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2007 Dissertation_Christanell.pdf

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Die Bedeutung von Sprache und Kultur für die Kognition und das Generieren von Wissen<br />

findet sich jedoch auch in der europäischen Sozial- und Kulturanthropologie. Die<br />

Auseinandersetzung mit symbolischer Klassifikation hat ihren Ursprung bei Durkheim und<br />

Mauss, und wurde in den 1960er Jahren von Lévi-Strauss und einer Gruppe<br />

einflussreicher britischer Anthropologinnen und Anthropologen – Sir Edmund Leach, Mary<br />

Douglas und Rodney Needham – fortgeführt (Ellen 2006, 105).<br />

So vertritt Leach in seinem Buch „Culture and Communication“ die Ansicht, dass die<br />

interne Wahrnehmung der Außenwelt in höchstem Maße von den verbalen Kategorien,<br />

die wir verwenden, um sie zu beschreiben, beeinflusst ist (Leach 1976, 33 zitiert in Ingold<br />

1992, 45). Mit verbalen Kategorien und Klassifikationssystemen haben sich eine Reihe<br />

von Anthropologinnen und Anthropologen auseinandergesetzt, darunter auch<br />

Ethnobiologinnen und Ethnobiologen, die sich mit der verbalen Klassifikation von Pflanzen<br />

und Tieren beschäftigt haben.<br />

Federführend ist hier der amerikanische Kulturanthropologe und Ethnobiologe Brent<br />

Berlin, der in seinem Werk „General principles of classification and nomenclature in folk<br />

biology“ den Menschen als „the classifiying animal“ bezeichnet (Berlin, Breedlove, und<br />

Raven 1973, 214 zitiert in Ingold 1992, 47). Berlins Klassifikationstheorie ist eine<br />

universalistische und steht in Opposition zu kulturrelativistischen Annahmen der Schüler<br />

von Boas, in denen die jeweilige Kultur die Kognition der Menschen determiniert 28 .<br />

Die Bedeutung der Klassifikation lässt sich mit den Worten des britischen<br />

Sozialanthropologen und Ethnobiologen Roy Ellen zusammenfassen: Erst durch den<br />

Prozess der Klassifikation, dem Zuweisen von wahrgenommenen Sinneseindrücken zu<br />

Kategorien, ist es uns möglich, über die Welt nachzudenken (Ellen 2006, 103).<br />

Mary Douglas hat sich immer wieder in ihren Werken mit Klassifikationssystemen<br />

auseinandergesetzt (Barnard und Spencer 2006a, 572). Ihre Sichtweise von<br />

Wahrnehmung kommt in folgenden Worten aus ihrem wohl einflussreichsten Werk „Purity<br />

and Danger“ sehr deutlich zum Ausdruck:<br />

„As perceivers we select from all the stimuli falling on our senses only those which<br />

interest us, and our interests are governed by a pattern-making tendency.... In a<br />

chaos of shifting impressions, each of us constructs a stable world in which objects<br />

have recognizable shapes, are located in depth, and have permanence.” (Douglas<br />

1966, 36 zitiert in Ingold 1992, 46)<br />

Nach Douglas strömen also Sinneseindrücke chaotisch auf die Menschen ein. Erst durch<br />

das Selektieren und Ordnen dieser Eindrücke nach bestimmten Mustern folgenden<br />

Tendenzen kann die Bedeutung des chaotisch Einströmenden erkannt werden.<br />

Mit diesem Zitat von Douglas beende ich meine Darstellung der Positionen aus der<br />

Kognitiven und Symbolischen Anthropologie und knüpfe direkt an dieses Zitat mit der<br />

Kritik Ingolds an einigen der hier dargestellten Positionen an, bevor ich dann die<br />

wichtigsten Punkte seiner Theorie der direkten Wahrnehmung zusammenfasse.<br />

2.2.2 Theorie der direkten Wahrnehmung<br />

28 Ein beliebtes Beispiel der „Boasianer“ für die Determinierung der Kognition durch Kultur war jenes des Farbenspektrums.<br />

Demnach könnten zwar alle Menschen dasselbe Spektrum von Farben sehen; wie dieses Kontinuum von Farben jedoch<br />

aufgeteilt wird, variiert von Kultur zu Kultur (Bloch 2006a, 110). Diese Argumentation konnte von Berlin und Kay in ihrem<br />

Werk „Basic Color Terms: Their Universality and Evolution“ (1969 zitiert in Bloch 2006a, 110) widerlegt werden.<br />

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