2007 Dissertation_Christanell.pdf
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Bauernhöfen (Karner 2000, 525). Ein älterer Bauer erwähnte in einem Interview seine<br />
Sorge über die zunehmende Vernachlässigung von ehemals bewirtschafteten Flächen:<br />
I: Durch den, dass alles arbeiten geht und die Preise unterm Tisch sind, wird auch<br />
nicht mehr so genau gearbeitet. Es wird kaum mehr gemäht, sagen wir, alles was<br />
früher sauber gemäht ist geworden, die ganzen Böschungen, die ganzen schrägen<br />
Hänge, das wird alles nicht mehr gemäht und da haben wir jetzt das Problem mit den<br />
Schnecken, viel mehr. Ich glaube, die sind schon deswegen gekommen, weil man<br />
nichts mehr mäht. (…) Der Wald ist auch schön, der Wald gehört. Aber die<br />
Grünflächen und die Rinder, das gehört auch her, das gehört auch dazu. (…) Der<br />
Wald wächst sehr stark. Und da hat man fast Angst, dass der zuwächst. Aber dann ist<br />
es mit den Fremden auch schlecht. P1-A48-5:168&178<br />
Die letzte Bemerkung des Bauerns bezieht sich auf die Angst, dass Touristen (die<br />
„Fremden“), die die Weststeiermark vor allem wegen ihres vielfältigen Landschaftsbildes<br />
schätzen, aufgrund der Zunahme des Waldes und der gleichzeitigen Abnahme<br />
bewirtschafteter Flächen, nicht mehr in die Region kommen könnten. Die Angst, dass sich<br />
die abnehmende Landschaftspflege in Zukunft negativ auf den Tourismus in der Region<br />
auswirken könnte, wurde auch von einer weiteren Gesprächspartnerin, die an ihrem<br />
Betrieb Gästezimmer vermietet, angesprochen. Dass zunehmend eigene<br />
landwirtschaftliche Flächen weiterverpachtet werden, zeigt laut einem meiner<br />
Gesprächspartner bereits negative, ökologische Folgen:<br />
I: Bei uns (…) ist einfach das Bauernsterben, dass die Höfe zumachen, also ich meine<br />
was Anderes machen und alles was großtechnisch bewältigbar ist, in Form von<br />
Ackerkulturen, das wird angepflügt, dann wird das Ackerland genutzt, die Tierhaltung<br />
wird eingestellt. Ah ... und die Brutalität steigt einfach. Die Brutalität im Umgang mit<br />
Umwelt, Straßen und Maschinen. Immer größere, schwerere Maschinen, die einfach<br />
immer weniger Rücksicht nehmen. Die Grenzverletzungen nehmen zu mit den ganzen<br />
Problemen, die Straßen werden kaputt gemacht, die Wege werden kaputt gemacht,<br />
weil früher sie mit kleinen Traktoren gefahren sind. Mit 2000, 3000 Kilo angehängt,<br />
jetzt kommen die Traktoren mit 200 PS, fahren von irgendwo her, 20 Kilometer,<br />
kommen die her und fahren dann mit dem großen Kipper mit 20, 30 Tonnen Mais auf<br />
der schmalen Straße. Also das ist alles ein brutaler Eingriff auf die Landwirtschaft im<br />
Gesamten. P2-A25-58:28<br />
Ein Gesprächspartner schätzt die weststeirische Landwirtschaft in ihrer derzeitigen Form<br />
als wenig überlebensfähig ein. Es sind seiner Ansicht nach vor allem ökonomische<br />
Gründe, das steigende Bedürfnis an Wohlstand, dass viele Menschen dazu bewegt, nicht<br />
mehr im Sektor der Landwirtschaft tätig zu sein.<br />
I: Generell glaube ich, dass es in der weststeirischen Landwirtschaft so sein wird, wie<br />
diese Landschaft das bedingt. Dass die Betriebsstrukturen einfach noch<br />
ökonomischer und noch vereinheitlichter werden, ob das jetzt von allen immer auf<br />
Brüssel geschoben wird oder ob das hausgemacht ist, oder ob das mit der<br />
Osterweiterung zu tun hat oder sonst irgendwas. Es ist der Zug der Zeit, dass 90%<br />
aller landwirtschaftlichen Betriebe in der Weststeiermark über kurz oder lang in der<br />
Form verschwinden werden, weil das einfach den heutigen Anforderungen an ein<br />
normales Leben mit einem möglichst großen, schönen Auto und ich weiß nicht, was<br />
nicht noch alles, einfach nicht mehr entspricht. (…) Ich glaube es hat wirtschaftliche<br />
Gründe, dass eben ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr, ohne nachzudenken,<br />
weitergemacht worden ist. Weil das nicht mehr so ist: Ich bin irgendwo hingeboren,<br />
ich muss jetzt da Bauer sein, weil was Anderes gibt’s nicht auf der Welt. (…) Das hat<br />
einfach mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und mit dem Ansteigen der Bedürfnisse<br />
der Menschen zu tun. P2-A55-60:28<br />
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