Grundaussagen gegenüber:<br />
• Personen und Umwelt sind beide konstitutive Komponenten derselben Welt.<br />
• Die Bedeutungen, die in Objekten der Umwelt verkörpert sind, sind ihre Leistungen<br />
und werden als solche von den Personen wahrgenommen.<br />
• Die Dialektik zwischen Personen und Umwelt sollten nicht als Dichotomie zwischen<br />
Kultur und Natur verstanden werden, sondern als Dichotomie zwischen Effektivitäten<br />
(„effectivities“) und Leistungen („affordances“). Unter Effektivitäten versteht Ingold die<br />
Handlungsfähigkeit von Subjekten und unter dem Begriff Leistungen versteht er die<br />
Handlungsmöglichkeiten, die von den Objekten angeboten werden.<br />
In Ingolds Theorie der direkten Wahrnehmung wird Wahrnehmung nicht auf die bloße<br />
Rezeption von Sinneseindrücken reduziert, auf einen passiven Prozess, auf den<br />
notwendigerweise der Prozess der Kognition bzw. „die Organisation von<br />
Sinneseindrücken in fortschreitend höher geordneten Strukturen oder ‚Repräsentationen’“<br />
(Ingold 1992, 45) folgen muss. Von der Umwelt abgetrennte Prozesse, die je nach<br />
anthropologischer Theorie als kognitive Prozesse, Bedeutungszuschreibungen oder<br />
Klassifikationssysteme bezeichnet werden, gelten nicht als Grundvoraussetzung für jede<br />
Art von Wissen über Umwelt und für jegliches Handeln in dieser Umwelt.<br />
2.2.3 Eigene Positionierung zum Begriff Wahrnehmung<br />
In der Interpretation und Analyse meiner Felddaten blende ich die kognitive Ebene der<br />
kulturellen Konstruktion von Umwelt nicht aus. Eine kulturelle Konstruktion von Umwelt<br />
mag zwar nicht immer a priori notwendig sein, um mit der Umwelt durch Handlungen in<br />
Kontakt zu treten. Wird jedoch praktisches Wissen einmal generiert durch direkte<br />
Wahrnehmung und aktives Handeln in der Umwelt, so wird dieses Wissen im Nachhinein<br />
bzw. posteriori von Menschen kulturell konstruiert, und diese kulturelle Konstruktion wirkt<br />
dann wiederum auf die spätere Wahrnehmung von Umwelt ein.<br />
Direkte Wahrnehmung im Sinne Ingolds – also ohne das Wirken einer bereits<br />
vorhandenen kulturellen Konstruktion, die unsere Wahrnehmung leitet bzw. beeinflusst –<br />
kann es meiner Ansicht nur dann geben, wenn Menschen einem ihnen vollkommen neuen<br />
Phänomen in ihrer Umwelt, das sie nicht „einordnen“ können, begegnen und aus dieser<br />
Erfahrung heraus kann neues Wissen generiert werden und wiederum kulturell konstruiert<br />
werden.<br />
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