2007 Dissertation_Christanell.pdf
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Zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Befragung zum Brauch des Betens im Haus<br />
während eines Gewitters, führt ein Vergleich des „Kennens“ und „Praktizierens“ bezüglich<br />
des Felderbetens als Schutz gegen Unwetter (Tabelle 8: Felderbeten). Während 70%<br />
aller befragten Personen angeben, den Brauch des Felderbetens zu kennen, wird der<br />
Brauch nur von 10% der Personen, die den Brauch kennen, praktiziert.<br />
Beim Felderbeten versammelt sich die Dorfgemeinschaft eines Ortsteils einer<br />
weststeirischen Gemeinde an einem bestimmten Tag im Frühjahr – der von der jeweiligen<br />
Dorfgemeinschaft selbst festgelegt wird – und geht über die Felder der beteiligten Bauern<br />
und Bäuerinnen. Währenddessen werden vom Vorbeter dieser Dorfgemeinschaft<br />
bestimmte Gebete vorgetragen, in denen um Schutz vor Unwetter, Blitzschlägen,<br />
Trockenheit, aber auch um eine gute Ernte gebeten wird. Die weiteren Beteiligten<br />
begleiten die Gebete des Vorbeters mit Rosenkranzgebeten.<br />
Das Felderbeten ist ein Brauch, an den sich einige GesprächspartnerInnen aus der Phase<br />
2 erinnern konnten, der jedoch nur mehr in wenigen Ortsteilen weststeirischer Gemeinden<br />
üblich ist.<br />
I: Das machen sie in gewissen Gegenden noch, anscheinend. Wo man wirklich an<br />
einem bestimmten Tag, wann das war, weiß ich auch nicht mehr, wenn sich die<br />
Dorfleute getroffen haben und da war ein Vorbeter und da ist man betend wirklich<br />
durch die Felder gegangen. Und wo man eben um eine gesunde Ernte gebetet hat<br />
und um ein gutes Wetter gebetet hat. Das Felderbeten. P2-A59-54:24<br />
So vermutet ein älterer Bauer, dass das Felderbeten – von ihm als Felderweihe<br />
bezeichnet – noch im Stainztal üblich sei. Ein jüngerer Bauer aus dem Stainztal jedoch<br />
widerlegt diese Vermutung. Das letzte Felderbeten, an das er sich erinnern kann, liegt 20<br />
bis 30 Jahre zurück.<br />
In einem Ortsteil in Rassach treffen sich einige Bauern und Bäuerinnen nach wie vor<br />
jedes Jahr zum Felderbeten:<br />
I: (A)m Pfingstmontag tun wir Felderbeten. (...) Da gehen wir immer jedes Mal eine<br />
andere Route. A: Und was wird da dann gebetet? I: Rosenkranz. Und da gibt’s so<br />
Beter, Sprüche... (D)a wird gebetet, dass man eine gute Ernte hat und dass kein<br />
Gewitter kommt und alles zusammenhaut. P2-A48-63:19<br />
Eine Gesprächspartnerin hat mir das Gebet eines Vorbeters 124 vorgelesen, das sie selbst<br />
während eines Felderbetens mit Erlaubnis des Vorbeters mitgeschrieben hat und in ihrer<br />
<strong>Dissertation</strong> (Steinbauer 2005) veröffentlicht hat.<br />
Der Brauch des Felderbetens war einigen befragten Personen aus der Phase 5 bekannt.<br />
Derzeit wird das Felderbeten aber gemäß den Angaben der befragten Personen aktiv nur<br />
mehr in einem Ortsteil von Rassach ausgeübt. Drei GesprächspartnerInnen aus den<br />
Gemeinden Marhof und Stainz vermuten, dass es das Felderbeten in ihren Gemeinden<br />
schon seit 50 bis 60 Jahren nicht mehr gibt.<br />
Eine ältere Gesprächspartnerin aus dem Stainzer Ortsteil Neurath erzählte, dass man<br />
früher beim Alexi-Tag (Namenstag: Alexius, 17.Juli) zu Fuß nach Groß St. Florian<br />
124 Laut dieser Gesprächspartnerin hatten die Vorbeter ihre eigenen Gebete, die sich von den Gebeten der Priester<br />
unterscheiden. Dass die Vorbeter abseits von ihrer Funktion beim Felderbeten nach wie vor eine wichtige Rolle bei der<br />
Sterbebegleitung von Dorfangehörigen spielen, darauf weist ein älterer Bauer mit folgender Aussage hin: Wenn wer stirbt, ja<br />
den (Vorbeter) brauchen wir schon. P2-A48-54:24<br />
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