2007 Dissertation_Christanell.pdf
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Wahrnehmung und Aktion sind in der Theorie Ingolds nicht voneinander trennbar (Ingold<br />
1992, 41). Weiters verknüpft Ingold den Begriff der Wahrnehmung mit dem Begriff des<br />
Wissens. Das, was durch die unmittelbare Wahrnehmung gewonnen wird, ist praktisches<br />
Wissen; es ist Wissen darüber, was das Objekt leistet (ebd.).<br />
Ingold schlägt also eine alternative Theorie der Wahrnehmung vor, die aufzeigt, wie sich<br />
Personen im Laufe ihrer praktischen Aktivitäten direktes Wissen über ihre Umwelt<br />
aneignen (Ingold 1992, 40).<br />
Laut Ingold werden immer wieder Trennungen geschaffen zwischen der Welt als für den<br />
indifferenten anthropologischen Beobachter objektiv Gegebene und der Konstruktion der<br />
Welt durch die Beobachteten (vgl. Ellen 1982, 206 zitiert in Ingold 1992, 47).<br />
Was den bereits dargestellten Positionen von Leach, Douglas und anderen gemeinsam<br />
ist, ist, dass diese davon ausgehen, dass Umwelt nur in einem vom Handeln<br />
abgetrennten Prozess erkannt werden kann, und dass dieser Prozess der direkten<br />
Interaktion mit Umwelt vorausgeht.<br />
Ingold verwirft diese Form der – wie er sie nennt – „Cartesian dichotomy between<br />
sensation and intellection“ und entwirft als Gegenposition seine Theorie der „direct<br />
perception“ (Ingold 1992, 45). Gemäß seiner Theorie ist Wahrnehmung nicht eine<br />
Angelegenheit von mentaler Verarbeitung von Sinneseindrücken zu Produkten. Die<br />
Wahrnehmung involviert das Funktionieren eines totalen Systems – das sowohl das<br />
Gehirn als auch die Rezeptorenorgane umfasst, gemeinsam mit deren neuralen und<br />
muskularen Verbindungen – innerhalb eines Umweltkontextes. Wahrnehmung bezeichnet<br />
nicht das Zusammenfügen von in Abfolge auftretenden, unmittelbaren Eindrücken. Sie ist<br />
ein Prozess, der sich kontinuierlich über die Zeit fortsetzt (ebd.).<br />
Dieser prozesshafte Charakter von Wahrnehmung ist meiner Ansicht nach zentral in<br />
Ingolds Theorie der direkten Wahrnehmung. Das Verstehen der Wahrnehmung als einen<br />
Prozess führt Ingold zu folgender Erkenntnis:<br />
“This process of perception is also a process of action: we perceive the world as, and<br />
because, we act in it.” (Ingold 1992, 45)<br />
Das Begriffspaar Wahrnehmung/Aktion stellt Ingold in Bezug zu Produktion/Konsumation.<br />
Im Prozess der Produktion schaffen sich Menschen ihre Umwelten, jedoch nicht indem sie<br />
den Dingen Bedeutungen zuschreiben. Die Umwelt ist die Verkörperung von vergangenen<br />
Aktivitäten. Die Geschichte der Umwelt ist die Geschichte der Aktivitäten all ihrer<br />
Organismen, menschlicher und nicht-menschlicher, zeitgenössischer und verstorbener,<br />
die zu ihrer Formierung beigetragen haben (Ingold 1992, 50).<br />
Personen und Umwelt sind nicht zwei voneinander getrennte Domänen, die miteinander<br />
in Kontakt stehen, sondern das eine schließt das andere ein. Sie sind Teile derselben<br />
Geschichte:<br />
„Enfolded within persons are the histories of their environmental relations; enfolded<br />
within the environment are the histories of the activities of persons. Thus, to sever the<br />
links that bind any people to their environment is to cut them of from the historical past<br />
that has made them who they are.” (Ingold 1992, 51)<br />
Um seine Gegenposition zur kognitivistischen Sichtweise in der Anthropologie und<br />
Psychologie nochmals zu verdeutlichen, fasst Ingold (1992, 51-52) deren Grundaussagen<br />
wie folgt zusammen;<br />
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