2007 Dissertation_Christanell.pdf

Die Gründe der relativen geringen Wertschätzung von Bauernregeln und Lostagen
vonseiten mehrerer GesprächspartnerInnen lassen sich folgendermaßen
zusammenfassen:
Andere Qualität: Bauernregeln und Lostage verlieren ihre Bedeutung als Richtwerte und
Orientierungshilfen für die LandwirtInnen, da mittlerweile Wetterberichte bessere
Orientierungshilfen leisten.
Andere Zeit: Da Bauernregeln und Lostage durch ihre verschriftlichte Form statisch
festgeschrieben sind, verlieren sie ihre Bedeutung, da die eigene Erfahrung und
Wahrnehmung von Wetter und Klima – auch bedingt durch Klimaveränderungen (z.B.
Verlängerung der Vegetationszeit) – oft eine andere ist, als die die in Bauernregeln
festgeschrieben wurde.
Anderer Ort: Bauernregeln und Lostagen, die sich in Bauernkalendern finden, kommen
zum Teil aus anderen Regionen und büßen daher an Gültigkeit und
Eintreffwahrscheinlichkeit ein.
Auch wenn die Gültigkeit von Bauernregeln und Lostagen zunehmend in Frage gestellt
wird, findet man doch in vielen bäuerlichen Haushalten verschiedene Bauernregeln oder
Mandlkalender, die zum Teil dekorativen Zwecken dienen und je nach Interesse auch
gerne gelesen werden (Abbildung 21). Auch in vielen Tageszeitungen finden sich
Bauernregeln und Lostage als Auflockerungen und Ergänzungen zu meteorologischen
Wettervorhersagen abgedruckt.
Ich hatte in meiner Feldforschung die Gelegenheit einen älteren Bauern kennen zu lernen,
den ich in einem ausführlichen Interview außerhalb der Erhebungsphasen 113 befragt habe
und der sich als Experte zu Bauernregeln und Lostagen erwies. Er verfügte über ein
erstaunliches Wissen zu Bauernregeln und Lostagen und wurde mir bereits von einer
Bäuerin aus seiner Gemeinde empfohlen und als Wetterprophet angekündigt.
Als Stütze seines Wissens gilt für diesen Gesprächspartner vor allem der Mandlkalender.
Dieser Kalender enthält im Gegensatz zu anderen Bauernkalendern (z.B. Steirischer
Bauernkalender) keine verschriftlichten Informationen zu den einzelnen Kalendertagen.
Informationen über den Wetterverlauf eines Kalenderjahres werden über Symbole (vor
allem Bilder von katholischen Heiligen oder Symbole aus der katholischen Religion)
vermittelt. Somit ist der Mandlkalender nur für jene Personen „lesbar“, die mit diesen
Symbolen vertraut sind und diese dechiffrieren können. Mein Gesprächspartner wusste
viele Wettersprüche zu den einzelnen Kalendertagen und Lostagen. Gleichzeitig verfügte
er über einen reichen Erfahrungsschatz bezüglich des Eintretens oder Nichteintretens von
Wettervoraussagen, die er anhand des Mandlkalenders in den letzten Jahren getroffen
hatte.
Von bestimmten Heiligentagen, die im Zusammenhang mit bestimmten
Wetterbedingungen gebracht werden, berichtet auch Hallie Eakin aus Tlaxcala in Mexiko
(1999, 457). So z.B. werden in den Dorfgemeinschaften Regentage oft mit dem Tag des
jeweiligen Dorfheiligen oder mit dem Tag von „San Juan“ (24. Juni) assoziiert, andere
Tage wie die der Heiligen „San Pedro“ (29. Juni) oder „San Miguel“ (29. September)
werden häufig mit dem Auftreten von Frost in Verbindung gebracht (ebd.). Als Quelle für
113 Für eine Erhebung mit Gesprächsleitfaden war der Interviewpartner, eine starke und eigensinnige Persönlichkeit, nicht
bereit. Er hatte eine ganz genaue Vorstellung von der Art wie das Gespräch zu verlaufen hatte, was er mir mitteilen wollte
und ich überließ ihm daher die Führung des Gesprächs und begnügte mich mit Zwischen- oder Verständnisfragen.
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