2007 Dissertation_Christanell.pdf
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Von allen aufgelisteten 18 Bräuchen ist die gesamte Anzahl der Bräuche, bei denen mit<br />
Hilfe von (magischen oder geweihten) Gegenständen Schaden abgewehrt wird, mehr als<br />
doppelt so hoch wie die gesamte Anzahl der Bräuche, bei denen gebetet wird<br />
(„immaterielle“ Schadenabwehr) (Tabelle 16).<br />
Bräuche, bei denen das Beten im Vordergrund steht, sind den befragten Personen<br />
bekannter als Bräuche, bei denen mit Hilfe von Gegenständen Schaden abgewehrt wird.<br />
Es konnte jedoch kein wesentlicher Unterschied zwischen dem Kennen und Praktizieren<br />
von Wetterbräuchen, bei denen über das Verwenden von Gegenständen versucht wird,<br />
den Lauf des Wetters zu beeinflussen und von Wetterbräuchen, bei denen über das<br />
Beten versucht wird, Einfluss auszuüben, festgestellt werden.<br />
Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die Gegenüberstellung der Wetterbräuche, in denen<br />
geweihte Objekte verwendet werden und der Wetterbräuche, in denen über Beten<br />
versucht wird, Schaden abzuhalten, sinnvoll ist. Die beiden von mir geschaffenen<br />
Kategorien werden nämlich häufig von meinen GesprächspartnerInnen miteinander<br />
kombiniert. Dies bedeutet, dass die GesprächspartnerInnen selbst keine Grenze zwischen<br />
materieller und immaterieller Schadenabwehr ziehen würden, sondern vielmehr zum<br />
Beispiel das Beten und das Versprengen von Weihwasser während eines Unwetters als<br />
Teil eines Ganzen wahrnehmen würden.<br />
Das „Ganze“ wäre nach diesem Verständnis ein Ritual mit verschiedenen rituellen<br />
„Bausteinen“ im Sinne Michaels. Anhand der Beispiele der hinduistischen Initiation und<br />
der römisch-katholischen Taufe zeigt Michaels auf, aus welchen rituellen „Bausteinen“ ein<br />
Ritual zusammengesetzt ist (Michaels 1999, 27-28). Er legt dar, dass die verschiedenen<br />
Rituale innerhalb einer Religion immer wieder von gleichen oder ähnlichen rituellen<br />
„Bausteinen“ zusammengesetzt sind und kommt zu folgendem Schluss:<br />
„Genau diese Redundanz in den Ritualen hat dazu geführt, daß man in solchen<br />
Handlungen Prototypen oder Archetypen sah. Man kann mit ihnen spielen, sie<br />
variieren, sie wiederholen, transformieren, nachahmen. Man kann sie wie Bausteine<br />
verschieden zusammensetzen. Man kann sie, wie Lévi-Strauss es vorschlug,<br />
analysieren wie Elemente einer eigenen Sprache.“ (Michaels 1999, 27-28)<br />
8.3 Weitere Wetterbräuche und dahinter stehende Vorstellungen von Natur und<br />
Übernatürlichem<br />
In Folge werde ich zusätzlich zu den oben dargestellten Wetterbräuchen noch weitere<br />
Wetterbräuche vorstellen, von denen mir die GesprächspartnerInnen der fünften<br />
Erhebungsphase erzählten.<br />
So erzählten mir drei GesprächspartnerInnen (unabhängig voneinander) von einem<br />
Schaden abwehrenden Wetterbrauch, der sich auf einer interessanten und eigensinnigen<br />
Annahme gründet.<br />
Eine Bäuerin mittleren Alters erinnerte sich daran, dass früher bei Hagel eine leere<br />
Schüssel oder ein Eimer vor das Haus gestellt wurde, damit der Hagel vorbeigeht.<br />
Ebenso erinnerte sich ein älterer Bauer während des Interviewgesprächs an seine Tante,<br />
die immer, sobald es anfing zu hageln, ein Gefäß – ein Häferl oder ein Reindl – ins Freie<br />
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