2007 Dissertation_Christanell.pdf
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In Bezug auf die in der Weststeiermark oft lang anhaltenden Nebel, meinte ein älterer<br />
Gesprächspartner: Da sehnt man sich nach schönen Wetter, wenn der Nebel zu lange<br />
andauert. Und eine Gesprächsparnterin: Wenn er zu lange geht, geht's einem psychisch<br />
nicht gut.<br />
Die Schilderungen meiner GesprächspartnerInnen zeigen, dass vor allem das Einsetzen<br />
von Schnee, Regen, Hagel und Gewitter über mehrere Sinne wahrnehmbar ist. Vor allem<br />
Anzeichen für einen Hagel, der Schäden an den Kulturpflanzen und auch an den Häusern<br />
anrichten kann, wurden sehr lebhaft und detailliert beschrieben. Im Gegensatz dazu<br />
wurden sehr wenige Sinneswahrnehmungen bei einem Wechsel von schlechtem Wetter<br />
zu schönem Wetter beschrieben. Da auch junge Bauern und Bäuerinnen ihre<br />
Sinneswahrnehmungen sehr gut beschreiben konnten, kann ich nicht sagen, dass ältere<br />
Personen einen Wetterumschwung durch ihre jahrelange Erfahrung besser wahrnehmen<br />
können. Meist häufen sich mit dem Alter aber körperliche Beschwerden wie z.B.<br />
Gelenksschmerzen, wenn es zu einer Wetterverschlechterung kommt.<br />
Es ist zumeist nicht nur eine Sinneswahrnehmung, sondern das Zusammenspiel mehrerer<br />
Sinneswahrnehmungen, über die ein Wetterumschwung wahrnehmbar wird.<br />
Eine hohe Sensibilität für Wetter- und Witterungsverhältnisse wurde nach den<br />
Erzählungen einiger älterer GesprächspartnerInnen früher sehr geschätzt. So wurden<br />
Personen, die hochsensibel auf Wetterveränderungen reagierten und durch diese<br />
gesteigerte Sinneswahrnehmung den Wetterverlauf teils schon Tage zuvor voraussagen<br />
konnten, von Bauern und Bäuerinnen in der Gemeinde zu Rate gezogen, wenn wichtige<br />
Entscheidungen bevor standen (z.B. Zeitpunkt der Heumahd). Diese Wertschätzung ist<br />
zum Teil durch das zu Rate Ziehen von Fernsehen, Radio und Hotlines von<br />
meteorologischen Instituten verloren gegangen. Ich vermute, dass auch das Vertrauen in<br />
die eigenen Sinne und die über die Sinne erstellte Wettervorhersage in dem Maße<br />
abnimmt, wie das Vertrauen auf Wetterberichte in den Medien zunimmt, wie dies auch ein<br />
Gesprächspartner von mir im folgenden Zitat ausgedrückt hat:<br />
I: Im Rahmen unserer bisherigen Gespräche ist mir das immer wieder schon mal<br />
reinkummen (…): Wenn es um’s Wetter geht, dass die Leute früher viel sensibler<br />
waren fürs Wetter und mehr selber drüber nachgedacht haben, wie das Wetter wird<br />
und vielmehr Wettererscheinungen und Wettervorboten wahrgenommen haben. Das<br />
kommt heute alles aus dem Radio. (…) Das sagt alles der (…) von Radio Steiermark,<br />
der dir immer das Wetter erzählt, der weiß wie das Wetter wird, auch wenn es<br />
nachher gar nicht so wird. Weil die regionalen Unterschiede ja sehr groß sind<br />
aufgrund dieser kleinteiligen Landschaft, aber selber nachdenken ist nicht mehr in.<br />
P1-A55-33:61<br />
Diese Vermutung kann durch Ergebnisse aus einer Erhebung gestützt werden, die im<br />
Rahmen des FWF-Projektes in der Weststeiermark vom Projektmitarbeiter Christian<br />
Bertsch durchgeführt wurde. Es wurde von Christian Bertsch untersucht, wie Bäuerinnen<br />
und Bauern in der Weststeiermark die Bedeutung des eigenen Erfahrungswissens<br />
gegenüber den Informationen von Akteuren und Institutionen bewerten und in welchem<br />
institutionellen Kontext das lokale Wissen zu Wetter und Klima eingebettet ist. Die<br />
Bäuerinnen und Bauern wurden gebeten die Bedeutung verschiedener<br />
Informationsquellen zu bewerten, die sie zu Rate ziehen, wenn sie wissen wollen wie das<br />
Wetter wird. Nach eigener Einschätzung beziehen die befragten Personen (n = 18) im<br />
Durchschnitt 64% der Informationen zu Wetter über Medien oder meteorologischen<br />
Institutionen, 28 % aus der eigenen Erfahrung und Sinneswahrnehmung und 8% von<br />
anderen Personen wie Familienangehörige, Nachbarn oder anderen LandwirtInnen<br />
(Bertsch 2006, 21).<br />
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