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2007 Dissertation_Christanell.pdf

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anthropogeographischen Grundhaltung geprägt war und später von der marxistischen<br />

Theorie, so liegt im mentalistisch-symbolistischen Zugang der Fokus auf die Entwicklung<br />

von indigenen Ideen und Kosmologien ausgehend von den Theorien der französischen<br />

Sozialanthropologen Durkheim, Mauss und Lévi-Strauss. Die jeweiligen Methodologien<br />

beider Zugänge reflektierten und reproduzierten für lange Zeit die Trennung von Kultur<br />

und Natur, die sie versuchten zu erklären (Halbmayer und Mader 2004, 165-166).<br />

In ihren einleitenden Bemerkungen zu den „Metamorphosen der Natur“ (Gingrich und<br />

Mader 2002b) unterscheiden Andre Gingrich und Elke Mader sogar drei verschiedene<br />

Theorieströmungen: die ökologisch-ökonomische, die relativistische und die komparative.<br />

Die ökologisch-ökonomische Denkrichtung reicht von Friedrich Ratzels<br />

„Anthropogeographie“ bis zu Julian Stewards „Cultural Ecology“ und Marvin Harris’<br />

„Cultural Materialism“. Sowohl die relativistische als auch die komparative<br />

Theorieströmung sind aus den Kritikpunkten an der ökologisch-ökonomischen<br />

Denkrichtung entstanden (Gingrich und Mader 2002a, 12-13, 17).<br />

Nach meiner Einschätzung lässt sich die ökologisch-ökonomische Theorieströmung dem<br />

materialistischen Zugang zuordnen, während sich die komparative dem mentalistischsymbolistischen<br />

Zugang zuordnen lässt. Eine klare Zuordnung der relativistischen<br />

Strömung ist meiner Ansicht aus folgenden Gründen nicht möglich: Nach Gingrich und<br />

Mader spannt sich die relativistische Sicht vom Werk Franz Boas’ bis hin zu den Arbeiten<br />

von Clifford Geertz und seinen Schülern (Gingrich und Mader 2002a, 17). Wenn man<br />

bedenkt, dass Boas einen bedeutenden (indirekten) Einfluss auf Vertreter des<br />

materialistischen Zugangs hatte (so war zum Beispiel der Gründer der „Cultural Ecology“,<br />

Julian Steward, ein Schüler des Boasianischen Schülers Kroeber (Orlove 1980, 237) und<br />

Clifford Geertz als Mitbegründer der „Symbolic Anthropology 5 “ vom Strukturalismus eines<br />

Lévi-Strauss’ beeinflusst war (Spencer 2006b, 536), fällt eine deutliche Zuordnung der<br />

relativistischen Theorieströmung schwer.<br />

Der deutsche Ethnologe Bargatzky unterscheidet zwei „Gedankenlinien“ zu Mensch und<br />

Natur seit der Antike: den Umweltdeterminismus und den Possibilismus. Im<br />

umweltdeterministischen Zugang werden das menschliche Sozialverhalten, die<br />

menschliche, psychische Konstitution und die körperliche Erscheinung auf geografische,<br />

insbesondere klimatische Unterschiede zurückgeführt. Diese Annahme findet in der<br />

Sozial- und Kulturanthropologie im Anthropogeographen Ratzel ihren bedeutendsten<br />

Vertreter (Bargatzky 1986, 24).<br />

Der Possibilismus ist nach Bargatzky dem Umweltdeterminismus entgegengesetzt. Er<br />

schreibt den Umweltfaktoren keine aktive, gestaltende Rolle zu, sondern nur eine<br />

begrenzende. Das bedeutet, dass die Umwelt „eine Reihe von sich entfaltenden<br />

Sozialformen und Strategien der Subsistenzökonomie“ ermöglicht, sie jedoch nicht<br />

determiniert. Als wichtigsten Vertreter des Possibilismus führt Bargatzky den<br />

amerikanischen Anthropologen Clark Wissler 6 an (Bargatzky 1986, 24-25).<br />

5 In seinen Ausführungen zur „Symbolic Anthropology“ erwähnt Jonathan Spencer einen interessanten Punkt, der die<br />

Ambivalenz in der Orientierung der Vertreter dieser Theorieströmung einerseits an Levi-Strauss und andererseits an Boas<br />

aufzeigt: „Although influenced by *Lévi-Strauss’s *structuralism, most obviously in treating culture as analogous to language,<br />

symbolic anthropology departed from Lévi-Strauss in two important ways. One was a resistance to scientistic *methodology,<br />

most clearly articulated in Geertz’s post-1970 writings. The other was an emphasis on cultural particularism, which had deep<br />

roots in American anthropology from the time of *Boas, and his successors like Ruth Benedict, but which was at odds with<br />

Lévi-Strauss’s concern with the panhuman roots of specific symbolic structures.” (Spencer 2006b, 536)<br />

6 Der amerikanische Anthropologe Clark Wissler hat bis in die 1940er Jahre bedeutende Werke (z.B. „Man and Culture“<br />

1923) geschrieben, die vor allem VertreterInnen des „culture-area approach“ inspiriert haben (siehe Barnard und Spencer<br />

2006a, 593).<br />

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