2007 Dissertation_Christanell.pdf
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deutlich seine Orientierung an Lévi-Strauss – als sich selbst determinierende menschliche<br />
Produkte, die durch ihre eigenen Prinzipien und Logiken erklärbar sind (ebd.).<br />
In den 1960er und 1970er Jahren war unter vielen Anthropologinnen und Anthropologen<br />
die Interpretation von Kultur als kybernetisches System für die Regulierung von<br />
Beziehungen zwischen Menschen und ihrer/n Umwelt/en weit verbreitet. Das bekannteste<br />
Beispiel hierfür ist Roy Rappaports Interpretation periodischer Zyklen des ritualisierten<br />
Krieges und Friedens bei der Tsembaga-Ethnie in Papua Neuguinea als eine<br />
systemerhaltende Strategie für die Aufrechterhaltung der Balance zwischen Menschen,<br />
Schweinen und verschiedenen Ressourcen wie z.B. kultivierbares Land (Thin 2006, 186).<br />
Für seinen Versuch, Religion über die Ökologie und über den Lebensunterhalt von<br />
Menschen erklären zu wollen, wurde Rappaport vielfach kritisiert. Rappaport selbst hat<br />
sich später von seinem frühen Werk „Pigs for the Ancestors“ (1968) und dem darin<br />
vertretenen Funktionalismus und reduktiven Materialismus distanziert und machte erste<br />
Schritte in Richtung einer Politischen Ökologie (Biersack 1999, 5-7). Sein Kollege Andrew<br />
P. Vayda hat später die zu dieser Zeit populären Anwendungen der „Ecosystems Theory“<br />
in der Anthropologie kritisiert und auch von seinem eigenen frühen Werk Abstand<br />
genommen (siehe dazu Vayda und McCay 1975) 13 .<br />
Die frühen Werken Vaydas und Rappaports werden gemeinsam mit dem<br />
kulturmaterialistischen Werk von Marvin Harris der neofunktionalistischen<br />
Theorieströmung zugeordnet, die aus ihrer Kritik an den Werken der Neoevolutionisten<br />
Steward und White heraus entstanden sind. Den Neofunktionalisten gemeinsam ist ihr<br />
Versuch, Kultur über die Untersuchung von Anpassungsprozessen an die Natur<br />
(Ökosysteme) zu erklären 14 (siehe dazu Bargatzky 1986, 29-30). Ein bedeutender<br />
Unterschied in den Werken eines Harris’ und den frühen Werken Rappaports und Vaydas<br />
liegt jedoch vor allem darin, dass es Harris um „causality“ und Vayda und Rappaport um<br />
„system functioning“ geht (Orlove 1980, 240).<br />
Jene systemtheoretische Theorieströmungen, die wechselweise als „Systems Ecology“,<br />
„Ecosystems Ecology“, „Ecosystems Theory“ oder als „New Ecology“ bezeichnet wurden,<br />
wurden von TheoretikerInnen der Weltsystemtheorie 15 und der Politischen Ökonomie<br />
kritisiert, dass sie durch ihren lokalen Fokus internationale, politische und ökonomische<br />
Prozesse ignorieren, welche jedoch entscheidende Faktoren für lokale Konditionen sind<br />
(Salzman und Attwood 1996, 169).<br />
13 Siehe zur Kritik an der frühen „Ecosystems theory“ auch Ellen (1982) und Moran (1990).<br />
14 Wegen ihrem Fokus auf Anpassungsprozessen wurden die VertreterInnen dieser Strömungen von Roger Keesing auch<br />
als „kulturelle Adaptionisten“ bezeichnet (Keesing 1974, 75f. zitiert in Bargatzky 1986, 30).<br />
15 Die Weltsystemtheorie („world systems theory“) hatte einen bedeutenden Einfluss in der Entwicklungstheorie und in der<br />
politischen Ökonomie in den 1970er und 1980er Jahren. Sie hat ihren Ausgang in der These des Ökonomiehistorikers<br />
Immanuel Wallerstein, in der das kapitalistische Weltsystem – das seinen Ursprung im späten fünfzehnten und frühen<br />
sechzehnten Jahrhundert hat – zur Schaffung eines globalen Marktes und einer globalen Teilung von Arbeit zwischen Kernund<br />
Peripheriezonen geführt hat, jede davon charakterisiert durch ihre eigene Form von Arbeitsorganisation (Thomas 2006,<br />
566). Beziehungen zwischen diesen Zonen sind gekennzeichnet durch einen ungleichen Austausch. So werden im Kern<br />
produzierte, kapitalintensive Güter mit in der Peripherie produzierten, arbeitsintensiven Gütern ausgetauscht. Das<br />
monumentale Werk Eric Wolfs „Europe and the People Without History“ (1982) war stark von Wallensteins These<br />
beeinflusst (Thomas 2006, 566). Diesem und anderen von Wallensteins These beeinflussten anthropologischen Werken ist<br />
das Anliegen gemeinsam, Effekte von globalen Prozessen auf kulturelle Systeme zu verstehen. Ein Unterfangen, das in den<br />
1990er Jahren zu den Studien der Globalisierung geführt hat (Thomas 2006, 566).<br />
Anthropologische Kritiken zu Wallensteins These betreffen vor allem die Tendenz historische und kulturelle Variationen<br />
zwischen den beiden Zonen zu überblenden und den Menschen der peripheren Zonen Passivität im Angesicht des<br />
Kapitalismus zuzuschreiben. So wurde in ethnografischen Arbeiten zu den Formen des Widerstands von Menschen in<br />
peripheren Zonen geforscht, sowie nachgewiesen, dass diese wiederum auch bestimmte Aspekte des Weltsystems<br />
verändert haben (Thomas 2006, 566).<br />
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