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2007 Dissertation_Christanell.pdf

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Phase 2 genannt. Sie könne sich aus ihrer Jugendzeit erinnern, dass damals in Rassach<br />

noch wettergeläutet worden ist.<br />

I: Ja, da haben sie immer wettergeläutet noch in meiner Jugend. Wenn ein Gewitter<br />

gekommen ist, ist Wetter geläutet worden. A: Wird das jetzt nicht mehr gemacht? I:<br />

Na, das ist zu komplex jetzt. Wer soll das machen? (...) (D)ie Leute sind ja gar nicht<br />

da im Dorf. Die Alten, die das gemacht haben, sind weggestorben und die mittlere<br />

Generation, die meine, die hat den Bezug nicht mehr dazu. P2-A27-62:24<br />

Ihrer Einschätzung zufolge wurde in ihrer Gemeinde schon seit 30 oder 40 Jahren nicht<br />

mehr wettergeläutet.<br />

Keine einzige Person, die in Phase 5 zum Brauch des Wetterläutens befragt wurde, gab<br />

an, dass dieser Brauch in ihrer Gemeinde praktiziert wird bzw. wurde. Daher konnten<br />

vonseiten einiger GesprächspartnerInnen nur Vermutungen geäußert werden, so z.B.<br />

dass dieser Brauch a) schon seit 70 Jahren nicht mehr praktiziert wird oder b) in anderen<br />

Regionen außerhalb der Weststeiermark praktiziert wird. Auch ältere<br />

GesprächspartnerInnen aus St. Stefan und Stainz konnten sich nicht daran erinnern, dass<br />

in ihren Gemeinden jemals wettergeläutet worden wäre.<br />

Auf die Frage, seit wann es das Wetterläuten in ihrer Gemeinde nicht mehr gibt, meinte<br />

ein älterer Bauer, dass manche Bräuche so langsam verloren gehen, ohne dass man es<br />

immer gleich merkt. Deshalb könne man auch nicht sagen, seit wann es diese nicht mehr<br />

gibt.<br />

In der historischen Literatur nimmt das Wetterläuten als Wetterbrauch einen weitaus<br />

höheren Stellenwert ein. So berichtet Richard von Strele ausführlich über historische<br />

Quellen und die zu seiner Lebenszeit (Mitte des 19. Jahrhunderts) noch weit verbreitete<br />

Praktik des Wetterläutens. Nach den Ausführungen von Strele stand das Wetterläuten mit<br />

dem über mehrere Jahrhunderte verbreiteten Glauben in der Bevölkerung in vielen<br />

österreichischen und süddeutschen Regionen in Verbindung, dass durch die Kraft und die<br />

Lautstärke von geweihten Kirchenglocken Hagelunwetter oder sonstige schwere Unwetter<br />

vertrieben werden können (siehe dazu Strele 1898, 124-130). Das Wetterläuten wurde<br />

von katholischen Obrigkeiten zum einen gebilligt, zum anderen aber auch immer wieder<br />

aufs Neue verboten – was mitunter zu massivem Widerstand in der lokalen Bevölkerung<br />

des jeweiligen Bistums oder der jeweiligen Pfarrei führte (Strele 1898, 126-129).<br />

Der Glaube daran, dass durch Schall Gewitterwolken vertrieben werden können, steckt<br />

auch hinter dem „Wetterschießen“, das laut Strele (1898, 140-141) in der Steiermark,<br />

Kärnten, Tirol, Niederösterreich, Salzburg und Bayern praktiziert wurde. Obwohl bereits<br />

im 18. Jahrhundert durch Kaiser Josef das Wetterschießen gemeinsam mit dem<br />

Wetterläuten verboten wurde, wurde das Wetterschießen im 19. Jahrhundert weiterhin in<br />

einigen Regionen, so etwa in der Steiermark oder in der Gegend um Marburg,<br />

nachweislich praktiziert (Strele 1898, 141). Auch eine Studie zu Beginn des 20.<br />

Jahrhunderts, die das Wetterschießen in Österreich, Italien und im schweizerischen<br />

Kanton Tessin untersucht, zeigt die weite Verbreitung des Wetterschiessens (siehe dazu<br />

Stahel und Girsberger 1901). Spezifisch zur Ausübung des Wetterschiessens im<br />

weststeirischen Raum findet sich im „Ligister Heimatbuch“ ein Hinweis auf das<br />

„Wetterschießen mit Böllern“, das jedoch sehr umstritten gewesen sein soll, „weil<br />

angeblich die vertriebene Gewitterwolke anderswo mehr Schaden anrichtete“<br />

(Marktgemeinde Ligist 1964, 234).<br />

Als gegenwärtige Studie zum Wetterschießen in anderen Kulturen sei an dieser Stelle auf<br />

die Studie von Hallie Eakin verwiesen. In einigen der von Eakin erforschten<br />

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