2007 Dissertation_Christanell.pdf
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Ich verstehe meine Arbeit, die – bedingt durch die Einbettung in ein Forschungsprojekt<br />
und durch eigenes Interesse – von mehreren Forschungsströmungen in und außerhalb<br />
der Sozialanthropologie beeinflusst ist, als sozialanthropologischen Beitrag zum<br />
Verständnis der Mensch-Umwelt-Interaktion im weiteren Sinne. Im engeren Sinne gibt es<br />
Einflüsse aus bestimmten umweltanthropologischen Strömungen.<br />
Projektbedingt leistete vor allem die Ethnobiologie einen wichtigen Beitrag zu dieser<br />
Arbeit. In dieser Forschungsrichtung steht das Wissen über Naturphänomene, die<br />
Menschen umgeben, im Mittelpunkt.<br />
„Most ethnobiologists still confine their ambitions to studying the folk taxonomies and<br />
nomenclatures of ‚naturally’ existing living kinds“ (Descola 1996, 82f.). Dieses Wissen wird<br />
in ethnobiologischer Tradition oftmals mittels standardisierter Methoden wie etwa der<br />
Cultural Domain Analysis erhoben, Methoden, die Ellen 1982 abfällig „naive mechanical<br />
exercises in elicitation“ (Ellen 1982, 233 zitiert in Milton 1996, 50) nannte.<br />
In einigem bin ich in dieser Arbeit nicht dem gefolgt, was die „mainstream ethnobiology“<br />
(Descola 1996, 91) bzw. kulturrelativistische Sichtweisen in der Ethnobiologie (siehe<br />
Kapitel 2.1.2) zu erörtern versuchen. So galt es etwa nicht, eine Liste von „items“, also<br />
Elementen zu einem Wissensbereich (z.B. Schnee) herzustellen oder herauszufinden,<br />
was „kulturell korrekt“ ist (Borgatti 1996, 39).<br />
Im weiteren Sinne verstehe ich nach Svanberg und Tunón (2000, 17) die Ethnobiologie<br />
als „the study of different group’s beliefs, notions, and knowledge about nature“. Und unter<br />
dieser Sichtweise, also zur Erforschung von Wissen, Wahrnehmung und jeglicher Art von<br />
Glaubensvorstellungen in Bezug auf Wetter und Klima, habe ich die dieser Arbeit<br />
zugrunde liegende Forschung durchgeführt.<br />
Fokus der Arbeit soll nicht nur auf dem Wissen von Bäuerinnen und Bauern über Wetter<br />
und Klima per se liegen, sondern auf Wahrnehmung, Vorstellungen und Konzeptionen,<br />
die sich auf kurzfristige Wetteränderungen und langfristige Klimaänderungen, extreme<br />
Wetterereignisse, sowie damit zusammenhängende Risikowahrnehmung(en) beziehen.<br />
2.2 Wahrnehmung von Umwelt<br />
Ich werde zunächst darlegen, was unter dem Begriff der Wahrnehmung (im spezifischen:<br />
Wahrnehmung von Umwelt) in der Sozial- und Kulturanthropologie im Allgemeinen<br />
verstanden wird, und wie der Begriff der Wahrnehmung vom Begriff der Kognition<br />
unterschieden wird.<br />
Dabei werde ich zunächst im folgenden Unterkapitel auf die Konzepte von Wahrnehmung<br />
und Kognition bzw. kultureller Konstruktion von Umwelt in der Sozial- und<br />
Kulturanthropologie eingehen. Als Gegenposition zu den Positionen aus der Kognitiven<br />
und der Symbolischen Anthropologie stelle ich in einem weiteren Unterkapitel Ingolds<br />
Theorie der direkten Wahrnehmung dar, die er entlang seiner Kritik an kognitivsymbolischen<br />
Positionen entwickelt hat.<br />
Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Begriffsverständnissen zu Wahrnehmung und<br />
Kognition in der Sozial- und Kulturanthropologie ermöglichte mir eine Positionierung<br />
meines eigenes Verständnisses von Wahrnehmung und eine Präzisierung meiner<br />
eigenen Arbeitsdefinition, die ich in Anlehnung an die Auffassung von Wahrnehmung der<br />
Sozialanthropologin Kay Milton erarbeitet habe, und die ich in einem kurzen,<br />
abschließenden Unterkapitel darstellen werde.<br />
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