2007 Dissertation_Christanell.pdf
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Briefträger das Wetterzeichen. Des Weiteren wurde in ihrer Familie immer gescherzt,<br />
wenn der X (= Nachbar der Bäuerin) gemäht hat, kommt der Regen bei uns. Auch wenn in<br />
früherer Zeit (nach Einschätzung der Bäuerin: vor ungefähr 100 Jahren) der Doktor auf<br />
einer Kutsche daher kam, hieß es laut der Bäuerin: Oje der Doktor kommt mit’n weißen<br />
Anzug auf der Kutsche! (Jetzt) gibt’s Regen.<br />
***<br />
Die Vielfalt an zum Teil voneinander abweichenden Meinungen zu den Wetterzeichen<br />
darzulegen, ist mir ein besonders wichtiges Anliegen, da in der umfangreichen<br />
Populärliteratur zu Bauernregeln und Wetterregeln gerne pauschalisiert wird.<br />
Redewendungen wie „die Bauern haben immer schon“, „jahrhundertealtes Wissen“ etc.<br />
täuschen vor, dass Bauern und Bäuerinnen jederzeit und überall beste Kenntnisse über<br />
Wetter- und Witterungsbedingungen hatten und alle in gleichem Maße mit<br />
außerordentlicher Beobachtungsgabe ausgestattet waren.<br />
Konträr zu diesen Darstellungen in der Populärliteratur ergab sich in meinen Erhebungen<br />
eine Vielfalt an Wetterzeichen, die nur bestimmten Personen bekannt waren. Wenn zum<br />
Beispiel ein Bauer aufgrund der Lage seines Hofes oder aufgrund seiner genauen<br />
Beobachtungsgabe das Auftreten eines bestimmten Wetterphänomens oder auch die<br />
Verhaltensweisen eines bestimmten Tieres immer wieder mit einem nachfolgenden<br />
Regen verbindet, so ist dies sein persönliches Wetterzeichen, das er vielleicht noch<br />
seinen Verwandten oder Bekannten mitteilt und dies daher auch nur denen bekannt ist.<br />
Weiters gab es Wetterzeichen, die zwar vielen meiner GesprächspartnerInnen bekannt<br />
waren, die jedoch für etwa die Hälfte der GesprächspartnerInnen nicht relevant sind für<br />
die eigene Wetterprognose. Es ergab sich in den Gesprächen auch, dass es früher auch<br />
nicht „immer“ „alle“ Bauern und Bäuerinnen waren, die anhand verschiedener<br />
Wetterzeichen den Wetterverlauf zu bestimmen wussten. Es gab auch früher immer<br />
wieder in den jeweiligen Dörfern „Spezialisten“ oder – wie sie von einigen<br />
InterviewpartnerInnen auch genannt wurden – „Wetterpropheten“, zu denen die Bauern<br />
und Bäuerinnen in der Nachbarschaft gingen und sie zu ihrer Einschätzung bezüglich des<br />
künftigen Wetterverlaufs befragten. Diese Spezialisten wurden besonders in Zeiten<br />
aufgesucht, in denen eine genaue Wetterprognose für die Bauern und Bäuerinnen<br />
besonders wichtig war (z.B. Zeitpunkt der Aussaat oder des Heuens). Ein älterer<br />
Interviewpartner erzählte mir von seinem Großvater, der ein solcher Spezialist war und zu<br />
dem die Leute aus der Nachbarschaft kamen, um ihn nach seiner Einschätzung des<br />
Wetterverlaufs zu fragen.<br />
I: Der Großvater hat sich sehr viel mit dem Wetter befasst. (…) Er ist alt geworden,<br />
87 Jahre, er hat’s bei die Gelenke, bei die Hüften gehabt, wo man heute eigentlich<br />
helfen kann, heute kriegst eine neue Hüften eini, aber durch die Gelenksschmerzen<br />
hat er eigentlich ein jedes Wetter vernommen (…), das hat ihm immer Zeichen<br />
gegeben. Da hat er immer Schmerzen gekriegt und das hat immer ziemlich gestimmt.<br />
Sind die Leute oft kommen fragen: „Großvater, sollen wir mähen, wie geht’s dir?“ „Ja,<br />
nicht gut“, und es hat fast immer gestimmt. P1-A48-5:18<br />
Des Weiteren ist es mir wichtig bezüglich der oben dargestellten Wetterzeichen zu<br />
erwähnen, dass meine InterviewpartnerInnen während der Interviewgespräche immer<br />
wieder auch betonten, dass das Auftreten eines Wetterzeichens alleine noch lange nicht<br />
eine bestimmte Wetterveränderung anzeigen muss bzw. dass man sich auf ein Zeichen<br />
alleine nicht verlassen kann. Es scheint mir somit vielmehr die Kombination verschiedener<br />
Beobachtungen oder die Kombination zwischen eigenen Beobachtungen und den<br />
Informationen aus Radio und Fernsehen ausschlaggebend zu sein für die<br />
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